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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Was hat er mit Biden vor? Trumps erstes Interview liefert Zündstoff
Donald Trump nutzte sein erstes Interview nach der Amtseinführung als Bühne für bekannte Narrative und bizarre Behauptungen. Bei seinem Lieblingssender Fox News stieß er zudem eine indirekte, aber kalkulierte Drohung aus.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Für sein erstes Interview, zwei Tage nach der Vereidigung als 47. Präsident der Vereinigten Staaten hatte Donald Trump seinen langjährigen Freund, den Fox-News-Moderator Sean Hannity ausgewählt. Von vornherein war also klar, dass das aufgezeichnete und um 21 Uhr Ortszeit ausgestrahlte Gespräch genau nach Trumps Geschmack verlaufen würde:
Mit Sean Hannity, einem der treuesten Trump-Moderatoren bei Fox News, konnte er ohne Probleme haltlose Behauptungen aufstellen und bei den wenigen heiklen Fragen trotzdem ausweichen und politische Angriffe zur Primetime gut platzieren.
Der absurde Gefängnis-Moment
Gleich am Anfang wiederholte Trump seine längst bekannte, nicht belegte Behauptung, ausländische Regierungen aus aller Welt würden "ihre Gefängnisse leeren" und die Insassen von Psychiatrien über die Grenze in die USA schicken. Trump sagte wörtlich: "Wir haben Mörder in unserem Land, Zehntausende." Wie immer hob er besonders Venezuela hervor. Trump behauptete aber auch: "Der Kongo hat seine Gefängnisse in den Vereinigten Staaten entleert."
Diese Anschuldigungen hatte er schon bei jedem seiner Wahlkampfauftritte verbreitet. Systematische Bemühungen anderer Nationen, Gefangene oder psychisch Kranke in die USA zu schicken, bleiben eine reine Erfindung – auch wenn Trump diese Behauptungen nun nicht mehr als Wahlkämpfer, sondern als 47. Präsident der USA aufstellt.
Es ist nicht ohne Ironie, dass es jetzt ausgerechnet Trump ist, der Gefängnisse leert und Insassen einfach laufen lässt. An seinem ersten Tag im Amt hatte er rund 1.500 Personen begnadigt, die an den Ereignissen vom 6. Januar beteiligt waren. Viele hatten wegen gewalttätiger Delikte, darunter Angriffe auf Polizeibeamte, harte Urteile erhalten. Einige sollten sogar Haftstrafen von bis zu 22 Jahren absitzen.
Um die am 6. Januar beteiligten Straftäter ging es dann auch in dem einzigen Moment, in dem der Moderator Sean Hannity ein wenig nachhakte. Er wollte von Trump wissen, warum er sogar Menschen begnadigt hatte, die beim Sturm auf das Kapitol Polizisten attackiert hatten. Trump wich sofort aus: "In Philadelphia gibt es Mörder, die nicht einmal bestraft werden", behauptete er.
Als Hannity noch einmal nachfragte, schlug Trump den nächsten Haken und argumentierte nun, die Inhaftierten hätten bereits "schrecklich genug gelitten". Sie seien immerhin "schon dreieinhalb Jahre dort", sagte Trump. Und sie würden "so schlecht behandelt, wie niemand zuvor jemals so schlecht behandelt wurde." Für Trump sind die Kapitol-Stürmer "Patrioten", die gegen eine "manipulierte Wahl" protestiert hatten. Das machte er erneut deutlich. Und: "Man sollte ja protestieren dürfen, oder?", fragte Trump noch. Dazu fiel Hannity dann offenbar nichts mehr ein.
Waldbrände in Kalifornien und Angriffe auf Newsom
Viel Raum nahm im Interview dann Trumps Kritik an Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom ein. Er machte den Demokraten für die Waldbrandkrise im Bundesstaat verantwortlich und wiederholte seine altbekannte Behauptung, Kalifornien verschwende absichtlich Wasser. "Sie leiten Millionen Gallonen von Wasser in den Pazifik. Das sind wie zwei Gläser Wasser für den Pazifik", behauptete Trump. Dazu kritisierte er das Waldmanagement des Bundesstaates: "Sie reinigen die Waldböden nicht."
Während es dafür tatsächlich einige Hinweise gibt, wurden Trumps Aussagen zur Wasserverschwendung bereits mehrfach widerlegt. Das Wassermanagement in Kalifornien basiert auf Umweltgesetzen und richtet sich nach Dürrebedingungen sowie konkurrierenden Bedürfnissen wie der landwirtschaftlichen und städtischen Nutzung oder dem Naturschutz. Die Wasserreservoire für die Hydranten in Los Angeles zu nutzen, wie Trump es forderte, klingt zwar einfach, ist es in Wahrheit aber nicht.
Mit seinen Angriffen auf Newsom – einem der bekanntesten demokratischen Politiker im Land – könnte Trump drei Ziele verfolgen: Der politische Gegner in einem bevölkerungsreichen Bundesstaat ist angesichts der Naturkatastrophe geschwächt. In Kalifornien finden im Jahr 2026 wieder Gouverneurswahlen statt. Warum also nicht jetzt schon damit beginnen, ihn zu beschädigen? Newsom gilt zweitens als einer der möglichen Anwärter für die nächste Präsidentschaftskandidatur der Demokraten im Jahr 2028.
Drittens, und das ist vielleicht die entscheidende Taktik von Trump: Die Feuerkatastrophe dient ihm als willkommene Rechtfertigung für nötige Haushaltsüberschreitungen während seiner eigenen Amtszeit. Trump deutete dies an, als er sagte: "Los Angeles hat alles verändert, weil eine Menge Geld notwendig sein wird …" Dabei war eines der wichtigsten Wahlversprechen der Republikaner, die Staatsverschuldung drastisch zu senken.
Eine versteckte Drohung gegen Biden
In einem der wenigen aufsehenerregenden Momente des Interviews erwähnte Trump dann, dass sein Vorgänger Joe Biden sich vor seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht selbst begnadigt habe. Trump bemerkte vielsagend: "Er hat sich selbst keine Begnadigung gegeben … Vielleicht hätte er das tun sollen." Obwohl Trump nicht direkt sagte, er werde rechtliche Schritte gegen seinen Vorgänger einleiten, war die Andeutung unverkennbar.
Zwar könnte ausgerechnet das Immunitäts-Urteil für Präsidenten, das Trump-freundliche Richter des Obersten Gerichtshofs erst im vergangenen Jahr gefällt hatten, auch Joe Biden vor Strafverfolgung schützen. Aber Trump handelt oft derart unvorhersehbar, dass nach dieser Äußerung im Fernsehen offen bleibt, ob er sein Justizministerium nicht trotzdem anweist, Biden strafrechtlich zu verfolgen. Er selbst sei wegen der vielen Strafprozesse schließlich in den vergangenen vier Jahren auch "durch die Hölle gegangen", sagte Trump. Ausschließen wollte er jedenfalls nichts.
Eines hat Trump mit dieser Andeutung in jedem Fall erreicht: mediale und politische Empörung. Es ist das berühmte Katz-und-Maus-Spiel, das Trump meisterhaft beherrscht. Die wohl kalkulierte Brisanz seiner Aussage war wohl auch der Grund, weshalb Fox News genau diese Szene schon zwei Stunden vorab veröffentlicht hatte.
Insgesamt bot Trumps erstes Interview ihm die perfekte Plattform, um seine bekannten Klagen über die angeblichen "Fake News"-Medien vorzutragen. Und um sich einmal mehr angesichts des überlebten Attentats als ein von Gott geretteter, auserwählter Führer zu präsentieren.
Trump schweift ab und gerät ins Schwadronieren
Das Interview mit drei Werbepausen und Dutzenden gefälligen Fragen unterstrich die langjährige Rolle von "Fox News" für Trump. Trotz der wenigen kritischen Momente war Hannitys Interview mit Trump über weite Strecken ein Gespräch zweier Gleichgesinnter – und keinesfalls konfrontativer Journalismus. Entsprechend gab es auch keine Frage zu Trumps Lüge über die angeblich gestohlene Wahl 2020, die erst zum Sturm auf das Kapitol geführt hatte. Damals hatte Fox News die Falschbehauptung rund um die Uhr verbreitet und musste später viele Millionen Dollar Schadensersatz an einen Hersteller von Wahlmaschinen bezahlen, weil der Sender auch fälschlicherweise verbreitet hatte, diese seien manipuliert gewesen.
Aber Trump ging es an diesem Abend ohnehin eher um das wiedergewonnene Oval Office. "Die mächtigsten Menschen der Welt kommen hier rein und wollen sich erst einmal Zeit nehmen, sich umzusehen", sagte Trump. Hannity schwärmte davon, dass das ja jetzt auch wieder Trumps Teppich sei, der da liege. Als Trump Hannity dann dazu überreden wollte, sich doch auch noch umzusehen, statt lästige Fragen zu stellen, rettete sich der Fox-News-Mann aus der peinlichen Situation immerhin mit dem Satz: "Vielleicht könnten wir ja eines Tages eine Tour machen."
Für einen Moment konnte man da den Eindruck gewinnen, dass Trump nicht nur älter, sondern auch wunderlicher geworden ist. Tatsächlich ist Trump nun mit 78 Jahren der älteste US-Präsident, der jemals eine Amtszeit begonnen hat.
- Interview auf "Fox News"
- Eigene Überlegungen