Friedensprozess Außenminister Maas zur Eröffnung von Botschaft in Libyen
Tripolis (dpa) – Sieben Jahre nach dem Abzug aller deutschen Diplomaten aus Libyen wegen des Bürgerkriegs in dem nordafrikanischen Land gibt es dort wieder eine deutsche Botschaft.
Bundesaußenminister Heiko Maas eröffnete die Vertretung am Donnerstag in der Hauptstadt Tripolis und sprach von einem "neuen Kapitel" in den deutsch-libyschen Beziehungen. Der Schritt stehe für die "beeindruckenden Fortschritte", die das Land seit vergangenem Jahr gemacht habe. "Heute vertiefen wir mit der Wiedereröffnung dieser Botschaft unsere Bemühungen, den Libyerinnen und Libyern beim Aufbau einer besseren Zukunft zu helfen."
Libyen war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einem Bürgerkrieg versunken, an dem zahlreiche Milizen beteiligt waren. Seit dem vergangenen Jahr gilt jedoch eine Waffenruhe. In diesem Frühjahr wurde unter UN-Vermittlung eine Übergangsregierung gebildet, die das Land zu Wahlen am 24. Dezember führen soll. Allerdings sind dabei mehrere Fragen ungeklärt, etwa die verfassungsrechtliche Grundlagen sowie die nötigen Voraussetzungen für Präsidentschaftskandidaten, was den Termin ins Wanken bringt.
Das Personal der deutschen Botschaft war im Juli 2014 wegen des Bürgerkriegs nach Tunesien evakuiert worden. Das alte Botschaftsgebäude in Tripolis wurde aufgegeben, die Vertretung für Libyen kam provisorisch in Tunis unter. 2018 gab es erstmals wieder regelmäßige Reisen der Diplomaten nach Libyen, seit dem Ende der Kampfhandlungen im Juni 2020 sind Botschaftsmitarbeiter schon für etwa eine Woche im Monat in Tripolis.
Botschaft mit Palmengarten und Pool
Die neue Botschaft ist in einem ehemaligen Fünf-Sterne-Hotel mit Palmengarten und Pool untergebracht. Acht Räume nutzen die Diplomaten auf dem Gelände, auf dem auch die niederländische Botschaft und italienische Minenräumer untergebracht sind. "Wir wollen wieder vor Ort eine Stimme in der libyschen Hauptstadt haben", sagte Maas. Die Eröffnung will er auch als Signal an die Libyer verstanden wissen, dass Deutschland Vertrauen in den laufenden Friedensprozess hat.
Trotz aller Fortschritte ist Libyen aber noch weit entfernt vom Ziel, ein stabiler und unabhängiger Staat zu werden. Milizen und politische Lager ringen weiter um Macht und Einfluss. Das ölreiche Land ist stark zerstört, 1,3 Millionen Menschen im Land sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter auch viele Migranten und Flüchtlinge. Und ausländische Mächte mischen weiterhin kräftig mit in dem Land - mit Söldnern und Waffenlieferungen.
Letzteres zu beenden ist eine Aufgabe, um die sich Deutschland seit zwei Jahren als Vermittler kümmert. Anfang 2020 veranstalteten Maas und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen großen Gipfel in Berlin dazu. Unter den Teilnehmern waren die wichtigsten Akteure in Libyen, darunter Russland, die Türkei, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate. Eine Nachfolgekonferenz der Außenminister im Juni endete mit einem erneuten Bekenntnis zum Abzug der ausländischen Söldner.
Druck bei der UN-Generalversammlung
Maas zeigte sich damals sicher, dass zumindest die syrischen Söldner, die auf beiden Seiten des Konflikts eingesetzt werden, innerhalb von Wochen beginnen können. Nun muss er eingestehen: "Der Prozess des Abzugs ausländischer Kräfte verläuft nicht in der Geschwindigkeit, wie wir uns das gewünscht hätten."
Deswegen wolle er bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen Ende September noch einmal mit allen Beteiligten sprechen "um dieser Entwicklung auch mehr Druck zu verleihen". Ziel sei es, dass mit den für den 24. Dezember geplanten Wahlen ausländische Kämpfer das Land verlassen.
Ausländische Söldner: "Niemand ist abgezogen"
Den fehlenden Fortschritt beim Abzug der Söldner haben auch die Vereinten Nationen sehr deutlich festgestellt: "Ausländische Kräfte und Söldner agieren weiterhin in Libyen ohne erkennbaren Rückgang ihrer Aktivitäten", hieß es vor zwei Wochen in einem UN-Bericht.
Der Libyen-Experte Jalel Harchaoui sagt, derzeit befänden sich schätzungsweise 15.000 bis 18.000 ausländische Truppen und Söldner im Land. Nach seinen Informationen sind darunter Tausende sudanesische, syrische und russische Söldner, zudem etwa 800 türkische Soldaten an mehreren Militärbasen sowie 200 russische Truppen. Auch Ägypten mischt in dem Konflikt mit. "Heiko Maas wird enttäuscht sein, wenn er speziell beim Abzug von Söldnern und ausländischen Truppen irgendeine Form von Fortschritt sucht. Niemand ist abgezogen", sagte Harchaoui, der für die Global Initiative against Transnational Organized Crime (Globale Initiative gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität) mit Sitz in Genf tätig ist.
Botschaft in Kabul als Ziel
Die Libyen-Reise dürfte von Maas trotzdem als positive Erfahrung verbucht werden - nach dem Desaster, das er, die gesamte Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft mit Afghanistan erlebt haben. Dort ist erst vor wenigen Tagen eine deutsche Botschaft geschlossen worden. Und wie in Libyen vor sieben Jahren wurde das Personal evakuiert.
Maas kann sich aber vorstellen, dass es auch in Kabul wieder eine diplomatische Vertretung geben wird. Jedenfalls sei das das Ziel, das allerdings von der Sicherheitslage in Kabul und vom Verhalten der Taliban-Regierung abhängen werde. Außerdem müsse man sich international abstimmen: "Wir werden dort keine isolierte Entscheidung treffen."