Deeskalation im Iran-Konflikt Eine bemerkenswerte Kehrtwende
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Spirale der Eskalation ist erst einmal zum Stillstand gekommen. Die USA verzichten auf eine militärische Antwort auf die iranische Vergeltung. Was von Trumps Äußerungen zu halten ist.
Kein Gegenschlag stattdessen Sanktionen, keine Kriegsdrohungen stattdessen ein Angebot zur Zusammenarbeit – US-Präsident Donald Trump hat bei seiner mit Spannung erwarteten Pressekonferenz in Washington eine Botschaft der Entspannung ausgesendet. Verglichen mit der scharfen Rhetorik der vergangenen Tage vollzieht der US-Präsident eine bemerkenswerte Kehrtwende.
Kein Militärschlag, stattdessen Sanktionen
Trump verzichtet darauf, weitere Schritte anzukündigen, die zu einer Verschärfung der Spannungen mit Teheran und damit eventuell zu einem Krieg geführt hätten. Als Grund nennt er die angebliche Zurückhaltung Teherans bei seinen Angriffen in der vergangenen Nacht. Kein amerikanischer Soldat sei dabei zu Schaden gekommen. Auch Iraker seien nicht getötet worden, "was eine gute Sache für alle Beteiligten und eine sehr gute Sache für die Welt ist".
Vielmehr kündigt Trump an, weiterhin auf das Instrument von Wirtschaftssanktionen gegen Teheran setzen zu wollen. Er fordert Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China auf, hierbei den Druck zu erhöhen, indem sie aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigen, das die USA im Mai 2018 einseitig aufgekündigt hatten.
Keine Isolation, stattdessen Zusammenarbeit
Trump verteidigt erneut die gezielte Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani, den er als "skrupellosen Terroristen" bezeichnet. Zugleich reicht er dem Iran die Hand zur Zusammenarbeit bei gemeinsamen Interessen. Der US-Präsident nennt die Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die auch im Interesse des Irans sei. "Und wir sollten dabei und bei anderen gemeinsamen Prioritäten zusammenarbeiten", sagt Trump. Wie die USA betrachtet auch der schiitische Iran die sunnitische Terrormiliz IS als Feind.
Trump geht aber noch weiter. Er sagt, auch der Iran habe eine Zukunft in Frieden und Wohlstand verdient. "An das iranische Volk und seine Führer: Wir wollen, dass Sie eine Zukunft haben, eine großartige Zukunft, in Wohlstand und Harmonie, wie Sie es verdient haben." Die Vereinigten Staaten seien bereit, mit allen, die sich darum bemühen, Frieden zu schließen.
Wie lange bleibt es ruhig?
Die Äußerungen des US-Präsidenten verschaffen beiden Seiten erst einmal Luft und öffnen den Raum für Verhandlungen, um die Spannungen zwischen Washington und Teheran abzubauen, die sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschärft hatten. Die EU hat sich hier bereits als Vermittler ins Spiel gebracht.
Ob Trump durch neue Wirtschaftssanktionen entscheidenden Druck auf den Iran wird aufbauen können, bleibt derweil fraglich. Die USA haben einen großen Teil ihres Repertoires bereits ausgeschöpft. Zudem sind die Europäer, wie auch Russen und Chinesen nicht gewillt, Trumps Forderung nach einem Ausstieg aus dem Atomprogramm nachzukommen. Sie sehen das Abkommen weiterhin als beste Option, in der Frage des iranischen Atomprogramms mit Teheran im Gespräch zu bleiben. Von konkreten diplomatischen Initiativen der USA in dieser Frage ist indes nichts bekannt.
Und dann ist da noch Trumps Unberechenbarkeit: Wie bei dem überraschenden Drohnenangriff auf Soleimani in der vergangenen Woche, bleiben amerikanische Alleingänge auch für die nahe Zukunft nicht ausgeschlossen. Dann könnte die Hoffnung auf Entspannung schnell wieder in Angst vor einer militärischen Konfrontation umschlagen.
- Pressekonferenz von Donald Trump in Washington
- Eigene Recherchen