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Gefahren von Künstlicher Intelligenz | KI-Pionier: "Das ist meine größte Angst"


Interview
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KI-Pionier Mustafa Suleyman
"Ahnen nicht einmal, was auf sie zukommt"


Aktualisiert am 01.03.2024Lesedauer: 5 Min.
Russische Soldaten mit Drohne: Künstliche Intelligenz wird längst im Krieg eingesetzt.Vergrößern des Bildes
Russische Soldaten mit Drohne: Künstliche Intelligenz wird längst im Krieg eingesetzt. (Quelle: Yuri Smityuk/dpa)
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Eigentlich soll Künstliche Intelligenz das Leben besser machen. Doch sie birgt auch große Gefahren: Terroristen und Autokraten können die Technologie missbrauchen. KI-Pionier Mustafa Suleyman erklärt, was auf uns zukommt und wie sich die Bedrohung eindämmen lässt.

Unsere Welt wird nicht mehr dieselbe sein, wenn revolutionäre Technologien wie die Künstliche Intelligenz künftig flächendeckend eingesetzt werden. So versprechen es die Vorreiter der Technologie. Doch wird unsere Welt dann eine bessere oder schlechtere sein? Künstliche Intelligenz mit ihren gewaltigen Möglichkeiten kann genauso gut zum Wohle der Menschheit wie zu ihrem Schaden ge- und missbraucht werden.

Diese Warnung spricht mit Mustafa Suleyman einer aus, der es wissen muss. Der Brite war 2010 Mitgründer von Deepmind, einem Unternehmen, das bahnbrechende Fortschritte bei der Künstlichen Intelligenz erzielt hat. Kürzlich hat Suleyman sein Buch "The Coming Wave. Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts" veröffentlicht. Wie lässt sich verhindern, dass Terroristen und Staaten die Technologie missbrauchen? Auf welche Weise kann uns die Künstliche Intelligenz in ein Zeitalter des Wohlstands führen? Diese Fragen beantwortet Suleyman im folgenden Gespräch.

t-online: Herr Suleyman, Technologien wie Künstliche Intelligenz und synthetische Biologie machen gewaltige Fortschritte, lösen bei vielen Menschen aber große Befürchtungen aus. Haben Sie auch Angst, wenn Sie daran denken?

Mustafa Suleyman: Mit der Entwicklung und dem Fortschritt der Künstlichen Intelligenz bekommen wir die weitreichendste Technologie in der Geschichte der Menschheit. Zusammen mit anderen Entwicklungen, etwa der synthetischen Biologie, kann sie unsere Welt grundlegend verändern – im Guten, aber auch im Schlechten. Ich mache mir große Sorgen, was bösartige Akteure mit der Technologie anrichten können.

Was zum Beispiel?

Ich denke an Bereiche wie den Bioterrorismus. Oder den Fall, dass Terroristen bewaffnete Drohnen mit einer Gesichtserkennung ausrüsten und dann in Innenstädte schicken, um gezielt bestimmte Menschen zu töten. Künstliche Intelligenz wird bald überall und für jeden verfügbar sein. Das ist einerseits ein Segen, denn sie ist ein enormer Wegbereiter, um der Menschheit zu helfen. Andererseits werden zwangsläufig auch gefährliche Leute Zugang zu dieser Technologie bekommen. Das ist meine größte Angst vor der "Coming Wave", der "kommenden Welle", wie ich sie in meinem Buch genannt habe.

Mit "kommender Welle" bezeichnen Sie die Kombination von Künstlicher Intelligenz und anderen Technologien, die nach Ihrer Prognose unsere Welt massiv verändern werden. Wie lassen sich die so entstehenden Gefahren eindämmen?

Die Herausforderung besteht darin, die "Welle" in die richtige Richtung zu lenken. Wir müssen starke Leitplanken errichten – technisch, gesetzgeberisch, ethisch. Meine Angst betrifft nicht die Technologie als solche, sondern was Missbrauch oder fahrlässige Anwendung mit der Technologie anrichten können.

Zur Person

Mustafa Suleyman, Jahrgang 1984, ist Mitbegründer der KI-Unternehmen Deepmind und Inflection AI. Suleyman gehört zu den international führenden Experten für Künstliche Intelligenz, lange Zeit war er für Alphabet, den Google-Mutterkonzern, tätig. Vor Kurzem ist sein Buch "The Coming Wave. Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts" in Deutschland erschienen.

Wer steht in der Verantwortung? Die Nationalstaaten? Die Entwickler und Unternehmer, wie Sie selbst es sind? Oder alle zusammen?

Nationalstaaten werden Schwierigkeiten haben, die Welle einzudämmen. Viele sind schon jetzt überfordert, die Vielzahl an Herausforderungen zu bewältigen, etwa Kriege oder interne Unruhen. Zahlreiche der neuen Technologien und die Auswirkungen der "Welle" werden diese Probleme aber verschärfen. Denken Sie nur an wegfallende Arbeitsplätze durch Automatisierung oder massenhafte Falschinformationen im Internet. Regierungen verfügen oft nicht über das notwendige Wissen und tendieren außerdem zu langsamen Reaktionen, während die Technologie mit Höchstgeschwindigkeit voranrast.

Wer kann dann einschreiten, um Schlimmes zu verhindern?

Aufgrund der Größe der Herausforderungen bin ich davon überzeugt, dass ein Teil der Verantwortung von den Entwicklern und den Unternehmen getragen werden muss, die hinter der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz stehen.

Sie meinen, dass große Digitalfirmen wie Microsoft und Google bisher nicht genug Verantwortung für ihre Produkte übernehmen?

Wir brauchen einerseits offene, kritische und auf Ethik basierende Unternehmenskulturen, andererseits Investitionen in konkrete und harte technische Sicherheitsmaßnahmen. Und regelmäßig muss überprüft werden, was da jeweils in den Firmen getan wird. Sowohl die Firmen als auch die Regierungen werden das Problem nicht allein lösen können. Die Beteiligung der Unternehmen an einem Eindämmungsprogramm für die kommende Welle ist absolut unerlässlich. Viele Menschen ahnen nicht einmal, was auf sie zukommt.

Beschreiben Sie bitte mal genauer, was da kommt.

Mit der "kommenden Welle" werden zum ersten Mal zwei Grundlagen unseres Universums neu entwickelt und gebaut, gesteuert und manipuliert: erstens Intelligenz und zweitens das Leben an sich. Es gibt kaum etwas, das epochaler und wirkungsvoller in diesem Universum ist als diese beiden Dinge; alles in unserer Welt wird von ihnen geprägt. Und im Handumdrehen sind sie Gegenstand menschlicher Eingriffe geworden. Künstliche Intelligenz kann sowohl Intelligenz als auch das Leben grundlegend neu definieren. Deshalb müssen wir Maßnahmen ergreifen, um die technologische Macht zum Wohle der Menschheit zu nutzen, nicht zu ihrem Schaden.

Welche Rolle spielen dabei die fortschreitende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch Umweltverschmutzung und Klimakrise?

Die Faktoren Leben und Intelligenz haben unseren Planeten bereits stark umgestaltet, Technologie beschleunigt diesen Prozess. Die neuen Technologien der "kommenden Welle" sind aber so mächtig, dass sie alles Bisherige übertreffen. Sie können Kriege und Überwachungsmaßnahmen ermöglichen, deren Ausmaße alles übertreffen, was bisher vorstellbar war.

Meinen Sie zum Beispiel den Einsatz intelligenter Drohnen, wie sie im Ukraine-Krieg bereits eingesetzt werden? Dort ist gegenwärtig ein Wettrüsten mit Drohnen zu beobachten. Werden solche Wettbewerbe die "kommende Welle" auszeichnen?

Wir befinden uns bereits mittendrin. Dieser Wettlauf findet auf drei Ebenen statt. Die erste ist die Forschung: Es geht darum, als Erster neue Wege zu beschreiten, eine Entdeckung zu machen, die Arbeit zu veröffentlichen und Anerkennung zu erhalten. Zweitens existiert ein kommerzielles Rennen zwischen Start-ups und den großen Technologieunternehmen um die Entwicklung und Produktion der neuen Technologien. Und drittens haben wir es mit einem nationalen und sicherheitspolitischen Wettlauf zu tun: Jeder will der Erste zu sein, der die Technologie wirklich besitzt und beherrscht. Das ist vor allem ein Wettlauf zwischen den USA und China.

Welche Gefahr droht der Menschheit durch dieses Wettrüsten zwischen einer gegenwärtigen und einer künftigen Supermacht?

Wir sind nicht dem Untergang geweiht, aber die moderne Gesellschaft hat eine Wette mit sich selbst abgeschlossen: Wir brauchen neue Technologien, um überhaupt weitermachen zu können. Denn ohne neue Technologien werden uns die Probleme, die wir selbst angerichtet haben, überwältigen. Nehmen Sie die Einhegung der Klimakrise: Neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz werden die Energieeffizienz steigern, wir werden mit ihrer Hilfe neue Techniken für eine saubere Energieerzeugung entwickeln.

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Endlich ein Lichtblick! Welche positiven Errungenschaften wird KI noch bieten?

Stellen Sie sich ein Krankenhaus vor, in dem die Diagnose eines Patienten sofort und exakt erfolgt. Ein Krankenhaus, in dem die Versorgung eines Kranken auf dem Wissen um sein Genom basiert und an seine individuellen Lebensumstände angepasst ist. Aber nicht nur im Gesundheitswesen werden wir unglaubliche Verbesserungen durch die Künstliche Intelligenz erleben, auch in der Bildung: Jedes Kind wird den besten Lehrer der Welt bekommen, der mit unendlicher Geduld das Beste in seinem Schüler hervorholen kann. Viele der Probleme, die uns heute plagen, wird es in Zukunft dank der neuen Technologien nicht mehr geben. Die Technologien der "kommenden Welle" werden Wohlstand und Überfluss in einem Ausmaß schaffen, wie es ihn noch nicht gegeben hat.

Wenn sich die Menschheit aber gleichzeitig durch Konflikte und Kriege selbst im Weg steht – sind wir überhaupt reif für eine so große neue Macht?

Ich mache mir genauso viele Sorgen um die Zukunft einer Welt ohne Künstliche Intelligenz wie einer mit omnipräsenter. Angesichts der Risiken dürfen wir nicht selbstgefällig sein, wir brauchen eine ausgewogene Sicht auf Chancen und Bedrohungen. Künstliche Intelligenz mag Nachteile haben, aber sie wird auch ein unglaublicher Booster für das menschliche Wohlbefinden sein.

Was wäre also Ihr Ratschlag, wie sähe ein verantwortungsvoller Umgang mit KI aus?

Wir brauchen einen konstruktiven Wettkampf: sowohl um die Technologie an sich als auch um ihre Eindämmung. Wir müssen darüber wetteifern, wie wir Künstlicher Intelligenz Schranken setzen können.

Herr Suleyman, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Schriftliches Interview mit Mustafa Suleyman
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