Flaggschiff gesunken USA: "Moskwa"-Verlust hat Konsequenzen für russische Marine
Getroffen und versenkt? Nur ein Brand an Bord und dann bei Sturm gesunken? Mit dem Raketenkreuzer "Moskwa" ist der Stolz der Schwarzmeerflotte gesunken. Vieles ist unklar, doch Russland gesteht den Verlust jetzt ein.
Russland muss in seinem Krieg gegen die Ukraine künftig auf seinen wichtigsten Raketenkreuzer im Schwarzen Meer verzichten: Die "Moskwa" ist gesunken. Das teilte am Donnerstagabend das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Während das Schiff abgeschleppt worden sei, habe es bei starkem Seegang seine "Stabilität" verloren und sei gesunken.
Was war passiert? Um 1:05 Uhr Ortszeit in der Nacht zum Donnerstag morste die "Moskwa" SOS: Das Schiff sei nach einer Explosion im Munitionslager schwer beschädigt, die Crew evakuiert, heißt es im Funkspruch. Die Ursachen würden untersucht. Auch Kremlchef Wladimir Putin wird über den Vorfall informiert. Die Ukraine behauptet, den Kreuzer mit zwei Raketen getroffen und versenkt zu haben. Aber unklar bleibt, was genau passiert ist.
Im morgendlichen Briefing verliert der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, kein Wort darüber. Er ist traditionell für frohe Botschaften bei der Schlacht gegen die Ukraine zuständig. Die ukrainischen Offiziellen zünden derweil ein Feuerwerk an Erfolgsmeldungen.
Pentagon: Ursache noch nicht geklärt
Das US-Verteidigungsministerium hielt sich betont zurück mit einer Einschätzung zur Ursache für den Brand auf der "Moskwa". Ein hochrangiger Verteidigungsbeamter sagte, bislang lasse sich nicht mit Klarheit sagen, was den Schaden auf dem Raketenkreuzer verursacht habe. Man gehe davon aus, dass sich das Schiff 60 bis 65 nautische Meilen südlich der ukrainischen Stadt Odessa befunden habe, als es zu einer Explosion gekommen sei. "Im Moment können wir nicht definitiv sagen, was diese Explosion und das anschließende Feuer verursacht hat." Es könne auf einen Raketenangriff zurückzuführen sein, es könne aber auch andere Gründe geben.
Die Gefahr von Bränden und Explosionen auf derartigen Schiffen sei generell groß, da diese brennbares und explosives Material an Bord hätten, betonte er. Daher gelte es, vorsichtig zu sein mit Schlussfolgerungen. Nach US-Erkenntnissen seien mehrere andere russische Schiffe, die zuvor in der Nähe der "Moskwa" im nördlichen Schwarzen Meer im Einsatz gewesen seien, weiter nach Süden verlegt worden.
CNN berichtete am Donnerstagabend mit Verweis auf Geheimdienstinformanten, dass die USA einen Raketenangriff für möglich hielten. Allerdings wolle man noch Beweise abwarten. "Wir sind nicht in der Lage, unabhängig offiziell zu bestätigen, was genau zum Untergang des Schiffes geführt hat", sagte Pentagon-Pressesprecher John Kirby am Donnerstag zu CNN. "Aber wir sind auch nicht in der Lage, die ukrainische Seite davon zu widerlegen. Es ist sicherlich plausibel und möglich, dass sie dies tatsächlich mit einer Neptun-Rakete oder vielleicht mehr getroffen haben."
USA: Kreuzer spielte "Schlüsselrolle" im Schwarzen Meer
Kirby sagte, der Untergang der "Moskwa" werde "Konsequenzen" für die Einsatzfähigkeit der russischen Marine in der Region haben. Der mit Raketen ausgerüstete Kreuzer habe eine "Schlüsselrolle" in den Bemühungen Russlands gespielt, eine "Dominanz seiner Marine im Schwarzen Meer" herzustellen, sagte Kirby dem US-Sender CNN.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spielte in einer Videoansprache am frühen Morgen auf das gesunkene russische Kriegsschiff "Moskwa" an und pries all jene "die gezeigt haben, dass russische Schiffe....auf den Grund gehen können." Allerdings ging er nicht explizit darauf ein, ob es eine ukrainische Rakete war, die das Schiff getroffen hat.
Psychologischer Erfolg für die Ukraine
Laut dem Chef der Gebietsverwaltung von Odessa, Maxym Martschenko, ist der russische Kreuzer von zwei ukrainischen Schiffsraketen des Typs "Neptun" getroffen und schwer beschädigt worden. Doch die Angaben sind widersprüchlich. Einmal heißt es, das Schiff sei vor der von Russland eroberten Schlangeninsel getroffen worden, ein anderes Mal soll es in der Bucht von Sewastopol auf der annektierten Halbinsel Krim getroffen worden sein.
Das Sinken des Schiffes ist für die Ukraine ein psychologischer Erfolg, handelt es sich bei der "Moskwa" doch um den Kreuzer, der Ende Februar an der Eroberung der Schlangeninsel knapp 35 Kilometer östlich der Donaumündung beteiligt gewesen sein soll. Die Besatzung des Kreuzers soll ukrainische Soldaten zur Kapitulation aufgefordert haben, der ukrainische Marineinfanterist Roman Hrybow aber soll geantwortet haben: "Russisches Kriegsschiff, verpiss dich!" Inzwischen ist dieser Spruch zu einem geflügelten Wort in der Ukraine geworden.
Die russische Militärführung dementierte zunächst die Versenkung, räumte aber schwere Schäden ein. Am Donnerstagnachmittag hatte es noch geheißen, der Brand sei eingedämmt worden, die "Moskwa" weiter seetüchtig und die Raketendecks unbeschädigt. Am Abend bestätigte Moskau aber den Untergang.
Wichtiges Kriegsschiff für Russland
In jedem Fall wiegt der Verlust für die russischen Streitkräfte schwer: Die 1979 zu Wasser gelassene und 1983 in Dienst gestellte "Moskwa" ist das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte und mehr als 180 Meter lang. Rund 500 Soldaten sollen auf ihr dienen. Zudem ist der Kreuzer erst vor wenigen Jahren runderneuert worden und verfügt über eine gewaltige Feuerkraft und eigentlich auch modernste Luft- und Raketenabwehrsysteme. Unklar ist, ob das Schiff geborgen und dann repariert werden kann.
Für die russische Marine ist ein solches Kriegsschiff in der jetzigen Lage enorm wichtig. In allen Seestreitkräften werden die Abläufe bei möglichen Treffern oder auch bei Unglücken an Bord genau geübt. Dabei gilt: Das "äußere Gefecht" ist der Kampf mit Waffensystemen des Schiffes gegen den Gegner. Das "innere Gefecht" gilt dem Umgang mit Treffern im eigenen Schiff, wenn Wassereinbrüche eingedämmt und Feuer gelöscht werden müssen. Wird evakuiert, gibt die Besatzung das Schiff auf.
Es ist das zweite größere russische Schiff, das im Ukraine-Krieg außer Gefecht gesetzt wurde. Vor knapp drei Wochen war ein Landungsschiff der russischen Kriegsmarine im Hafen der besetzten südukrainischen Stadt Berdjansk durch einen Raketenangriff versenkt worden.
"Das stellt ihre Kompetenz infrage"
Für die weitere Kriegsführung der Russen bedeutet der Verlust der "Moskwa" durchaus Probleme. Denn der russischen Flotte geht nicht nur jede Menge Feuerkraft verloren. Ihre Kriegsschiffe, die bislang in ukrainischen Gewässern navigierten und von dort Landziele unter Beschuss nahmen, müssen sich zudem darauf einstellen, zunehmend zum Ziel von Küstenbatterien zu werden.
Denn Kiew hat sich neben den im eigenen Land hergestellten "Neptun"-Raketen unlängst auch Antischiffsraketen aus Großbritannien gesichert. Um diesen Geschossen zu entgehen, müssen die russischen Kriegsschiffe wohl den Abstand zur Küste vergrößern. Landemanöver wie in Odessa, über die seit Wochen spekuliert wird, werden damit deutlich unwahrscheinlicher.
Ein westlicher Regierungsvertreter sprach von einem "erheblichen Schlag" für die russischen Streitkräfte, es handele sich um einen "enormen Verlust". "Entweder waren sie anfällig für einen ukrainischen Angriff, und das stellt ihre Kompetenz infrage. Oder ein Feuer an Bord eines wichtigen Schiffes hat zu einer Detonation im Munitionsraum geführt, und auch das wäre ein Zeichen von Inkompetenz", sagte der Regierungsvertreter. Es handele sich um einen "Schlag gegen den Stolz des Militärs".
- Nachrichtenagentur dpa