Eine Million gegen China Historische Riesendemo in Hongkong endet in Gewalt
Mit den größten Protesten seit drei Jahrzehnten stellt sich Hongkongs Bevölkerung gegen ein Gesetz, das Auslieferungen nach China ermöglichen soll. Am Ende versuchen Studenten, den Regierungssitz zu stürmen.
Nach der Großdemonstration von rund einer Million Menschen in Hongkong gegen geplante Auslieferungen an China ist es in der Nacht zu Montag zu Ausschreitungen gekommen. Es gab Verletzte und Festnahmen. Nachdem sich der friedliche Massenprotest am Sonntagabend aufgelöst hatte, versuchten einige hundert radikale Demonstranten gegen Mitternacht, Absperrgitter einzureißen und den Legislativrat und Regierungssitz zu stürmen.
"Werkzeug zur Einschüchterung Hongkongs"
Der Protest richtet sich gegen geplante Auslieferungen nach China. Trotz des Widerstands will Regierungschefin Lam das Gesetz dafür schnell absegnen lassen. Kritiker argumentieren, dass das Justizsystem im kommunistischen China nicht unabhängig sei, internationalen Standards nicht entspreche und politisch Andersdenkende verfolge. Auch drohten Folter und Misshandlungen. Das Gesetz wurde als "Werkzeug zur Einschüchterung" in Hongkong beschrieben.
Die Demonstranten, die das Parlament stürmen wollten, waren zum Teil maskiert und gehörten Studentengruppen an, die für eine Unabhängigkeit der Sonderverwaltungsregion eintreten. Die Polizei reagierte mit Schlagstöcken und Pfefferspray und rief Spezialkräfte, die den Protest nach rund einer halben Stunde auflösten, wie die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" berichtete. Einige Demonstranten und Polizisten seien verletzt worden. In den frühen Morgenstunden sei es an anderen Orten in der Metropole zu weiteren kleineren Zwischenfällen gekommen.
Jeder siebte Einwohner auf der Straße
Nach Angaben der Organisatoren waren zuvor über 1 Million Menschen gegen das geplante Auslieferungsgesetz auf die Straße gegangen – das ist etwa jeder siebte Einwohner. Es war die größte Demonstration in Hongkong seit den Protesten vor 30 Jahren gegen die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 in Peking. Die Ausschreitungen erinnerten auch an die "Regenschirm"-Proteste vor fünf Jahren, die ihren Namen damals von den Regenschirmen gegen die Sonne und das Pfefferspray der Polizei bekommen hatten.
Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium autonom regiert. Die sieben Millionen Einwohner der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion genießen größere Freiheiten als die Menschen in China, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Als Reaktion auf die Demonstrationen 2014 für mehr Demokratie, die Teile der Stadt wochenlang lahmlegten, zieht Peking aber die Zügel enger.
Mittwoch soll Gesetz abgesegnet werden
Die Atmosphäre in Hongkong ist aufgeheizt, da die umstrittene und loyal zu Peking stehende Regierungschefin Carrie Lam trotz des massiven Widerstands in der Bevölkerung das Gesetz durchbringen will. Schon am Mittwoch soll die Peking-treue Mehrheit der Abgeordneten im nicht frei gewählten Legislativrat das Gesetz annehmen.
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Anwaltsverbände, Menschenrechtsgruppen und ausländische Handelskammern haben sich besorgt über die Auswirkungen geäußert. Es wurde gewarnt, dass Auslieferungen an China die Position Hongkongs als internationaler Handelsplatz untergraben könnten. Auch zeigten sich einige Länder wie die USA und Kanada beunruhigt, dass das Gesetz ihre Bürger in Hongkong betreffen könnte.
- Nachrichtenagentur dpa