Nato-Berater warnt "Das wäre vor fünf Jahren inakzeptabel gewesen"
Finnische Behörden haben einen Frachter festgesetzt, der im Verdacht steht, in der Ostsee ein Stromkabel beschädigt zu haben. Ein Berater des Nato-Generalsekretärs warnt.
Ein Nato-Funktionär hat vor einem unkonventionellen Angriff auf das Bündnis mit vielen Opfern oder bedeutendem wirtschaftlichem Schaden gewarnt. Angriffe in Form von Sabotage, Mordkomplotten oder Beschädigung von Infrastruktur hätten zugenommen, sagte James Appathurai im Interview mit dem Sender Sky News. Appathurai ist bei der Nato unter anderem für Strategien zur Abwehr hybrider Angriffe zuständig und berät auch den Generalsekretär.
Der Sender veröffentlichte Ausschnitte des Interviews in einem Beitrag, in dem es um Russlands hybride Kriegsführung geht. In den gezeigten Ausschnitten nennt Appathurai Russland selbst nicht, sagt aber auf eine Frage zur Kriegsgefahr zwischen der Nato und Russland: "Es besteht die reale Aussicht, dass einer dieser Angriffe eine beträchtliche Zahl von Opfern oder erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen wird." Darauf müsse die Nato vorbereitet sein, um zu wissen, was dann zu tun sei.
"Wir erleben jetzt, was vor fünf Jahren inakzeptabel gewesen wäre"
Es habe bereits bis zu hundert solcher Angriffe gegeben, viele scheiterten aber auch, sagte Apparthurai. "Wir erleben jetzt, was vor fünf Jahren gänzlich inakzeptabel gewesen wäre, aber wir haben uns immer stärker daran gewöhnt." Das sei sehr gefährlich. Hybriden Angriffen ist eigen, dass die Verantwortlichen nur schwer ausgemacht und zur Rechenschaft gezogen werden können.
In der Ostsee kam es zuletzt öfter zu Schäden an der Infrastruktur unter Wasser. Vor Finnland wurde vor wenigen Tagen ein Unterwasserstromkabel beschädigt. Geprüft wird, ob es sich um Sabotage handeln könnte. Im Fokus der Ermittler steht ein Schiff, das die EU mit Russland in Verbindung bringt. Finnische Ermittler hatten den Öltanker "Eagle S" festgesetzt, nachdem am Mittwoch die 170 Kilometer lange Stromverbindung EstLink2 nach Estland unterbrochen worden war. Das Schiff fährt unter der Flagge der Cookinseln. Der Schaden am Kabel könnte nach Angaben der Ermittler vom Anker des Schiffs verursacht worden sein. Nach dem Ausfall des Kabels kündigte die Nato an, ihre Präsenz in der Ostsee stärken zu wollen. Die EU vermutet dabei Vorsatz.
EU warnt vor russischer Schattenflotte
Die Europäische Union warnte nach dem Vorfall vor Russlands sogenannter Schattenflotte. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte der "Welt", die EU werde jetzt "stärkere Maßnahmen ergreifen, um den Risiken, die von diesen Schiffen ausgehen, entgegenzuwirken". Russlands Schattenflotte bedrohe die Umwelt und fülle Russlands Kriegskasse. Jetzt stünden diese Schiffe auch unter dem Verdacht, Sabotageakte durchzuführen. Zur russischen Schattenflotte werden Schiffe gezählt, die Russland inoffiziell benutzt, um Sanktionen zu umgehen – zum Beispiel beim Öltransport.
Die EU-Chefdiplomatin und ehemalige Ministerpräsidentin Estlands sagte weiter, Sabotage in Europa habe zugenommen, seitdem Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen habe. "Die jüngsten Sabotageversuche in der Ostsee sind keine Einzelfälle. Sie sind vielmehr Teil eines Musters von absichtlichen und koordinierten Aktionen, um unsere Digital- und Energieinfrastruktur zu beschädigen."
Am Samstag hatte bereits Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor der russischen Schattenflotte gewarnt und weitere EU-Sanktionen gefordert. Es gelte, kritische Infrastruktur noch stärker zu schützen. Fast im Monatsrhythmus beschädigten Schiffe derzeit wichtige Unterseekabel in der Ostsee.
- Nachrichtenagentur dpa