Nach Attacke in Idlib Türkei droht Europa offenbar mit Grenzöffnung für Flüchtlinge
Bei einem Angriff in Idlib sterben mehr als 30 türkische Soldaten. Die Türkei greift die syrische Armee an und fordert Beistand von der Nato. Offenbar droht das Land zudem, syrische Flüchtlinge nicht länger aufzuhalten.
Nach dem Tod von mindestens 33 türkischen Soldaten in Nordsyrien fordert die Türkei Beistand von der Nato und der internationalen Gemeinschaft. "Wir rufen die gesamte internationale Gesellschaft dazu auf, ihre Pflichten zu erfüllen", hieß es in einer Stellungnahme des Kommunikationsdirektors von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Fahrettin Altun, in der Nacht zu Freitag.
Der Sprecher von Erdogans Regierungspartei AKP, Ömer Celik, sagte im Fernsehen, die Nato müsse an der Seite der Türkei stehen. Gleichzeitig drohte er der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge kaum verhohlen damit, den Flüchtlingen im Land die Grenzen zu öffnen: "Unsere Flüchtlingspolitik ist dieselbe, aber hier haben wir eine Situation. Wir können die Flüchtlinge nicht mehr halten", sagte er. Es hatte in der Nacht in sozialen Medien Gerüchte gegeben, dass die Türkei ihre Grenzen bereits geöffnet habe.
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Die Türkei macht für den Tod der Soldaten einen Luftangriff des syrischen Militärs verantwortlich. In Altuns Stellungnahme hieß es, die Türkei greife als Reaktion mit Boden- und Luftkräften "alle bekannten Ziele des Regimes" an. Celik sagte: "Das mörderische Regime und die, die es ermutigen, werden den Preis für diese Niedertracht auf die härteste Weise bezahlen."
Telefonat mit Nato-Generalsekretär
Nach Angaben von Anadolu telefonierte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Der rief die Konfliktparteien in Nordwestsyrien auf, die "gefährliche Lage" entschärfen und eine weitere Verschlimmerung der "schrecklichen humanitären Situation" in der Region vermeiden. Der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham forderte angesichts der Eskalation eine Flugverbotszone in Idlib. Graham richtete seinen Aufruf am Donnerstag an die Adresse von US-Präsident Donald Trump: "Es ist jetzt an der Zeit, dass die Internationale Gemeinschaft eine Flugverbotszone einrichtet, um Tausende unschuldige Männer, Frauen und Kinder vor einem schrecklichen Tod zu retten."
Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Situation dort war jüngst eskaliert. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen. Mit Russland als Schutzmacht der syrischen Regierung hatte sie ein Abkommen getroffen, um in Idlib eine Deeskalationszone einzurichten und hatte dort Beobachtungsposten eingerichtet. Eigentlich gilt auch eine Waffenruhe. In den vergangenen Wochen war das syrische Militär mit russischer Unterstützung aber weiter in dem Gebiet vorgerückt.
Erdogan hat wiederholt mit einem Militäreinsatz gedroht, sollte sich das syrische Militär in Idlib nicht bis Ende Februar zurückziehen. Hunderttausende sind vor der Gewalt auf der Flucht.
Hunderttausende Menschen auf der Flucht
Nach UN-Angaben sind seit Anfang Dezember fast 950.000 Menschen vor der Gewalt geflohen, auch in Richtung türkischer Grenze. Helfer beklagen eine katastrophale humanitäre Lage. Es fehlt an Unterkünften, Lebensmitteln, Heizmaterial und medizinischer Versorgung. Hilfsorganisation sprechen vom schlimmsten Flüchtlingsdrama seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor fast neun Jahren.
Die Türkei hat bereits mehr als 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen und betont immer wieder, dass sie eine neue Migrationswelle nicht hinnehmen werde.
Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich besorgt über die Entwicklung und forderte erneut eine umgehende Waffenruhe. Wegen der Gefechte sind in der Provinz fast eine Million Menschen auf der Flucht. Die Türkei wird syrische Flüchtlinge nach Angaben eines hochrangigen Insiders nicht länger von der Flucht über Land oder See nach Europa abhalten.
- Nachrichtenagentur afp, dpa und Reuters