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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bodentruppen in Gaza Kommt jetzt der große Knall?
Israel hat in der Nacht zum Samstag die Angriffe auf Hamas-Stellungen im Gazastreifen ausgeweitet. Auch Bodentruppen sind im Einsatz. Der Start der Großoffensive scheint sich aber noch zu verzögern.
Bomber in der Luft und Panzer am Boden: Die israelische Armee hat in der Nacht zum Samstag im Gazastreifen zum bislang stärksten Gegenschlag nach dem Angriff der Hamas-Terroristen am 7. Oktober ausgeholt.
Nach Angaben der Armee vom Samstag hätten israelische Kampfflugzeuge in der Nacht 150 Ziele angegriffen. Darunter seien Tunnel sowie unterirdische Räume und Infrastruktur gewesen. Ein dazu verbreitetes Video zeigte Aufnahmen von zahlreichen Einschlägen. Erstmals sind jetzt auch Bodentruppen im Einsatz, die im Gebiet der Palästinenser blieben und sich nicht wie zuletzt zügig wieder zurückzogen.
Ist das also bereits der Beginn der lange beschworen Bodenoffensive? Oder handelt es sich zunächst nur um weitere vorbereitende Schritte?
"Räumungsaktionen" für "optimale Einsatzbedingungen"
Die israelische Armee bleibt in diesen Fragen bislang vage. Da jedoch bis Samstagmittag noch keine größere Truppenbewegung gesichtet und gemeldet wurden, gehen Beobachter davon aus, dass die tatsächliche Großoffensive erst noch bevorsteht.
Dazu passt, was Peter Lerner, einer der Pressesprecher der Israelischen Armee, am Freitagabend dem US-Fernsehsender ABC News sagte. Danach gefragt, ob die Bodenoffensive mit den jüngsten Einsätzen begonnen habe, antwortete er: Es handle sich "um Räumungsaktionen, um bessere Voraussetzungen für optimale Einsatzbedingungen vor Ort zu schaffen".
Lerner weiter: "Wir suchen also nach Panzerabwehrsystemen, wir zerstören Beobachtungsposten und wir greifen die Terroristen dort an, wo wir sie an der Front oder in der Peripherie des Gazastreifens finden." Dieses Vorgehen verfolge Israels Armee bereits seit mehreren Tagen. Weitere Details nannte er unter Verweis auf "operative Bedenken" nicht. Für t-online war ein Sprecher der Armee am Samstag zunächst nicht zu erreichen.
Darum zögert Israel mit der Bodenoffensive
Der Angriff der Hamas-Terroristen liegt inzwischen genau drei Wochen zurück. Bereits kurz nach der Attacke erklärte die israelische Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu, dass Israel so hart zurückschlagen werde, dass von der Hamas im Gazastreifen nie wieder eine Bedrohung für den jüdischen Staat ausgehen werde.
Seitdem wird auch die militärische Bodenoffensive erwartet, die sich bislang jedoch immer wieder verzögerte. Ein Grund dafür: der internationale Druck auf Israel, auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen Rücksicht zu nehmen. Am Freitagabend verabschiedeten die Vereinten Nationen gar eine Resolution, der sich 120 Länder anschlossen. Die Kernforderung des Papiers ist dabei eine "sofortige humanitäre Waffenruhe".
Neben den außenpolitischen Abwägungen, zu denen es offenbar auch im israelischen Kriegskabinett unterschiedliche Meinungen gibt, kommen auch militärische Überlegungen. So ist der Gazastreifen, insbesondere Gaza-Stadt im Norden der Region, ein sehr dicht besiedeltes Gebiet. Bei einer Bodenoffensive ist mit einem Häuserkampf zu rechnen, der für die israelische Armee unter extrem schwierigen Bedingungen zu führen ist.
Die schwierige Lage der Geiseln
Denn: Die Hamas-Terroristen haben die Stadt in weiten Teilen untertunnelt. Israels Soldaten müssten folglich nicht nur gegen Feinde vor, hinter und neben ihnen vorgehen, sondern auch mit Angriffen von unten rechnen, was die Kampfführung erheblich erschwert.
Zuletzt hatten zusätzlich Verhandlungen über die Freilassung der weiter mehr als 200 Geiseln in den Händen der Hamas die Offensive hinausgezögert. Die Gespräche laufen im Geheimen ab, beteiligt sein soll als Vermittler unter anderem Katar. Wie die "New York Times" unlängst berichtete, will die israelische Regierung den Gesprächen wohl noch etwas mehr Zeit geben, ehe sie grünes Licht gibt für die Großoffensive.
Hintergrund dafür seien auch innenpolitische Erwägungen von Netanjahu selbst, der um den Rückhalt in der israelischen Bevölkerung fürchtet, sollten die Hamas-Terroristen angesichts eines großen Angriffs mit Soldaten am Boden die Geiseln töten. Netanjahu stand bereits vor dem Hamas-Terrorangriff wegen einer geplanten Justizreform unter großer Kritik. Hunderttausende Israelis protestierten dagegen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Humanitäre Hilfe für Samstag geplant
Entsprechend ist auch nach den jüngsten Angriffen Israels offen, wann die Großoffensive tatsächlich startet. Laut einem Bericht der israelischen Nachrichtenseite ynet berate die Militärspitze nun über das weitere Vorgehen.
Klar ist bislang nur: Die aktuellen Luft- und Bodenschläge haben offenbar bereits zu ersten Erfolgen geführt. So meldete die israelische Armee am Samstag den Tod mehrerer hochrangiger Hamas-Kommandeure: Sowohl der Chef der Hamas-Luftwaffe, bestehend aus Drohnen und Gleitschirm-Kämpfern, als auch der Kommandeur der Streitkräfte zu Wasser seien getötet worden.
Für den Samstag hat die israelische Armee eine Verstärkung der humanitären Hilfslieferungen für die palästinensische Bevölkerung angekündigt. "Für die Einwohner des Gazastreifens, die in das Gebiet südlich von Wadi Gaza gegangen sind, weiten wir die humanitäre Hilfe aus", sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Man werde im Verlauf des Tages die Einfuhr von Lastwagen mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten in den Süden des Küstenstreifens ermöglichen. "Wer sich in diesem Gebiet aufhält, wird diese erhalten", sagte Hagari.
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- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- ABC News: IDF on current ground operations