Medien Regulierer: Sender RT muss deutschsprachiges TV einstellen
Berlin/Moskau (dpa) - Deutsche Medienregulierer verlangen vom russischen Staatssender RT (früher Russia Today) die Einstellung seines deutschsprachigen TV-Programms. RT will sich dagegen juristisch wehren.
Der Fall hatte in den vergangenen Wochen immer wieder auch zu Spannungen zwischen Deutschland und Russland auf politischer Ebene geführt. Russland hat mit Konsequenzen für deutsche Medien und ihre Korrespondenten in Moskau gedroht.
Die zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bei den Medienanstalten beanstandete und untersagte die Veranstaltung und die Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE in Deutschland, wie die Medienregulierer in Berlin mitteilten. Als Grund wurde genannt, dass die nötige medienrechtliche Zulassung für ein solches Programm nicht vorliege. Es sei keine Zulassung beantragt worden.
RT kann die Entscheidung der Medienregulierer gerichtlich überprüfen lassen. Das Unternehmen RT DE Productions in Berlin kündigte auf dpa-Anfrage in einer Reaktion auch rechtliche Schritte an. Die Chefredakteurin von RT in Moskau, Margarita Simonjan, bezeichnete die ZAK-Entscheidung als "totalen Schwachsinn". "Wir stellen das Senden nicht ein", schrieb sie bei Telegram.
Das sei ja fast so, als würde die russische Kommunikationsaufsicht Roskomnadsor der Deutschen Welle Übertragungen auf ihren eigenen Internetseiten verbieten, meinte sie. "Das sollten wir eigentlich mal probieren", sagte Simonjan, die gute Verbindungen zum Kreml hat.
Das russische Außenministerium drohte mit deutlichen Worten: Dieser Schritt lasse keine andere Wahl, "außer zur Realisierung von Antwort-Maßnahmen in Bezug auf die in Russland akkreditierten Journalisten zu schreiten". Welche Schritte Moskau ergreifen könnte, wurde aber zunächst nicht gesagt. "Das Urteil der deutschen Medienaufsichtsbehörde ist ein unmissverständliches Signal, dass die Bedenken Russlands eklatant ignoriert worden sind", hieß es.
Zuletzt hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow bei einem Treffen mit seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock (Grüne) in Moskau gefordert, die ungehinderte Arbeit des Senders in Deutschland zu ermöglichen. Baerbock hatte erklärt, dass es in Deutschland keinen staatlichen Rundfunk gebe.
Die Medienregulierer sind der Ansicht, dass die RT DE Productions GmbH mit Sitz in Berlin für das Programm medienrechtlich verantwortlich ist. Das Unternehmen und RT wiesen das zurück; es handelte sich um eine unabhängige Produktionsfirma. Auf der eigenen Webseite schrieb RT DE zudem in eigener Sache: "RT DE Productions wiederholt seine Position, dass das Live-Programm trotz aller gegenteiliger Behauptungen mit Beginn der Übertragung am 16. Dezember 2021 in Übereinstimmung mit europäischem Recht ausgestrahlt wird."
Mitte Dezember hatte das russische Staatsmedium sein deutschsprachiges TV-Programm über verschiedene Verbreitungswege, darunter über seine Webseite und via Satellit, gestartet. RT berief sich auf eine serbische Sendelizenz. Die deutschen Medienregulierer sind hingegen der Ansicht, dass sich die Veranstalterin von RT DE auf keine andere europarechtlich legitime Erlaubnis berufen könne.
Die Videoplattform Youtube sperrte wenige Stunden nach Sendestart im Dezember den entsprechenden Kanal auf seiner Plattform und berief sich auf Community-Richtlinien. Einige Tage später stellte auch der Satellitenbetreiber Eutelsat die Satellitenverbreitung ein. Die Medienregulierer hatten einen Tag nach Sendestart ein Verfahren eingeleitet, dessen Ergebnis jetzt mit dem Bescheid vorliegt.
RT steht im Westen immer wieder als Propagandainstrument des Kremls in der Kritik. Zentraler Vorwurf: Der Sender verbreite im Auftrag des russischen Staates Verschwörungstheorien und Desinformationen. RT weist das zurück. Der Sender hat mehrere fremdsprachige Programme, darunter auf Spanisch und Englisch. RT DE bietet schon länger Online-Berichte auf Deutsch an. Verbreitet werden die Inhalte über die Webseite und soziale Medien. Im Dezember kam dann das Live-TV-Programm dazu.
RT - früher Russia Today - hat für RT DE einen Standort in Berlin. TV-Anbieter benötigen für bundesweite Programme in Deutschland eine Rundfunklizenz. Der Verbreitungsweg spielt dabei keine Rolle. Als Zulassungsvoraussetzung gilt unter anderem, dass das verfassungsrechtliche Prinzip der Staatsferne des Rundfunks nicht verletzt werden darf, also ein Staat oder eine Partei keinen Einfluss auf die Programminhalte nehmen dürfen. Die Staatsferne bei den Medien ist im Grundgesetz verankert.
Das Bundesverfassungsgericht ging in Urteilen immer wieder auch auf das Thema Staatsferne ein. Der Medienrechtsexperte von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, Dieter Dörr, erläuterte auf dpa-Anfrage: Das Gebot der Staatsferne verstehe das Bundesverfassungsgericht als Ausprägung der Vielfaltsicherung. "Wenn der Rundfunk zwischen Staat und Bürger in einem freien und individuellen und vielfaltsorientierten Meinungsbildungsprozess vermitteln soll, dann muss dieser Vermittlungsprozess frei und ungesteuert ablaufen."
Der Staat dürfe insbesondere nicht an der publizistischen Funktion des Rundfunks mitwirken, sagte Dörr. Er dürfe sich etwa nicht in die Programmgestaltung oder sonstige Belange des Rundfunks einmischen, diesen beeinträchtigen oder ihn gar instrumentalisieren oder beherrschen. Der Wissenschaftler führte weiter aus, dass die Regeln in Deutschland auch historische Gründe hätten. Sie seien von Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg in ihren Besatzungszonen geprägt worden. Das Ganze sei eine Reaktion auf die negativen Erfahrungen mit dem Staatsrundfunk in der Weimarer Zeit und dem Missbrauch als Propagandainstrument im Nationalsozialismus gewesen.