"Pushbacks" und Betrug? Kritik an EU-Grenzschutzagentur Frontex wird lauter
Berlin (dpa) - Die Kritik an der EU-Grenzschutzagentur Frontex wird immer lauter. Frontex steht unter anderem wegen Vorwürfen illegaler Zurückweisungen von Schutzsuchenden (Pushbacks) auf Migrantenbooten in der griechischen Ägäis im Fokus.
Zudem ermittelt die EU-Antibetrugsbehörde Olaf gegen die Agentur. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Samstag auf, bis zur lückenlosen Aufklärung der Vorwürfe alle deutschen Beamten aus der EU-Grenztruppe zurückzuziehen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) verlangte eine bessere Überwachung möglicher Grundrechtsverletzungen bei Frontex.
"UNHCR ist beunruhigt und alarmiert über die Zunahme von Berichten über Zurückweisungen und "Pushbacks" von Flüchtlingen und Asylsuchenden an Europas Land- und Seegrenzen", sagte die Vertreterin von UNHCR in Deutschland, Katharina Lumpp, der dpa. Medienberichten zufolge haben griechische Grenzschützer mehrfach Boote mit Migranten zurück in Richtung Türkei getrieben. Flüchtlingsorganisationen kritisieren, dass Teilnehmer-Schiffe der Frontex-Mission teils in der Nähe waren oder von solchen Aktionen wussten. Frontex-Chef Fabrice Leggeri hatte diese Vorwürfe bereits Anfang Dezember im Innenausschuss des EU-Parlaments zurückgewiesen.
Als Mitglied eines unabhängigen Konsultationsforums, das Frontex zu Grundrechten und Flüchtlingsschutz berät, habe das UNHCR "wiederholt auf Mängel im Frontex-Meldeverfahren für solche schwerwiegenden Vorfälle hingewiesen und Frontex aufgefordert, ein zuverlässiges Melde- und Überwachungssystem für Grundrechtsverletzungen einzurichten", so Lumpp. "Vorfälle von Zurückschiebungen und Gewalt gegenüber Schutzsuchenden wären nicht nur inakzeptabel, sondern auch rechtswidrig." UNHCR begrüße den Vorschlag der EU-Kommission, hier unabhängige nationale Überwachungsmechanismen einzuführen.
Die Organisation Pro Asyl warf Frontex vor, fundamentale Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns systematisch missachtet zu haben. "Die Agentur ist eine Persiflage einer rechtsstaatlichen Polizei", sagte Geschäftsführer Burkhardt. Angesichts der Kritik an Frontex-Chef Leggeri meinte er, der Austausch einer Person an der Spitze wäre nur ein "Alibihandeln". "Wir fordern einen Totalabriss."
"Auch das Versagen der EU-Kommission und der Innenministerien der EU-Länder muss aufgeklärt werden", verlangte Burkhardt. Sie würden seit Jahren illegale Praktiken kennen, ohne zu handeln. An die Adresse Seehofers gewandt fügte er hinzu, der Innenminister habe angesichts der gegen Frontex erhobenen gravierenden Vorwürfe eine "Fürsorgepflicht" gegenüber den in der Frontex-Mission eingesetzten deutschen Polizeibeamten. Er müsse dafür sorgen, "dass sie nicht in kriminelle Machenschaften einer EU-Agentur involviert werden". Zudem plädierte er für einen Untersuchungsausschuss des Europaparlaments, um mögliche Aufsichtsversäumnisse der EU-Kommission aufzuklären.
Auch die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, forderte eine bessere parlamentarische Kontrolle von Frontex. Die Agentur müsse "neu aufgestellt werden", sagt sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die EU-Staaten hätten Frontex in den vergangenen Jahren mit "immer mehr Mitteln und Kompetenzen aufgeblasen, aber auf eine Kontrolle dieser wildwüchsigen Grenzagentur verzichtet".
Bis 2027 soll die Behörde von ehemals rund 1500 Beamten auf eine ständige Reserve mit bis zu 10.000 Beamten ausgebaut werden.