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Supreme Court: Oberster US-Richter gastierte wohl in Putin-Palast


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"Was zum Teufel..."
Oberster US-Richter gastierte wohl in Putins Palast


Aktualisiert am 12.07.2024Lesedauer: 4 Min.
Clarence ThomasVergrößern des Bildes
Der Supreme-Court-Richter Clarence Thomas: Durch seine nicht gemeldeten Reisen hat er einen Skandal ausgelöst. (Quelle: J. Scott Applewhite/AP/dpa)
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Der US-amerikanische Supreme Court gilt als politisiert und aktivistisch. Ein Skandal um einen Richter könnte das Vertrauen in die Institution weiter untergraben.

Nicht selten bestimmt ein Urteil des höchsten amerikanischen Gerichts – des Supreme Courts – die Schlagzeilen. Die Aufhebung des Grundsatzurteils "Roe v. Wade" im Jahr 2022 über die Frage nach einem Abtreibungsrecht für Frauen politisiert Washington D.C. bis heute und spielt auch im Wahlkampf zwischen Präsidenten Joe Biden und Donald Trump eine entscheidende Rolle.

Der starke Einfluss eines obersten Gerichts auf den politischen Diskurs ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich, ist im Fall einiger Urteile des Supreme Courts dennoch bemerkenswert. Das liegt nicht zuletzt auch an der Zusammensetzung des Gerichts: Der amtierende US-Präsident darf Kandidaten für den Supreme Court nominieren, die im Anschluss durch den US-Senat bestätigt werden.

Wird ein Kandidat bestätigt, bleibt er auf Lebenszeit im Amt. Die Wahl der Richter und die Frage der Nominierung sind somit stark mit dem politischen Tagesgeschäft verwoben und gelten für die Demokraten und Republikaner zugleich als ein Weg, ihre – gegebenenfalls kontroversen – Gesetzesvorhaben rechtlich zu stützen und auch ohne Präsidenten im Weißen Haus Einfluss auf den politischen Diskurs zu nehmen.

Momentan sind sechs der insgesamt neun Richter dem konservativen Spektrum zuzuordnen, während die drei verbleibenden Richter eine eher liberale Grundausrichtung haben. Nicht überraschend ist daher, dass das Gericht die Verfassung und seine Implikationen in seinen Urteilen eher originalistisch, also eng am Wortlaut und somit restriktiv liest und eine liberale Auslegung, etwa in Hinsicht auf Bürgerrechte, regelmäßig ablehnt.

Liste der Vorwürfe gegen Thomas ist lang

Eine grundsätzliche Politisierung des Supreme Courts ist dementsprechend nicht von der Hand zu weisen, jedoch scheint ein aktueller Fall selbst die weiten Grenzen des obersten US-Gerichts zu sprengen. Dem dienstältesten Richter am Supreme Court, dem 76-jährigen Clarence Thomas, wird vorgeworfen, vom Immobilienmogul Harlan Crow auf teure Reisen eingeladen worden zu sein. Unter anderem soll der Richter mit dem Privatflugzeug des Unternehmens geflogen und auf seiner Superjacht umhergefahren zu sein. Wie US-Medien berichten, soll Thomas diese kostenlosen Reisen nicht gemeldet haben, wie es gesetzlich vorgesehen ist.

Der US-Immobilienhai soll auch die monatlichen Schulgebühren in Höhe von umgerechnet etwa 6.000 Euro von Thomas' Großneffen bezahlt haben, dessen gesetzlicher Vormund der Richter ist. Thomas bestreitet alle Vorwürfe derweil und insistiert, bei den Reisen habe es sich um Akte der "persönlichen Gastfreundschaft" gehandelt.

Besonders brisant ist jedoch eine Russland-Reise des Richters im Jahr 2003. Demnach soll Thomas vor 21 Jahren eine kostenlose Jachtreise nach Russland und in die baltischen Staaten unternommen haben, auf der er unter anderem mit einem Hubschrauber nach Sankt Petersburg geflogen sein soll, die Heimatstadt des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Auch diese Reise soll Thomas verheimlicht haben. Der Hinweis geht aus einem Schreiben der beiden demokratischen Senatoren Sheldon Whitehouse (Vorsitzender des Unterausschusses für Bundesgerichte) und Ron Wyden (Vorsitzender des Finanzausschusses), hervor. In diesem fordern die Politiker die Einsetzung eines Sonderstaatsanwalts zur Untersuchung der mutmaßlichen Verstöße des Richters gegen die Ethik in der Amtsführung und Steuergesetze.

Historisch befleckter Ort

Über die genauen Umstände der Russland-Reise Thomas' ist derweil wenig bekannt. Klar ist aber, dass die Reise ebenfalls vom Immobilienunternehmer Crow finanziert wurde und wohl auch einen Besuch zum Jussupow-Palast in Sankt Petersburg beinhaltete. Der Jussuopow-Palast wird regelmäßig von Putin besucht und für Veranstaltungen des Machthabers verwendet. Historisch kurios: Hier wurde einst der verquere Wunderheiler Rasputin ermordet.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unklar, ob Thomas Putin auf seiner Reise traf. 2003 war Putin erst drei Jahre russischer Präsident. Auch die Beziehungen zum Westen, insbesondere zu den USA, galten damals als deutlich weniger belastet als heute.

Amtsenthebungsverfahren eingeleitet

Die Reise könnte Thomas neben anderen Vorwürfen der Unterschlagung und Intransparenz wohl dennoch zum Verhängnis werden. Die demokratische Kongressabgeordnete Alex Ocasio-Cortez verkündete am Mittwoch dieser Woche, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Thomas und seinen Amtskollegen Samuel Alito eingeleitet zu haben – Letzterem wird ebenfalls vorgeworfen, Geschenke und Vergünstigungen nicht gemeldet zu haben. Auch auf der Plattform X sorgen die Enthüllungen unter politischen Beobachtern und Kommentatoren für Aufregung.

Dort schreibt etwa der Jurist und Politik-Kommentator Tristan Snell im polemischen Unterton: "Clarence Thomas hat eine Reise nach Russland zu einem von Putins Palästen verheimlicht. Das scheint relevant zu sein. Vielleicht sollten wir – nur vielleicht – den Vorfall vollumfänglich untersuchen lassen und schauen, ob Thomas Beziehungen nach Russland unterhält".

Auch die Analystin der Denkfabrik "Center for European Policy Analysis" (CEPA) schreibt auf X: "Was zum Teufel macht ein US-Richter des Supreme Courts auf einer Jachtreise und einem Helikopter-Trip nach Russland?" Beide stehen der demokratischen Partei nahe und gelten als scharfe Kritiker des Kremls um Wladimir Putin.

Zweiter afroamerikanischer, oberster Richter in der US-Geschichte

Ob das Amtsenthebungsverfahren Erfolg haben wird, ist zu diesem Zeitpunkt ungewiss. Klar ist jedoch, dass die ohnehin schon angeschlagene Reputation des Supreme Courts wegen des Vorfalls wohl weiter leiden wird.

Clarence Thomas wurde vom ehemaligen US-Präsidenten George Bush Senior 1991 als Richter an den Supreme Court berufen. Er ist der zweite Afroamerikaner in der US-Geschichte, der in das Amt des Supreme-Court-Richters ausfüllt.

Verwendete Quellen
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