Jederzeit zum Kampf bereit Diese Sekte verehrt Donald Trump als Heiland
Wege zur Erlösung, Antworten auf alle Fragen, der Welt einen Sinn geben. QAnon verspricht nicht weniger als das – mit gefährlichen Folgen für die, die den Anhängern in die Quere kommen.
Glaubens- und Meinungsfreiheit sind in Demokratien hohe Güter. Sie ermöglichen Bürgern, ihr Leben ohne staatliche Repressionen nach eigenen Vorstellungen auszurichten. Sie ermöglichen ihnen im selben Zug, sich in selbst gewählte Abhängigkeiten zu begeben. Nicht wenige treten Glaubensgemeinschaften bei oder fühlen sich ihnen zugehörig. Und wiederum einige dieser Gemeinschaften versprechen ihren Anhänger die Lösung universaler Probleme. Die einzig wahre Wahrheit gefunden zu haben, die anderen bislang verschlossen blieb: Das ist ein verlockendes Versprechen.
Verschwörungen und Antisemitismus
Viele dieser Glaubensgemeinschaften sind – abgesehen von möglicherweise schädlichen Einflüssen auf ihre Mitglieder – harmlos. Einige wurden und werden allerdings zur Gefahr. Die geschlossenen Glaubenssysteme sogenannter Sekten ermöglichen ihren Drahtziehern, die Gläubigen zu manipulieren, auch zum Schaden von Außenstehenden. Das reicht von Missionierung bis zu tödlichen Anschlägen.
Die vermutlich einflussreichste Sekte derzeit ist die sogenannte QAnon-Bewegung. Das Magazin "The Atlantic" hat sie einmal als neue amerikanische Religion bezeichnet, mittlerweile ist sie aber weltweit aktiv. Der Glaube ihrer Anhänger besteht aus einer bunten Mixtur alter Verschwörungsmythen und Antisemitismus. Angereichert sind sie durch allerhand moderne Elemente aus Esoterik, Science-Fiction und zeitgenössischer Literatur. Die Bewegung wirkt damit wie eine Blaupause oder ein Best-of bekannter Phänomene.
Apokalyptischer Kampf gegen das Böse
Grundlegend für Anhänger ist die Überzeugung, dass eine satanische Elite die Welt über den sogenannten "Tiefen Staat" beherrscht. Diese Elite ist der Erzählung nach mit den Übeln der Welt verknüpft: Ritualmorde, Pädophilie, Krieg und Diktatur. Die meisten öffentlichen Personen werden als Repräsentanten und Handlanger dieses "Tiefen Staats" wahrgenommen. Das betrifft nicht nur Prominente aus Film und Fernsehen, sondern vor allem liberale Politiker und Medien.
Der Kampf gegen sie ist QAnon zufolge der apokalyptische Kampf für das Gute – somit stehen, man ahnt es, Rechtsradikale auf der Seite Gottes im Kampf gegen das Böse. Alle warten darauf, dass der "Sturm" endlich losgeht – und die Welt von den Machenschaften der geheimen Zirkel (also auch den ihnen zugeschriebenen Marionettenregierungen) befreit wird. Das klingt nicht nur in etwa nach dem alten Glauben an eine jüdische Weltverschwörung, es ist nahezu deckungsgleich. Wohl nicht ganz zufällig werden besonders Juden als Mitwirkende oder Drahtzieher des Zirkels identifiziert.
Keine sichtbare Führungsstruktur
Der Genozid-Forscher Gregory Stanton hat QAnon deswegen einmal als "Nazi-Sekte in neuem Gewand" bezeichnet. Ihre Ideologie, die den gefälschten Protokollen der Weisen von Zion ähnele, lege den Grundstein für Massenmord und Diktatur. Das ist sozusagen offenkundig, da Anhänger andauernd auf bevorstehende Massenexekutionen hoffen, die dem vermeintlichen Treiben der satanischen Elite ein Ende setzen sollen.
Die QAnon-Sekte ist insofern atypisch, als dass sie nicht über eine sichtbare zentrale Führungsstruktur verfügt und vielmehr auf die Radikalisierung von Einzeltätern zu setzen scheint. Ihren Ausgangspunkt nahm sie in Internetforen, wo sich bis dahin weithin verlachte Verschwörungstheoretiker anonym austauschten. Wo einst über den Kennedy-Mord, Ufos und Illuminaten diskutiert wurde, bestimmten seit dem US-Wahlkampf 2016 weitaus drastischere und konkretere Hirngespinste das Denken. In von Russland gehackte und verbreitete E-Mails der US-Demokraten lasen Unterstützer des republikanischen Kandidaten Donald Trump Hinweise auf satanische Pädophilenringe hinein.
Trump, der Erlöser
Befördert wurden die Ideen durch kryptische Beiträge eines Pseudonyms namens "Q". Bei ihm handele es sich um einen Insider aus dem Umfeld von Trump, einen Patrioten. Und schon bald entdeckten Newcomer der US-republikanischen Partei ihre Affinität zum Sektenglauben. Tatsächlich gelten die QAnon-Gläubigen heute als größtenteils mit Teilströmungen der Partei assoziiert, vor allem mit Donald Trump, der ihnen als Erlöser gilt.
Er machte sich immer wieder durch Anspielungen den Glauben zunutze. QAnon-Anhänger spielten eine wichtige Rolle bei dem gescheiterten Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Offenbar war in Verbindung mit rechtsextremen Milizen geplant, Senatoren in Geiselhaft zu nehmen oder sogar zu töten, um Trump an die Macht zu putschen. Laut FBI gilt die QAnon-Ideologie als Grundlage für Terrorismus. Zahlreiche Gewalttaten werden auf sie zurückgeführt.
Auch in Deutschland versuchten QAnon-gläubige "Reichsbürger" während der Corona-Pandemie, den Bundestag zu stürmen. Immer wieder kommt es in der waffenaffinen Szene zu Angriffen vor allem auf Polizisten. Die mutmaßliche Reichsbürger-Terrorgruppe, die im Dezember 2022 aufflog, soll ebenfalls Versatzstücken der QAnon-Ideologie angehangen haben.
- JustSecurity.org: "QAnon is a Nazi Cult, Rebranded" (engl.)
- voanews.com: "Capitol Riot Exposed QAnon’s Violent Potential" (engl.)
- wired.com: "Online Conspiracy Groups Are a Lot Like Cults" (engl.)