Bundespräsident Steinmeier in Moldau - "Zukunft liegt mir am Herzen"
Berlin/Chisinau (dpa) - Es ist der Stoff für ein politisches Märchen im klassischen "Es-war-einmal"-Stil.
Also: Es war einmal ein kleines, armes Land am östlichen Rand Europas, in dem sich auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die alten kommunistischen Kräfte eisern an ihre Macht klammerten. Ihnen stellt sich eine junge Frau entgegen. Die international erfahrene Ökonomin erobert erst das Präsidentenamt, ihre liberale Partei später die absolute Mehrheit im Parlament, so dass die Heldin nun ihr Land in eine hellere Zukunft führen kann.
Das Land ist die Republik Moldau, die Präsidentin heißt Maia Sandu, und die hellere Zukunft am Horizont lautet Europa. Ob Moldau am Ende tatsächlich den von Sandu eingeschlagenen pro-europäischen Weg erfolgreich beschreiten oder doch das pro-russische Lager wieder Oberwasser bekommen wird, ist keineswegs ausgemacht. Deshalb flog Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch als erster Bundespräsident überhaupt in die Hauptstadt Chisinau. Seine Absicht: demonstrative Unterstützung für Sandu und ihren Reformkurs.
"Die Aufbruchstimmung, die heute hier herrscht, die ist wirklich mit Händen zu greifen", sagt Steinmeier nach seinem Gespräch mit Sandu in deren Amtssitz. "Diese Dynamik wollen wir als Bundesrepublik Deutschland nach Kräften und so konkret wie möglich unterstützen." Als er später zusammen mit ihr ein Wirtschaftsforum eröffnet, ergänzt er: "Ihre Region, Ihr Land, Ihr Erfolg ist wichtig für Deutschland." Und auch Sätze wie diesen bekommt nicht jeder Gastgeber zu hören: "Die Zukunft Moldaus liegt mir am Herzen."
Steinmeier ist anzumerken, dass er sich den Erfolg Sandus wünscht und dazu nach Kräften beitragen will. So bringt er auch eine Wirtschaftsdelegation mit, weil er weiß: "Der gesellschaftliche und politische Wandel (...) muss von einer starken Wirtschaft getragen werden." Es gehe insbesondere um gute Arbeitsplätze im Land. Weil es davon viel zu wenige gibt, haben in der Vergangenheit die Menschen in Scharen ihre Heimat in Richtung Westen verlassen.
Bundespräsident spricht von Zeitenwende
Immerhin an die 9000 Menschen stehen bei deutschen Unternehmen, die in Moldau aktiv sind, in Lohn und Brot. Die deutschen Direktinvestitionen belaufen sich auf rund 275 Millionen Euro. Diese Zahlen seien beachtlich, sagt Steinmeier in der Wirtschaftskonferenz. "Aber angesichts der politischen Aufbruchstimmung, angesichts der Zeitenwende hier in Moldau, die wir in diesen Tagen spüren, sehe ich großes Potenzial, hier deutlich nachzulegen."
Sandu, deren politisches Überleben nicht zuletzt vom wirtschaftlichen Erfolg ihres Kurses abhängen dürfte, ermuntert deutsche Unternehmen, sich in ihrem Land anzusiedeln oder ihr Engagement auszubauen. Als Standortvorteile zählt sie neben der günstigen Lage ihres Landes und gut ausgebildeten Arbeitskräften auch die Pläne der Regierung zur Korruptionsbekämpfung und zur Reform des Justizwesens.
Steinmeier bringt im Namen der Bundesregierung ein Hilfspaket von zehn Millionen Euro für die Entwicklungszusammenarbeit. Und er sagt deutsche Unterstützung etwa mit Fachleuten auch bei den Reformen zu.
Beim Thema Korruptionsbekämpfung hat die moldauische Präsidentin noch einen speziellen Wunsch an ihren Gast. Sie berichtet, dass hohe Geldsummen illegal außer Landes geschafft worden seien. Und sie äußert die Hoffnung, dass Deutschland helfen möge, sie aufzufinden. "Das sind die Gelder unserer Bürger", sagt Präsidentin Sandu.
Steinmeier hat die Botschaft vernommen. In einem anderen Punkt kann er Sandu beruhigen. Pünktlich zu seiner Ankunft wird in den Medien des Landes darüber spekuliert, dass Deutschland, Belgien und Italien die Visafreiheit aufheben wollten, weil in letzter Zeit so viele Asylbewerber aus Moldau dorthin kämen. "An dieser Meldung ist nichts dran", versichert Steinmeier für Deutschland. "Das sind Fake News."