Taliban auf dem Vormarsch Afghanischer Luftschlag trifft eigene Soldaten – viele Tote
Seit Anfang Mai ziehen die Nato-Truppen aus Afghanistan ab, zugleich starten die Taliban immer neue Offensiven. Sieben Bezirke haben die Islamisten allein in den letzten Wochen erobert.
In Afghanistan sind bei einem offenbar fehlgeleiteten Angriff der afghanischen Luftwaffe mindestens 13 Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. Das teilten lokale Behördenvertreter am Samstag mit. Mehrere weitere Mitglieder der Regierungseinheit seien bei dem Vorfall im Bezirk Kohistan der Provinz Badachschan im Nordosten des Landes verletzt worden, hieß es weiter.
Die Sicherheitskräfte seien gerade von einer Operation gegen die militant-islamistischen Taliban zu ihrer Basis zurückgekehrt, als sie "fälschlicherweise" getroffen worden seien, sagte ein Parlamentsmitglied aus der Provinz. Mindestens eine Person befinde sich noch in kritischem Zustand.
Viele Opfer bei Kämpfen gegen die Taliban
Erst am Freitag gab es widersprüchliche Angaben zu Opfern eines Luftschlags der afghanischen Luftwaffe im Bezirk Nahr-e Saradsch der Provinz Helmand im Süden des Landes. Manchen Berichten zufolge sind viele Zivilisten ums Leben gekommen. Von einem Behördenvertreter wiederum hieß es, es habe sich um unbewaffnete Taliban-Kämpfer gehandelt, die einen Kontrollposten plündern wollten, der davor an sie gefallen war.
Bei weiteren Gefechten in der Provinz Baghlan im Norden des Landes sind zudem mindestens sechs Polizisten, darunter zwei Bezirkspolizeichefs, ums Leben gekommen. Taliban-Kämpfer hätten versucht, in der Nacht zu Samstag den Bezirk Dschulga zu überrennen, sagten lokale Behördenvertreter.
Taliban schneiden Gebiete von der Versorgung ab
Seit Beginn des offiziellen Abzugs der US- und anderer Nato-Truppen aus Afghanistan am 1. Mai haben die Taliban mehrere Offensiven im Land gestartet. Einige konnten Sicherheitskräfte zurückschlagen, andernorts stehen sie schwer unter Druck. Beobachter vermuten, dass diese Angriffe erst der Beginn der jährlichen Offensive der Taliban sind. Insgesamt sind seit Anfang Mai sieben von rund 400 Bezirken an die Islamisten gefallen.
"Sie riefen am Abend an und sagten, sie hätten keine Wahl gehabt", berichtete am Samstag der Parlamentarier Ismail Atikan aus der Provinz Nuristan. Mehr als 20 Tage lang hatten die Taliban das Bezirkszentrum von Doab in Nuristan belagert und von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Weder Essen oder neue Kräfte noch dringend benötigte Munition hätte dorthin gebracht werden können.
Nato will sich zur Lage in Afghanistan nicht äußern
Schließlich hätten Älteste in dem Gebiet mit den Taliban vereinbart, dass Polizisten, Militärs und Mitglieder der Bezirksverwaltung abziehen könnten, ohne dass sie angegriffen werden. "Sie haben am Ende den Bezirk dem Feind kampflos überlassen", sagt Atikan.
Andere Bezirke übernahmen die Taliban in den vergangenen Wochen noch brutaler. Einem jüngsten UN-Bericht zufolge kontrollieren oder kämpfen die Taliban um die Kontrolle von geschätzten 50 bis 70 Prozent des Territoriums des Landes außerhalb der Städte. Die Nato wollte sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende nicht zu den aktuellen Entwicklungen in dem Land äußern. Der Abzug der internationalen Soldaten aus Afghanistan soll bis spätestens 11. September abgeschlossen sein.
- Nachrichtenagentur dpa