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David Cameron: Comeback – Schadensbegrenzung oder Bürgerkrieg?


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Comeback von David Cameron
Schadensbegrenzung oder Bürgerkrieg


13.11.2023Lesedauer: 5 Min.
BRITAIN-POLITICS/Vergrößern des Bildes
David Cameron: Der ehemalige britische Premierminister ist neuer Außenminister. (Quelle: Suzanne Plunkett/reuters)
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Völlig unerwartet kehrt der Ex-Premierminister David Cameron in die britische Politik zurück. Sein Comeback könnte eine Kurskorrektur der britischen Regierung bedeuten – mit einem offenen Ende.

Damit hatte wohl kaum jemand gerechnet: Als David Cameron am heutigen Morgen in London vor dem Sitz des britischen Premierministers – der Downing Street Nummer 10 – gesichtet wurde, waren nicht nur politische Beobachter bass erstaunt. Seit sieben Jahren war Cameron politisch nicht mehr in Erscheinung getreten.

2016 hatte er als Regierungschef sein Land in das Brexit-Referendum geführt. Dabei hatte Cameron sich für einen Verbleib innerhalb der Europäischen Union eingesetzt. Doch die britische Bevölkerung entschied sich überraschend für einen Austritt – und Cameron trat als britischer Premierminister zurück. Das war es mit der politischen Karriere in der ersten Reihe, dachten wohl viele. Doch nun kommt es anders.

Der 57-Jährige wird erneut in eine britische Regierung eintreten – diesmal allerdings als Außenminister im Kabinett von Regierungschef Rishi Sunak. Doch wie kam es zu dieser spektakulären Rückkehr und was hat der Wechsel zu bedeuten? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen:

Warum ist Cameron in die Politik zurückgekehrt?

Der Posten des Außenministers war frei geworden, da Regierungschef Sunak sein Kabinett umbauen musste: Am Morgen wurde eine Umbildung angekündigt, die niemanden im britischen Politikbetrieb groß überraschen konnte. Zunächst wurde Innenministerin Suella Braverman entlassen.

Die rechte Hardlinerin hatte immer wieder mit kontroversen Äußerungen für Aufmerksamkeit gesorgt. Das Fass zum Überlaufen brachten dann wohl Bravermans jüngste Aussagen zu pro-palästinensischen Demonstrationen in Großbritannien: Unter anderem bezichtigte Braverman die Polizei, auf dem linken Auge blind zu sein und Rechtsbrüche durch pro-palästinensische Demonstranten zu dulden. Ihre Vorwürfe hatte sie in einem Gastbeitrag in der "Times" vorgebracht – ohne Abstimmung mit dem Büro des Regierungschefs, wie ein Sprecher von Sunak bestätigt hatte.

Das Innenministerium übernimmt in der Folge James Cleverly, der bisherige Außenminister. Als Chefdiplomat holte Sunak dann Cameron – und sorgte damit für eine große Überraschung. Die spektakuläre Personalie war in dem krisen- und intrigenerprobten britischen Regierungsapparat bis zur letzten Sekunde nicht durchgesickert. In Folge der Wechsel kam es zudem zu weiteren Umbildungen im Kabinett: Mehrere Minister wie etwa Umweltministerin Therese Coffey oder Bildungsminister Nick Gibb verkündeten im Laufe des Tages ihren Rücktritt.

Was steckt hinter der Ministerrochade?

Auf der einen Seite war Innenministerin Braverman dem Premier schon länger ein Dorn im Auge: Sie war bereits unter der Kurzzeitregierungschefin Liz Truss von dem Posten zurückgetreten. Sunak hatte die Hardlinerin in sein Kabinett wohl nur deshalb zurückgeholt, um den rechten Flügel der Tories nicht zu vergraulen. Braverman war eine Unterstützerin des umstrittenen Premierministers Boris Johnson, dessen Lager zuvor bereits Theresa May aus dem Amt als Regierungschefin gedrängt hatte. Auch Sunak gilt in dem Lager als unbeliebt, da ihm der Sturz Johnsons als Premier angelastet wird.

Der britische Premier spekuliert wohl darauf, dass Bravermans Entlassung diesmal keine Revolte hervorrufen wird. Denn die Politikerin hatte damit wohl schon länger gerechnet. Der 43-Jährigen werden Ambitionen nachgesagt, Sunak in den kommenden Jahren an der Parteispitze der Tories zu beerben. Ihre Rechnung könnte lauten: Die Tories mit Sunak verlieren die kommende Parlamentswahl, die spätestens im Januar 2025 stattfinden wird. Danach könnte Braverman nach dem Parteivorsitz greifen.

Aus dieser Logik heraus ergibt es für den rechten Flügel der Tories aktuell keinen Sinn, Sunak zu stürzen, da die Konservativen die kommende Wahl wohl so oder so deutlich verlieren werden. Denn seit Monaten liegt die sozialdemokratische Labour-Partei in den Umfragen rund 20 Prozentpunkte vor ihnen. Ein Vorsprung, der sich wohl kaum mehr aufholen lässt.

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Der Zeitpunkt für die Entlassung der Innenministerin war auch aus einem anderen Grund für Sunak günstig: Am Mittwoch wird der britische Supreme Court darüber entscheiden, ob die Regierung künftig Asylsuchende ohne Prüfung ihres Antrages nach Ruanda abschieben darf. Braverman war starke Unterstützerin des Vorhabens: Hätte es vor Gericht Erfolg gehabt, wäre ihre Position in der Regierung enorm gestärkt worden.

Sollte das Vorhaben scheitern, hätte die Politikerin wohl den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Konvention für Menschenrechte gefordert. Sunak hatte das bisher abgelehnt. Es gilt als wahrscheinlich, dass Cleverly als Innenminister einen moderateren Kurs verfolgen wird.

Warum entschied sich Sunak ausgerechnet für Cameron?

Die Ernennung von David Cameron dürfte wiederum ein Signal Sunaks an die gemäßigte Wählerschaft seiner Partei sein, das Brexitchaos weiter hinter sich zu lassen und einen Kurs der Vernunft einzuschlagen. "Der Eintritt Camerons kann bedeuten: Johnsons Brexit war ein Fehler, jetzt muss es anders gehen", sagt der britische Historiker und Politologe Anthony Glees im Gespräch mit t-online.

Die Schlüsselpositionen in der Regierung sind jetzt ohne harte Brexiteers besetzt. Cameron und Finanzminister Jeremy Hunt hatten sich 2016 für einen EU-Verbleib eingesetzt. Sunak selbst und der neue Innenminister Cleverly waren zwar für einen Austritt, gelten aber trotzdem nicht als Hardliner. Gleichzeitig kann Cameron unbestritten auf eine Menge Erfahrung zurückblicken: Mit rund sechs Jahren hielt er sich etwa deutlich länger im Amt als alle seine Nachfolger.

Die vielen Wähler, die Boris Johnson in der letzten Parlamentswahl mit seinem Brexit-Kurs vor allem im Norden Englands gewinnen konnte, wo bis dahin traditionell eher Labour gewählt wurde, dürfte das wohl weniger überzeugen. Allerdings könnte das neue Personal generell dem Trend in der britischen Gesellschaft Rechnung tragen: Umfragen zeigen schon seit Längerem, dass die Mehrheit der Briten den EU-Austritt mittlerweile für einen Fehler hält.

Könnte Cameron selbst wieder nach dem Amt des Premiers streben?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aus mehreren Gründen unwahrscheinlich: Zum einen wurde Cameron bei seiner Rückkehr auch zum Mitglied des britischen Oberhauses, des "House of Lords", ernannt. Grundsätzlich ist es zwar möglich, aus dieser Position heraus auch Regierungschef zu werden. Zuletzt übernahm Alec Douglas Home 1963 von dort die Position des Regierungschefs und gab dafür seinen Adelstitel wieder ab.

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Cameron ist allerdings als Brexit-Gegner schwer vermittelbar im Lager der überzeugten Brexit-Freunde, ohne die sich in den letzten Jahren kein Premier lange halten konnte. Auch außenpolitisch wird seine Amtszeit mittlerweile kritischer gesehen, da er sich etwa deutlich für bessere Handelsbeziehungen zu China eingesetzt hatte und 2015 von einer "goldenen Ära" im Verhältnis zu Peking sprach.

Kehrt durch diesen Wechsel wieder Ruhe in der Regierung ein?

Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen. Die Tories haben eigentlich kein Interesse an einer weiteren Eskalation, da sie durch einen Sturz von Sunak oder gar vorgezogene Neuwahlen aktuell wohl keinen Vorteil erzielen könnten.

Gleichzeitig war allerdings vom rechten Flügel der Tories deutlich der Unmut über die Entlassung von Braverman zu hören. Der bekannte Brexiteer Jacob Rees-Mogg sagte dem "Daily Telegraph", die Entlassung der Politikerin sei ein Fehler. Etwas eleganter formulierte es der Abgeordnete Simon Clark auf X: "Es ist nie klug, keine Optionen auf dem rechten Flügel zu haben", schrieb er dort in Bezug auf die jüngsten Kadernominierungen der englischen Fußballnationalmannschaft. Allerdings wurde die Nachricht als eine verkappte Kritik an Sunak gedeutet.

Sollten die Hardliner den Daumen über die Entscheidung senken, könnte es für Rishi Sunak nochmal ungemütlich werden. Anthony Glees spekuliert etwa darüber, dass es dann zu einem "Bürgerkrieg" innerhalb der Tories und letztendlich zu einer Spaltung der Partei kommen könnte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und AFP
  • telegraph.co.uk: "Cabinet reshuffle live" (englisch)
  • telegraph.co.uk: "Cabinet reshuffle: Who's in and who's out" (englisch)
  • reuters.com: "China, Britain to benefit from 'golden era' in ties - Cameron" (englisch)
  • politico.eu: "United Kingdom: National parliament voting intention" (englisch)
  • twitter.com: "Post von @SimonClarkeMP "
  • history.blog.gov.uk: "Prime Ministers in the House of Lords" (englisch)
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