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Schwere Waffen für die Ukraine: Das Zögern des Olaf Scholz'


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Experte widerspricht Scholz
"Befinden uns in einem Alleingang, indem wir nichts tun"


Aktualisiert am 20.04.2022Lesedauer: 5 Min.
Olaf Scholz, Bundeskanzler: Der SPD-Politiker äußerte sich am Dienstag zu Kritik an seiner Ukraine-Politik.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz, Bundeskanzler: Der SPD-Politiker äußerte sich am Dienstag zu Kritik an seiner Ukraine-Politik. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)
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Die Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine wird immer lauter. Doch andere Länder würden ebenfalls wenig liefern, ein Alleingang sei gefährlich, verteidigt sich Kanzler Scholz. Halten seine Argumente stand?

Immer wieder wurde Olaf Scholz in den vergangenen Wochen für seine zögerliche Ukraine-Politik kritisiert. Deutschland müsse endlich schwere Waffen an das kriegsgebeutelte Land liefern, forderten Kritiker. Am Dienstag äußerte sich Scholz nun – das Thema "schwere Waffen" umschiffte er allerdings weitestgehend.

Stattdessen hob Scholz die enge Zusammenarbeit mit den Verbündeten hervor und betonte: "Deutsche Alleingänge wären falsch." Und: "Diejenigen, die in einer vergleichbaren Ausgangslage wie Deutschland sind, handeln so wie wir." Stimmt das?

Diese Länder liefern schwere Waffen an die Ukraine

"Nein", sagt Frank Sauer, Politikwissenschaftler von der Universität der Bundeswehr in München, zu t-online. Mehrere Länder hätten bereits schwere Waffen wie Panzer, Artillerie oder gepanzerte Fahrzeuge an die Ukraine geliefert oder sich dazu bereit erklärt, dies zu tun. Ein Überblick:

  • Tschechien lieferte Anfang April mehrere Dutzend Panzer der sowjetischen Bauart T-72 sowie BMP-1-Schützenpanzer. Das Nachrichtenportal "Echo24.cz" berichtete damals von einem Güterzug, der auf dem Weg in die Ukraine sei. Tschechien sei so wie die Slowakei zudem bereit, schweres Geschütz der Ukraine zu reparieren und zu warten, erklärte das tschechische Verteidigungsministerium. Die genaue Anzahl der Fahrzeuge ist geheim.
  • Die USA haben Kiew am vergangenen Mittwoch weitere Waffen und Munition im Wert von bis zu 800 Millionen Dollar (740 Millionen Euro) zugesagt – darunter auch Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber. Die in Aussicht gestellten 18 Feldhaubitzen sollen "sehr, sehr bald" an die Ukraine übergeben werden, wie der Sprecher des Pentagons, John Kirby, am Dienstag sagte.
  • Die Niederlande kündigten am Dienstag an, schwere Waffen an die Ukraine liefern zu wollen. Man wolle "schweres Material, darunter auch gepanzerte Fahrzeuge" schicken, erklärte Ministerpräsident Mark Rutte.
  • Kanada will schwere Artilleriewaffen liefern, sagte Premierminister Justin Trudeau am Dienstag. Genaue Details sollen in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden.
  • Großbritannien sagte der Ukraine zu, 120 gepanzerte Fahrzeuge und Schiffsabwehrraketen zu liefern. Geprüft werde unter anderem, ob man "Brimstone"-Raketen auf die Fahrzeuge montieren könne, erklärte Premierminister Boris Johnson. Die Raketen werden üblicherweise von Kampfjets abgefeuert. Dem Hersteller MBDA zufolge können sie gegen Ziele an Land und auf See eingesetzt werden.
  • Auch aus Frankreich gibt es offenbar Zusagen, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Die ukrainische Abgeordnete Lesia Vasylenko dankte dem Nato-Mitglied neben den weiteren Unterstützungsländern auf Twitter.

Die Liste ist lang, warum also hält sich Deutschland zurück? Scholz und andere Politiker, die der Bitte des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht nachkommen wollen, haben dazu in den vergangenen Tagen gleich mehrere Gründe angeführt.

Scholz' Alleingang-Argument

So erklärte Scholz etwa, ein "Deutscher Alleingang wäre falsch". Diese Aussage stelle ihn jedoch vor ein Rätsel, erklärt Militärexperte Sauer. "Es kann doch kein Alleingang mehr sein, wenn offensichtlich schon mehrere Länder schwere Waffen liefern. Mehr noch: Ich befürchte, dass wir uns bereits im Alleingang befinden, indem wir nichts tun."

Auch das Argument, man müsse sich mit den Partnern abstimmen, hält Sauer für unschlüssig. "Wo soll man sich denn jetzt noch abstimmen, wenn die anderen Länder doch offensichtlich schon handeln?", kritisiert er.

Ähnlich sei es bei dem Energieembargo gegen Russland. "Es bereitet mir Kopfschmerzen, dass die Bundesregierung in keinem der beiden Felder wirklich bereit zum nächsten Schritt ist", sagt Sauer.

Kritikern entgegnete Olaf Scholz vor wenigen Tagen in einem Interview mit dem RBB: "Manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich." Sauer hält das für "hochgradig begründungsbedürftig". "Warum zu zögern, wenn alle anderen handeln, Führung sein soll, erklärt sich mir nicht", so der Politikexperte.

Wird Deutschland zur Kriegspartei?

Ein Argument, das Befürworter der Position Scholz' immer wieder anbringen, lautet außerdem, dass Deutschland mit der Lieferung von schweren Waffen zur Kriegspartei würde. "Wir würden eine Linie überschreiten, wenn wir Panzer oder Flugzeuge liefern oder gar eine Flugverbotszone einrichten. Diese Linie gilt es zu halten", sagte etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).

"Das ist falsch", erklärt Sauer. Aus völkerrechtlicher Sicht sei es nicht der Fall, dass Deutschland bei der Lieferung von schweren Waffen Kriegspartei wäre. Im Gegenteil: "Wer ein Interesse daran hat, dass das Völkerrecht fortbesteht, darf den Angriff Russlands auf die Ukraine so nicht stehen lassen", fordert Sauer. "Wenn Russland damit gewinnt, dann zeigt das, man kann einen Angriffskrieg führen und wird dann auch noch dafür belohnt", warnt der Experte.

Experte: "Das mit der Logistik ist verdammt schwierig"

Das Argument der Bundesregierung, dass die Ausbildung von ukrainischen Soldaten, die Lieferung von schweren Waffen, die Wartung und der Aufbau von Lieferketten schwer ist, lässt Sauer gelten. "Das mit der Logistik ist verdammt schwierig", gibt er zu. "Der Punkt ist aber: Wenn wir wissen, dass das alles verdammt schwierig ist und länger dauert – warum haben wir damit dann nicht vor zehn Tagen schon angefangen? Die anderen können auch nicht zaubern, aber sie haben angefangen", so Sauer.

Je länger man warte, desto schlechter werde es jetzt und auch in Zukunft für die Ukraine. "Das Land wird auch in den kommenden Monaten vermutlich auf Lieferungen von außen angewiesen sein", erklärt Sauer. Die Lieferwege brauche es also so oder so.

Das "Wir haben nichts"-Argument

Im Hinblick auf mögliche Waffenlieferungen aus den Beständen der Bundeswehr "müssen wir inzwischen erkennen, dass die Möglichkeiten, die wir haben, an ihre Grenzen stoßen", sagte Scholz am Dienstag. Hintergrund ist, dass die Bundeswehr ihre schweren Waffen selbst für sich beansprucht, um die Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten zu können.

Der Sicherheitsexperte Carlo Masala bezweifelte aber, dass die Bundeswehr überhaupt keine schweren Waffen entbehren könne, um sie an die Ukraine zu liefern. Auch der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk nennt es "nicht nachvollziehbar", dass die Bundeswehr keine schweren Waffen abgeben kann. Seiner Ansicht nach könnte die Truppe etwa 100 Marder-Schützenpanzer, die nur für Training und Ausbildung genutzt werden, einen Großteil ihrer 800 Fuchs-Transportpanzer und Panzerhaubitzen 2000 abgeben.

Deutschland will der Ukraine stattdessen ermöglichen, Waffen direkt von der Rüstungsindustrie zu bestellen, anstatt Waffen aus Altbeständen zu liefern. Auf der Angebotsliste der Rüstungsindustrie, von der sich die Ukraine Rüstungsgüter aussuchen darf, stünden allerdings keine schweren Waffen, bemängelt Melnyk.

Auch erklärte sich die Bundesregierung zu einem Ringtausch-Prinzip bereit. Osteuropäische Nato-Partner, die Waffen sowjetischer Bauart aus ihren alten Beständen an die Ukraine liefern könnten, sollten deutsche Unterstützung bei der Beschaffung von Ersatz erhalten, sagte Olaf Scholz am Dienstag.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Anfrage an Frank Sauer, Politikwissenschaftler von der Universität der Bundeswehr in München
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