Fragen und Antworten Die wichtigsten Fragen zum Libyen-Konflikt
Berlin/Tripolis (dpa) - Tausende ausländische Kämpfer, Streit über die rechtliche Grundlage für Wahlen, Misstrauen unter Politikern und Milizen: In Reichweite ist ein dauerhafter Frieden in Libyen noch lange nicht.
Der ölreiche Wüstenstaat steckt tief in den Nachwehen jahrelanger Kämpfe - erneute Gefechte nicht ausgeschlossen. Anderthalb Jahre nach einer internationalen Konferenz in Berlin zum Konflikt haben Bundesregierung und UN zum nächsten Treffen geladen, auch "Berlin II" genannt. Die wichtigsten Fragen:
Worum geht es im Libyen-Konflikt?
Libyens Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi war vor zehn Jahren mit westlicher Hilfe gestürzt worden. Daraufhin brach ein Machtkampf verschiedener politischer Lager und verbündeter Milizen aus. Die international anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch mit Sitz in Tripolis stand einer Regierung im Osten gegenüber, verbündet mit dem mächtigen General Chalifa Haftar. Beide Seiten und verbündete Milizen kämpften um Macht und Einfluss. Militärisch hat sich die Lage aber abgekühlt. Größere Gefechte gab es seit einem Jahr nicht, seit Oktober gilt eine Waffenruhe.
Welche Länder mischen in Libyen mit?
Befeuert wird der Konflikt seit Jahren von außen. Tausende Kämpfer, Soldaten und Söldner kamen ins Land - im Dezember waren es laut UN immer noch 20.000. Trotz eines seit 2011 geltenden UN-Waffenembargos gelangten auch massenhaft Waffen und schweres militärisches Gerät ins Land. Haftar wird von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt. Viele westliche Staaten und die Türkei unterstützten dagegen die Sarradsch-Regierung in Tripolis.
Die Staaten verfolgen unterschiedliche Interessen. Die Türkei etwa, deren Truppen eine Offensive von Haftars Armee auf Tripolis stoppten, profitiert vom Zugang zu libyschen Energievorkommen. Ankara will aber auch den Einflussbereich anderer Staaten zurückdrängen, die es im Mittelmeerraum als Gegner empfindet, darunter Ägypten und die Emirate. Moskau wiederum will seinen Einfluss in Nahost und Afrika ausdehnen. Vermutet wird auch, dass Russland Energie-, Militär- und Infrastrukturverträge in Milliardenhöhe zurückgewinnen will, die dem Land beim Sturz Gaddafis entgangen sind.
Vor welchen Problemen steht das Land heute?
Eine Übergangsregierung versucht mit Hilfe der UN, nach Jahren des Bürgerkriegs einen friedlichen Wandel einzuleiten. Unter Führung von Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba hatte diese die zwei Regierungen aus Ost und West abgelöst. Der Prozess kommt aber nur schleppend voran, auch weil das Land politisch und militärisch gespalten ist und zahlreiche Institutionen, darunter auch die Zentralbank, wieder vereint werden müssen.
Die Liste der Probleme ist noch länger: Bislang gibt es keinen Konsens für einen rechtlichen Rahmen für die im Dezember geplante Parlamentswahl. Ein von der UN berufener Rechtsausschuss konnte sich bislang nicht darauf einigen, wer künftig den Präsidenten wählen soll - das Volk oder das Parlament. Unklar ist, ob die Wahlen wie geplant am 24. Dezember überhaupt stattfinden werden. Milizen, Politiker und militärische Akteure wollen zudem ihren Einfluss wahren und könnten dem Prozess unter UN-Schirmherrschaft neue Steine in den Weg legen. Wann die ausländischen Kämpfer abziehen könnten, ist auch unklar.
Wie geht es den Menschen im Land?
Die Sicherheitslage hat sich in dem nordafrikanischen Land zwar etwas verbessert. Die Lebensbedingungen und die Versorgung etwa mit Strom und Wasser sind für die Mehrheit der Libyer aber weiter schlecht. Korruption und Vetternwirtschaft sind weit verbreitet. Nach Angaben des norwegischen Flüchtlingsrates sind 1,3 Millionen Menschen im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele Libyer können sich demnach zudem den Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser nicht leisten.
Was wurde auf der Berliner Konferenz besprochen?
Deutschland und die UN haben Vertreter der beteiligten Länder in Berlin erneut an einen Tisch gebracht, darunter die Türkei und Russland, aber etwa auch die USA und Frankreich. Die Länder haben sich in einer Erklärung zum Abzug ausländischer Kämpfer verpflichtet und dazu, am 24. Dezember tatsächlich freie und faire Wahlen abzuhalten. Die Zusage vom Mittwoch, den Konflikt nicht von außen militärisch oder etwa durch die Rekrutierung von Söldnern anzuheizen, gab es allerdings auch schon bei der ersten Berliner Konferenz Anfang 2020.