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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Demütigung der Bundeswehr in Mali Achtung, jetzt kommt Putin!
Die Bundeswehr ist in Mali zunehmend unerwünscht, der Einsatz wird noch komplizierter. Der malische Junta-Chef sendet derweil Liebesgrüße nach Russland.
Was derzeit in Mali passiert, ist eigentlich eine große Demütigung – für die Bundeswehr, Deutschland und den gesamten Westen, der langsam aus dem Land gedrängt wird. Das zeigte sich auch an diesem Donnerstag wieder: Die Bundeswehr kann einen Teil ihrer Soldatinnen und Soldaten nun zwar plangemäß austauschen. Doch die Spannungen zwischen der Bundesregierung und der Militärjunta beseitigt das kaum. Die deutschen Truppen sind bei dem Regime zunehmend unerwünscht, das ist deutlicher denn je geworden.
Wie geht es weiter mit dem derzeit gefährlichsten Einsatz der Bundeswehr? Während Frankreich seine Soldaten bereits abgezogen hat, schickt Russland Söldner und Waffen. Aber sollte die Bundesregierung das Feld räumen, sobald Wladimir Putin und sein Militär auftauchen? Es sind schwierige Fragen wie diese, die die deutschen Militärstrategen derzeit beschäftigen.
Bundeswehr darf Truppen austauschen
Der drängendste Konflikt rund um den Einsatz scheint vorerst gelöst worden zu sein: Die Bundeswehr schickte eine Zivilmaschine mit 88 Soldaten der UN-Friedensmission Minusma und fünf Soldaten der EU-Ausbildungsmission EUTM am Donnerstag nach Mali. Nachdem die westafrikanischen Behörden ihre Genehmigung erteilt hatten, ging es um 5.47 Uhr in Köln los.
Auch zwischen Malis Hauptstadt Bamako und dem Feldlager am Rande des Flughafens in der Stadt Gao wird zivil geflogen. Es sei der erste Flug dieser Art, nachdem die malische Übergangsregierung am 14. Juli Kontingentwechsel der UN-Mission Minusma ausgesetzt habe, hieß es. Geplant ist auch, dass deutsche Soldaten aus Mali zurück nach Deutschland fliegen.
Eigentlich stand der Truppenaustausch schon vor Wochen an, aber das malische Regime hatte keine Erlaubnis für einen Flug mit einem Militärtransporter gegeben. Der Zivilflug ist nun die Alternative. Der Vorgang ist zum Symbol dafür geworden, dass die Zusammenarbeit mit der Militärjunta nicht mehr funktioniert.
"Darauf ist jeder Soldat mental eingestellt"
Darunter leiden auch die Bundeswehrsoldaten, schließlich sollten einige schon längst wieder bei ihren Familien in Deutschland sein. Stattdessen wurden sie über Wochen in politische Geiselhaft genommen.
Die Bundeswehr gibt sich professionell. "Jeder Soldat und jede Soldatin weiß, dass es auch zu Verzögerungen kommen kann. Darauf ist jeder Soldat mental eingestellt", versichert eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr t-online. Sie sagt aber auch: "Sicherlich freuen sich die Soldatinnen und Soldaten vor Ort, nach vier bis sechs oder gar mehr Monaten darauf, ihre Familien und Freunde wiederzusehen und in die Heimat zurückzukommen."
Hinter dem konkreten Streit um den Soldatenaustausch stehen vielschichtige Probleme des Einsatzes. Das malische Regime erklärte in Gesprächen mit deutschen Regierungsvertretern zwar immer wieder, dass die Bundeswehr weiterhin willkommen sei. Glaubhaft ist das aber nicht. Denn die Militärjunta stellt die westliche Truppenpräsenz gegenüber der eigenen Bevölkerung entweder als sinnlos dar oder die Unterstützung durch die Bundeswehr wird verschwiegen.
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So halfen zum Beispiel deutsche Soldaten Anfang August in einer waghalsigen Aktion dabei, 22 verletzte Menschen nach einem Angriff von Islamisten auf die malische Armee zu retten. Aus Rücksicht auf das Regime schwieg auch die Bundeswehr dazu. In Mali werden derartige Einsätze unter Verschluss gehalten. Doch auch dieser Vorgang unterstreicht, dass die Militärjunta kein Interesse daran hat, das Bild der westlichen Militärpräsenz zu verbessern.
Rückzug der Kolonialmacht
Ohnehin ist das Misstrauen in der Bevölkerung noch immer groß. Das liegt auch an den Narben des Kolonialismus, die Frankreich in dem Land hinterlassen hat. Die malische Bevölkerung hat lange unter dem Westen gelitten. Die Militärjunta befeuert das Gefühl gezielt. Dabei wird die UN-Mission Minusma, die den Frieden in Mali vor allem gegen Dschihadisten sichern soll, eher von dem Regime selbst gelähmt. Denn der malische Staat hat es versäumt, in den Gebieten, die durch die Franzosen von Islamisten befreit wurden, eine eigene Staatsgewalt aufzubauen.
Frankreich hatte am Montag als Reaktion auf die Schikanen und Rückschläge die letzten Soldaten seines Anti-Terror-Einsatzes Barkhane aus Mali abgezogen und damit auch das Lager in Gao verlassen. Tatsächlich war der französische Präsident Emmanuel Macron auch Teil des Problems. "Sie treten in ihren ehemaligen Kolonien immer recht dominant auf. Davon wollte sich Mali lösen und die Abhängigkeit auf mehrere Staaten verteilen – darum die Bitte um Unterstützung aus Russland", erklärte Afrika-Experte Ulf Laessing, der für die Konrad-Adenauer-Stiftung vor Ort in Bamako ist, n-tv. Das wollte Frankreich nicht akzeptieren.
Auch Macron selbst goss während des französischen Wahlkampfes weiter Öl ins Feuer. "Wir können nicht militärisch an der Seite von Machthabern engagiert bleiben, deren Strategie und deren versteckte Ziele wir nicht gutheißen", sagte der Präsident.
Dazu äußerte Experte Laessing: "Gerade mit solchen Aussagen hat er die Malier an die Seite der Russen getrieben. Die permanenten Verbalangriffe im Wahlkampf haben die malische Regierung fast paranoid werden lassen." Zudem arbeite Frankreich auch mit anderen Militärregimen zusammen – zum Beispiel in Tschad oder Burkina Faso.
Auch die Eitelkeiten einer ehemaligen Kolonialmacht haben also zur dramatischen Lage in Mali beigetragen.
Ein wahrer Putin-Freund
Nun geht Frankreich und Russland kommt. Es gibt Berichte darüber, dass russische Militärangehörige sogar in die Kasernen einziehen, die die französischen Truppen hinterlassen haben. Wladimir Putin möchte die Schwäche des Westens in Mali nutzen, um seinen Einfluss auszubauen. Das macht die Lage nur noch komplizierter.
Die russische Strategie ist nicht neu: Etwa in der Zentralafrikanischen Republik, in Nigeria, Algerien und besonders in Sudan unterstützt Russland die jeweiligen Regime teilweise mit Waffen, mit Söldnern oder mit militärischen Ausbildern. Der Einfluss Putins in Afrika wächst, trotz des Ukraine-Krieges.
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Zuletzt landeten immer wieder Kampfflugzeuge und Hubschrauber aus Russland in der Hauptstadt Bamako. Der Junta-Chef Assimi Goita macht kein Geheimnis daraus. "Ich hatte ein Telefonat mit Präsident Putin. Wir sprachen über die Unterstützung der Russischen Föderation für Malis politischen Übergang", schrieb er am 10. August auf Twitter. "Ich lobte die Qualität unserer Partnerschaft, die die Souveränität von Mali und die Bestrebungen seiner Bevölkerung respektiert."
In der neuen Blockbildung – der Westen auf der einen, China und Russland auf der anderen Seite – stellt sich die malische Militärjunta klar auf die Seite des Kremls, stärkt Russland im Kreis der Vereinten Nationen sogar den Rücken und intensiviert auch seine diplomatischen Drähte nach Peking. Die Mali-Mission der Bundeswehr verliert auch deshalb ihren Sinn.
Deutschland in der Zwickmühle
Bislang gab es in Mali noch keinen direkten Kontakt zwischen russischen Militärangehörigen und den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Aber: "Am 15. August erreichte uns die Information, dass auf dem malischen Flughafen Gao ein Flugzeug vom Typ L39 der malischen Streitkräfte eingetroffen sein soll", sagte eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr t-online. Außerdem wurden dort 20 bis 30 militärische Kräfte gesichtet, die nicht den malischen Streitkräften zuzuordnen waren. "Die Meldungen werden derzeit im Kontingent und mit unseren Partnern geprüft und bewertet. Es gibt keinen Kontakt zwischen der Bundeswehr und diesen Kräften."
Doch die Anzeichen verdichten sich, dass neben Kämpfern der russischen Söldnergruppe "Wagner" und Waffen nun auch russische Militärangehörige offener in Mali auftreten. Aber was bedeutet das für die Bundeswehr?
Das federführende Außenministerium wirbt für eine Fortsetzung der Blauhelm-Mission Minusma. "Wir möchten dort im Sahel, in Mali bleiben, weil die Menschen vor Ort uns brauchen", erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Das ist durchaus richtig, doch der Kampf gegen den Dschihadismus in der Region kann nur fortgesetzt werden, wenn die Zusammenarbeit mit dem malischen Regime funktioniert.
Durch den Streit der vergangenen Wochen konnte die Bundeswehr sich hauptsächlich um die Eigenversorgung ihrer Soldatinnen und Soldaten kümmern. Die Aufklärung mit Drohnen und Hubschraubern fiel aus, Patrouillen entfielen. Letztlich legte das die gesamte UN-Mission lahm.
Wenn Deutschland diese erfolgreich fortsetzen möchte, wird die Bundeswehr künftig wahrscheinlich nicht nur mit der Militärjunta, sondern auch mit Putin kooperieren müssen. Das ist im Angesicht der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine schwer.
Andererseits möchte sich die Bundesregierung nicht einfach von Putin aus Mali verjagen lassen, auch wenn der Einsatz immer komplizierter zu werden scheint. Deutschland steckt in Mali also in einer Zwickmühle und die deutsche Führung muss die Lage genau im Blick behalten – sonst droht am Ende ein Szenario wie in Afghanistan.
- spiegel.de: Bundeswehr darf nun doch nach Mali fliegen
- faz.de: Funkstille zwischen Berlin und Bamako
- taz.de: Frankreich geht, Russland kommt
- welt.de: Wie Putin die Deutschen in Mali vorführt
- tagesschau.de: Warum der Mali-Abzug ein Risiko wäre
- zeit.de: Offenbar Russen auf Militärbasis in Mali gelandet
- dw.com: Nach Aussetzen der Mali-Mission: Sorge um Ortskräfte
- n-tv.de: "Was in Mali passiert, betrifft uns direkt"
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und afp