Eskalation in Nahost Tel Aviv massiv unter Beschuss – Hochhaus in Gaza zerstört
Die Raketenangriffe der palästinensischen Terrororganisation Hamas werden immer massiver. In Tel Aviv heulten am Dienstagabend die Sirenen. In Gaza-Stadt zerstörte Israels Luftwaffe ein Hochhaus.
Die Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis im Nahen Osten erfährt am Dienstagabend eine dramatische Zuspitzung. Die palästinensische Terrororganisation Hamas feuerte nach eigenen Angaben 130 Raketen auf die israelische Großstadt Tel Aviv ab. In der Stadt wurde Raketenalarm ausgelöst. Im Stadtzentrum waren mehrere Explosionen zu hören.
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In der Umgebung von Tel Aviv kamen durch die Angriffe am Abend zwei Menschen ums Leben. Nach Medienberichten starb in der Stadt Rischon Lezion eine Frau bei einem direkten Einschlag einer Rakete. Die Rettungsorganisation Zaka bestätigte den Todesfall. In Cholon südlich von Tel Aviv wurde ein Bus getroffen, er brannte aus. Dabei starb nach Angaben von Zaka eine Frau, sechs Menschen wurden verletzt. Im Großraum Tel Aviv wurde bei massiven Raketenangriffen nach Angaben von Sanitätern weitere Menschen verletzt. Es war der bisher schwerste Angriff dieser Art auf die Küstenmetropole.
Israelische Luftwaffe zerstört Hochhaus
Die Hamas erklärte, die Raketenangriffe seien die Antwort auf einen israelischen Luftangriff, bei dem zuvor ein Hochhaus im Gazastreifen zerstört worden war. Das Gebäude im Zentrum von Gaza-Stadt, in dem sich auch mehrere Büros der Hamas befanden, stürzte vollständig ein, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten.
Die Anwohner des Gebäudes wurden vor dem Angriff von den israelischen Streitkräften gewarnt und angehalten, das Haus zu verlassen, wie Augenzeugen am Dienstagabend berichteten.
Was hat es mit dem Nahostkonflikt auf sich? Juden als auch Araber erheben auf Grund ihrer Geschichte Anspruch auf das Land Palästina. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss die UN die Teilung des Landes in zwei Staaten. Daraufhin brach ein Kampf zwischen Israel und Palästinensern aus, der bis heute anhält.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Abend, die militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad würden einen hohen Preis für die jüngsten Angriffe auf Israel bezahlen. "Diese Operation wird Zeit brauchen, aber wir werden den Bürgern Israels die Sicherheit zurückbringen." Schon am Nachmittag hatte er angekündigt, die Angriffe auf den Gazastreifen als Reaktion auf den massiven Raketenbeschuss zu verstärken. Die Hamas, die den Küstenstreifen am Mittelmeer beherrscht, werde "Schläge bekommen, die sie bislang nicht erwartet", sagte Netanjahu am Dienstag nach Angaben seines Büros nach einer Lagebesprechung mit Militärs. "Wir sind mitten im Kampf." Israel habe seit Montag Hunderte von Zielen der Hamas und des Islamischen Dschihads im Gazastreifen angegriffen. Die Aktion bekam inzwischen auch einen eigenen Namen: "Wächter der Mauern".
Generalstabschef Aviv Kochavi sagte, Israels Armee habe seit Montag "bereits 500 Ziele im Gazastreifen angegriffen und Dutzende Terroraktivisten getötet". Man sei fest entschlossen, den militanten Gruppierungen einen harten Schlag zu versetzen.
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480 Raketen auf Israel abgefeuert
Militante Palästinenser im Gazastreifen hatten ihre Raketenangriffe auf Israel an diesem Dienstag nach Norden ausgeweitet. Bis zum Abend wurden insgesamt mehr als 480 Raketen aus dem Palästinensergebiet Richtung Israel abgefeuert. Davon wurden rund 200 abgefangen und 150 schlugen beim Start fehl, wie das israelische Militär am Dienstagabend mitteilte.
Mindestens 30 Israelis wurden aber verletzt und zwei Frauen im Süden Israels durch Raketen aus dem Gazastreifen getötet. Wie der israelische Rettungsdienst Magen David Adom mitteilte, starben die beiden 65 und 40 Jahre alten Frauen am Dienstag in der Küstenstadt Aschkelon. Ein Sprecher machte den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen für die Todesfälle verantwortlich.
Bei den israelischen Gegenschlägen wurden laut Militärsprecher Jonathan Conricus bislang mindestens 20 Mitglieder der Hamas und des Islamischen Dschihad getötet, darunter hochrangige Vertreter. Zudem seien mehr als 150 Vorrichtungen zum Abschuss von Raketen attackiert worden. Laut Conricus wurden viele von diesen in Gebieten stationiert, in denen Zivilisten wohnen. Zivile Opfer könnten daher nicht ausgeschlossen werden, auch wenn sich die Armee darum sehr bemühe. Das Gesundheitsministerium in Gaza gab die Zahl der Opfer am Dienstag mit 28 an, darunter zehn Kinder.
Hamas droht mit "Inferno"
Nach Angaben der Armee ertönten am Dienstagmittag auch in der Hafenstadt Aschdod Warnsirenen. Die Stadt liegt nördlich von Aschkelon an der Mittelmeerküste, das zuvor massiv beschossen wurde. Die radikalislamische Hamas hatte gedroht, in Aschkelon ein "Inferno" anzurichten.
Nach Angaben der Polizei gab es mindestens sechs Einschläge in Aschkelon und zwei in Aschdod. In Aschkelon wurde Medienberichten zufolge eine Schule getroffen, in der aber kein Unterricht stattfand. Die Al-Kassam-Brigaden, der militärische Flügel der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas, bekannten sich zu den Angriffen.
Todesopfer auch auf palästinensischer Seite
Wegen der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen wurde auch in Jerusalem Alarm ausgelöst. Im Osten der Stadt war es am Montag erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern gekommen, bei denen mehr als 500 Menschen verletzt wurden.
Ausschreitungen in Ost-Jerusalem
Die Angriffe und Gegenangriffe hatten am Montag begonnen und sich innerhalb von Stunden zu den schwersten Gefechten seit 2019 ausgeweitet. In den Tagen zuvor war es an der Al-Aksa-Moschee in Ost-Jerusalem zu Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gekommen. Die radikal-islamische Hamas forderte ultimativ unter anderem deren Abzug und feuerte nach dem Verstreichen der Frist ihre ersten Raketen ab.
Die Al-Aksa-Moschee liegt in der Altstadt Jerusalems auf einem Gelände, das die Juden Tempelberg und die Muslime das Edle Heiligtum nennen. Am Sonntag und Montag begingen Israelis den sogenannten Jerusalem-Tag, mit dem sie an die Eroberung Ost-Jerusalems 1967 erinnern. Dies fiel in diesem Jahr mit dem Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan zusammen. Verschärft wurden die Spannungen durch Pläne, Häuser palästinensischer Familien in Ost-Jerusalem zu räumen. Das Land, auf dem sie leben, wird von jüdischen Siedlern beansprucht.
Auch die Konkurrenz zwischen der Hamas und der Fatah von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas dürfte eine Rolle spielen. Die Hamas gab ihren Raketenangriffen den Namen "Schwert von Jerusalem" und beanspruchte damit den Status als Beschützer der dort lebenden Palästinenser. Abbas sieht dagegen sich als Vertreter aller Bürger.
Die Hamas regiert den Gazastreifen, die Fatah das Westjordanland. Abbas verschob jüngst die für den 22. Mai geplante Parlamentswahl, bei der Experten zufolge die Hamas wohl zugelegt hätte. Es wäre die erste derartige Abstimmung seit 15 Jahren gewiesen. Auch die für Juli geplante Präsidentenwahl wurde abgesagt. Der 85-jährige Abbas ist seit 2005 im Amt.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa