Ukraine in die EU? "Der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine Aufnahme"
Die Ukraine will der EU beitreten und wird dabei von vielen Ländern unterstützt. Nun wird sie vermutlich offizieller Beitrittskandidat. Es herrscht bei t-online-Lesern Uneinigkeit darüber, ob das eine gute Idee ist.
Inhaltsverzeichnis
- "Die Ukraine gehört sofort in die EU aufgenommen, trotz Kriegsfall"
- "Es bringt jetzt nichts, Öl ins Feuer zu gießen"
- "Bürokratie im Aufnahmeverfahren sollte hintenanstehen"
- "Ein sofortiger EU-Beitritt wäre ein irrationales und fatales Signal"
- "Lassen wir den Worten konsequent Taten folgen!"
- "Ich warne davor, sich ausschließlich von Emotionen leiten zu lassen"
- "Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen"
- "Der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine Aufnahme"
Seit Jahren will die Ukraine der Europäischen Union angehören. Der Krieg hat aus dem bisher stets unerfüllten Wunsch nun eine dringende Forderung werden lassen. Immerhin wird das Land seit Freitag als Kandidat für den Beitritt zur Europäischen Union gehandelt.
Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte schon wenige Tage nach Beginn des Krieges, dass das gerecht sei und sein Land den Beitritt verdient habe. Viele t-online-Leser stimmen ihm zu, einige andere haben Bedenken.
"Die Ukraine gehört sofort in die EU aufgenommen, trotz Kriegsfall"
t-online-Leser David Siluschek schreibt: "Meiner Meinung nach gehört die Ukraine sofort in die EU aufgenommen, trotz Kriegsfall. Der Westen fürchtet sich vor einem Dritten Weltkrieg, aber genau dieser hat mit dem Angriffskrieg und dem Völkermord in der Ukraine begonnen.
Wenn die EU jetzt untätig bleibt und die Angst siegen lässt, dann verrät sie alle Werte, für die die EU steht und für die das ukrainische Volk so tapfer an der Front kämpft."
"Es bringt jetzt nichts, Öl ins Feuer zu gießen"
"Der Wunsch des ukrainischen Präsidenten klingt plausibel, sollte aber fürs Erste auf Eis gelegt werden, solange die russische Invasion andauert", meint hingegen t-online-Leser Mike Kilsch. "Es bringt jetzt nichts, Öl ins Feuer zu gießen und die Lage noch mehr zu verschärfen. Auch ein Eilverfahren halte ich gegenüber anderen Ländern nicht für gerecht.
Erst wenn von der EU beziehungsweise Nato und vor allem von Russland konstruktive Friedensvorschläge gemacht werden und diese dann umgesetzt werden, kann man im ganz normalen Verfahren über einen Beitritt der Ukraine zur EU sprechen – allerdings zu Bedingungen, die nicht wieder eine Eskalation heraufbeschwören."
"Bürokratie im Aufnahmeverfahren sollte hintenanstehen"
Familie Sternmann möchte, "dass die Ukraine sofort in die EU aufgenommen wird". t-online-Leserin Sigrid Sternmann schreibt: "Dieses Land braucht unsere europäische Hilfe und Beistand. So unbürokratisch wie jetzt bei den Flüchtlingen zur Aufnahme in Europa geholfen wird, sollte man auch den Beitritt zur EU schnellstmöglich und unbürokratisch vollziehen. Es ist ein Notfall und ein noch nie dagewesener Anlass für ein Land.
So einem mutigen Staat, der sich mit allen Mitteln bis zum Tod verteidigt, gehört Respekt und Anerkennung gezeigt. Da sollte Bürokratie im Aufnahmeverfahren hintenanstehen. Wenn man will, ist alles möglich. Das beweisen uns die ukrainischen Menschen deutlicher denn je. Morgen kann es schon zu spät sein."
"Ein sofortiger EU-Beitritt wäre ein irrationales und fatales Signal"
"Ein klares Nein" spricht t-online-Leser Stefan Wittmer aus. "Damit würden die EU und somit auch die Nato faktisch in den Krieg als unbestreitbar aktive Partei hineingezogen. Ein Dritter Weltkrieg, atomar geführt, wäre wahrscheinlicher denn je."
Stefan Wittmer gibt außerdem zu bedenken, dass mit der Ukraine ähnliche Schwierigkeiten wie mit Polen und Ungarn denkbar wären. "Ein sofortiger EU-Beitritt der Ukraine, gänzlich ohne Beachtung der üblichen Regeln, wäre aus meiner Sicht ein irrationales und fatales Signal an andere potentielle Beitrittskandidaten."
"Lassen wir den Worten konsequent Taten folgen!"
t-online-Leser Rolf Nieborg wünscht sich die Ukraine als Mitglied der Europäischen Union, wie er uns wissen lässt: "Unser Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Bundestag die Zeitenwende postuliert.
Ergo sollten wir als Bürger diese auch pragmatisch unterstützen und die umgehende Aufnahme der Ukraine in die EU vollziehen. Lassen wir den Worten konsequent Taten folgen!"
"Ich warne davor, sich ausschließlich von Emotionen leiten zu lassen"
"Dieser Krieg und seine Opfer sind unsäglich", leitet t-online-Leser Simon Nothhelfer seinen Meinungsbeitrag ein. "Ich warne jedoch davor, in diesen tragischen Zeiten sich ausschließlich von Emotionen leiten zu lassen", fährt er fort. "Man muss auch jetzt bereits an ein Morgen denken.
Die Ukraine erfüllt die Vorgaben eines EU-Beitritts nicht und man sollte davon Abstand nehmen, aus einer Welle der Solidarität dies abzukürzen. Ein schneller Frieden muss her, auch für die Menschen vor Ort. Ein EU- Beitritt sowie die Lieferung von Waffen verhindern das und steigern das Leid ins Unermessliche!"
"Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen"
"Im Rahmen der aktuellen Ereignisse bin ich für eine sofortige Aufnahme der Ukraine in die EU", mailt t-online-Leser Stefan Toth. "An eine solche Mitgliedschaft sollten jedoch Bedingungen geknüpft sein. Zum Beispiel, dass geflüchtete Ukrainer nach Ende des Krieges wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen. Außerdem sollte die Freizügigkeit für Ukrainer erst nach beispielsweise zehn Jahren möglich sein."
Sicher sei das Land noch nicht auf dem dafür erforderlichen Stand, betont Stefan Toth, "aber besondere Zeiten erfordern eben besondere Maßnahmen", findet er. "Auch Mitgliedsstaaten wie Rumänien und Bulgarien haben noch viel zu tun, um auf das Niveau der mitteleuropäischen Staaten zu gelangen, sowie die Kandidaten aus dem Westbalkan."
"Der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine Aufnahme"
t-online-Leserin Wiebke Kuchel hält das Timing für schlecht: "Jedes Land, das eine Aufnahme in die EU beantragt, muss normalerweise in einem langen Vorlauf bestimmte Voraussetzungen erfüllen können. Das mussten viele andere Länder auch bereits. Bis zum heutigen Tag gab es offenbar (seit 2004) genug Gründe, um eine Aufnahme abzulehnen.
Ich bin der Meinung, dass die EU zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchaus jede humanitäre Hilfe, die man der Ukraine geben kann, auch gewähren sollte. Trotz alledem ist es meines Erachtens unter Kriegsbedingungen der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine Aufnahme unter Druck, wenn man Jahre vorher bereits Bedenken hatte. Die EU sollte sich trotz alledem nicht moralisch unter Druck setzen lassen, man kann doch trotzdem Hilfe leisten."
- Einsendungen von t-online-Lesern