Presse über Öl-Attacke auf Saudis "Das Regime muss zur Verantwortung gezogen werden"
Nach den Drohnenangriffen in Saudi-Arabien droht eine Eskalation – die Lage ist unübersichtlich. Die internationale Presse befürchtet schwerwiegende Folgen für die Region und die Welt.
In Saudi-Arabien brennt eine der wichtigsten Ölraffinerien der Welt. Rebellen aus dem Jemen bekannten sich zu dem Anschlag – doch die USA haben einen ganz anderen Aggressor unter Verdacht. Für Präsident Trump ist klar: Der Iran hat die Drohnenangriffe durchgeführt. Beweise dafür hat er nicht. So hält sich auch die Weltpresse größtenteils bei der Nennung eines Schuldigen zurück. Anders als bei den Schilderungen zu den Auswirkungen des Angriffs für die Region und die Welt.
"Tagesanzeiger" (Zürich): "Der Anschlag auf die wichtigste Ölfabrik des Landes könnte nun die Lage am Persischen Golf endgültig eskalieren lassen. Washington beschuldigt Iran, hinter den Drohnenangriffen vom Samstag zu stecken. Es gebe keine Beweise dafür, dass die Angriffe aus dem Jemen kommen, twitterte US-Außenminister Mike Pompeo am Samstag. US-Präsident Donald Trump sicherte dem Kronprinzen "seine Unterstützung für Saudi-Arabiens Selbstverteidigung zu". (...) Und der Kronprinz selbst ließ verlauten: Man sei "bereit und fähig" auf die Anschläge zu reagieren. Die Zeichen stehen auf Eskalation. Mehr denn je."
"La Repubblica"(Rom): "Der Iran – von den amerikanischen Sanktionen hart getroffen – rächt sich mit einem Angriff auf das Herz seines größten Rivalen Saudi-Arabien. Die vergangenen Attacken auf Öltanker waren spektakulär, aber die jetzigen Drohnenangriffe haben viel größere Schäden angerichtet, indem sie sofort die Produktion von saudischem Öl halbiert haben. Die Eskaltion des Konflikts kann allen Ländern, die Öl importieren, schaden – von Europa bis China."
"Trouw" (Amsterdam): "Dass die Angriffe auf die Öleinrichtungen in Abkaik und Churais beispiellos sind, wird durch Fakten belegt. Selbst (dem Terrornetzwerk) Al-Kaida gelang es nie, Abkaik zu treffen. Und Saddam Husseins Scud-Raketen richteten im Golfkrieg 1991 keine derart großen Schäden in Saudi-Arabiens Ölindustrie an. Jetzt aber wurden fünf Prozent der Weltölproduktion zum Stillstand gebracht. Ob der Anschlag aus dem Iran kam, ist hingegen längst nicht sicher. US-Außenminister Mike Pompeo hat keine Beweise vorgelegt. Anonyme US-Beamte haben lediglich auf Angaben von Geheimdiensten verwiesen, die zeigen würden, dass der Angriff wahrscheinlich vom Iran ausging. (...) Die Huthi-Rebellen hätten dafür durchaus ein Motiv. Sie bekriegen sich in ihrem Land seit Jahren mit der jemenitischen Regierung, die von einer internationalen Koalition unter Führung Saudi-Arabiens unterstützt wird. Die Koalition führt Luftangriffe aus, bei denen mittlerweile Tausende von Menschen getötet wurden, auch Zivilisten."
"Times" (London): "Der Angriff ist eine unkluge Eskalation durch den Iran oder seine Stellvertreter und wird nicht dazu beitragen, Frieden und Stabilität in der Region zu schaffen. (...) (US-Präsident Donald) Trump sollte sorgfältig nachdenken, bevor er auf Vergeltung drängt, und er sollte ganz sicher nicht den Fehler vom Juni wiederholen, als er einen Militärschlag gegen den Iran anordnete, nur um seine Meinung fünf vor zwölf wieder zu ändern. Allerdings ist der Angriff eine Mahnung, dass sich der Iran nicht an die Regeln hält. (US-Außenminister Mike) Pompeo hat Recht: Das Regime muss zur Verantwortung gezogen werden."
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"t-online.de": "Da spielt jemand nicht nur sprichwörtlich mit dem Feuer. Und die US-Regierung macht deutlich, wen sie für verantwortlich hält: US-Außenminister Mike Pompeo schrieb auf Twitter, "trotz aller Forderungen nach Deeskalation" habe Iran einen "beispiellosen Angriff auf die weltweite Energieversorgung" ausgeführt. Wiederholte Angriffe auf Schiffe in der Straße von Hormus, der Abschuss einer US-Drohne, Verstöße gegen das US-Embargo, wiederholte Angriffe auf saudische Ölanlagen. Jetzt der Angriff auf das Herz der saudischen Ölproduktion. Das war mehr als nur ein Nadelstich. Es ist ein Militärschlag mit enormen Auswirkungen. Die USA haben in der Vergangenheit schon weniger Gründe für einen Krieg benötigt."
"Dernières Nouvelles d'Alsace" (Straßburg): "Bis zu den Angriffen vom Samstag hat sich niemand im Westen Sorgen um die zehntausenden Zivilisten im Jemen gemacht, die durch Bomben der saudiarabischen Luftwaffe getötet wurden oder von Huthi-Rebellen exekutiert wurden, die ihrerseits vom Iran unterstützt werden. Niemand außer der UNO und NGOs sorgte sich um die Hungersnot, die rund zwölf Millionen Menschen trifft. Da braucht es schon Angriffe auf Ölanlagen, damit die Welt ihre Augen öffnet. Der Kraftstoffpreis muss steigen, damit wir endlich vom Jemen sprechen."
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"Der Standard" (Wien): "Die jemenitischen Huthi-Rebellen haben sich bekannt, die USA haben den Iran als direkt Schuldigen benannt. Eine fast hilflos wirkende Geste, die beweisen soll, dass auch nach dem Abgang des Iran-Falken John Bolton in Washington nicht die Laxheit ausgebrochen ist. Aber die Frage nach den Konsequenzen bleibt offen: Der Preis eines Kriegs am Persischen Golf erscheint den meisten Beteiligten noch immer zu hoch. Darüber hinaus sind Experten weiterhin der Meinung, dass der Iran die Huthis zwar eindeutig unterstützt, diese aber durchaus auch auf eigene Rechnung und nicht nur auf Befehl aus Teheran agieren. Für Saudi-Arabien, wo es wirtschaftlich ohnehin nicht so läuft, wie es die "Vision 2030" von Kronprinz Mohammed bin Salman vorsieht, ist nicht nur der ökonomische Schaden, sondern auch der Ansehensverlust enorm. Aber auch für den Iran wird es international immer ungemütlicher, jede US-Sanktionslockerung ist damit vom Tisch."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP