Dritter Impfstoff Dritter Corona-Impfstoff in der EU zugelassen
Amsterdam/Brüssel/Berlin (dpa) - Nach dem holprigen Start der Corona-Impfungen wächst nun die Hoffnung auf mehr Tempo. Als dritter Impfstoffhersteller erhielt am Freitagabend der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca die Zulassung für die Europäische Union.
Zwei weitere Hersteller meldeten zudem vielversprechende Testergebnisse. "Jeder Impfstoff wird einen Unterschied machen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn in Berlin. Der deutsche Impfgipfel am Montag soll zusätzlichen Schub bringen.
Allerdings gab es von einem weiteren Hersteller einen Dämpfer: Auch der US-Konzern Moderna liefert nach italienischen Angaben im Februar vorübergehend weniger. Das Unternehmen bestätigte am Freitagabend "kurzfristig angepasste Lieferschätzungen". Diese sollen aber bald wettgemacht sein. Alle Lieferverpflichtungen im ersten Quartal würden eingehalten, hieß es.
Astrazeneca versprach ebenfalls, sich um ein Ende seiner Lieferprobleme zu bemühen. "Wir arbeiten rund um die Uhr, um die Kapazität zu erhöhen", sagte Unternehmenschef Pascal Soriot vor Journalisten. Man versuche wirklich alles, um Tempo zu machen.
Die EU-Kommission hat mit dem britisch-schwedischen Konzern einen Rahmenvertrag zur Lieferung von bis zu 400 Millionen Impfdosen. Doch hatte das Unternehmen überraschend mitgeteilt, im ersten Quartal nur 31 statt 80 Millionen Dosen zu liefern. Seither streitet die EU mit dem Konzern, um die Kürzung zumindest teilweise rückgängig zu machen.
Immerhin hat Astrazeneca nun die Zulassung für die EU - und zwar für Erwachsene ab 18 Jahren ohne Altersbegrenzung. Die EU-Kommission folgte am Freitagabend einer entsprechenden Empfehlung der EU-Arzneimittelbehörde EMA. Auch wenn nur es nur vergleichsweise wenige Testpersonen über 55 Jahre gegeben habe, sei dies zu vertreten, erklärte die EMA in Amsterdam. Sie begründete dies mit guten Testergebnissen bei den übrigen Altersgruppen sowie Erfahrungswerten mit anderen Impfstoffen. Astrazeneca begrüßte dies.
In Deutschland empfahl die Ständige Impfkommission jedoch, den Astrazeneca-Impfstoff vorerst nur Erwachsenen unter 65 Jahren zu geben, weil für Ältere zu wenig Testdaten vorlägen. Abgesehen von dieser Einschränkung sei das Vakzin zum Individualschutz und zur Bekämpfung der Pandemie geeignet.
Gesundheitsminister Spahn sagte in Berlin, auch wenn das Astrazeneca-Vakzin nur bei Jüngeren von 18 bis 64 eingesetzt werde, werde es trotzdem von großem Nutzen an sein. Selbst mit der Lieferkürzung von Astrazeneca hätte Deutschland nach seinen Worten im Februar drei Millionen Impfdosen von dem Konzern zu erwarten. Diese seien bei der Terminvergabe noch nicht verplant. Der CDU-Politiker räumte aber ein: "Der Start der Impfkampagne war schwierig." Es stünden auch noch harte Wochen der Impfstoffknappheit bevor.
Deswegen steht auch die EU-Kommission in der Kritik, die im Namen der 27 Staaten mit den Herstellern verhandelt hatte. Unter anderen monierte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im ZDF, dass zu spät bestellt worden sei.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies solche Vorwürfe zurück. Die EU-Kommission habe den Vertrag mit Astrazeneca rechtzeitig abgeschlossen, sagte sie im Deutschlandfunk. Sie bekräftigte auch, die Bestellung der EU sei verbindlich und nicht mit Einschränkungen versehen: "Der Vertrag ist glasklar." Sie verlange von Astrazeneca Transparenz und Planungssicherheit.
Nach Rücksprache mit dem Unternehmen veröffentlichte die Kommission eine in Teilen geschwärzte Fassung des Vertrags. Allerdings leistete sich die Brüsseler Behörde dabei eine peinliche Panne: Einige der geschwärzten Passagen in dem Dokument waren in einer ersten Version über die Lesezeichen-Funktion des Acrobat Reader lesbar. Es handele sich um einen technischen Fehler, hieß es aus Kommissionskreisen. Die veröffentlichte Version wurde später ersetzt. "Das ist sehr unglücklich und besorgniserregend", sagte Astrazeneca-Chef Soriot. Mehr könne man dazu nicht sagen.
Von der Leyen verteidigte auch die Strategie, Impfstoffe in Europa mit einer regulären Zulassung auf den Markt zu bringen statt mit Notfallzulassungen wie in Großbritannien und den USA. Es dürfe "keine Abkürzung bei der Sicherheit" geben.
Ein möglicher nächster Kandidat für eine Zulassung könnte das Vakzin des US-Konzerns Johnson & Johnson sein. Nach Zwischenergebnissen von Tests bietet sein Impfstoff vier Wochen nach Verabreichung einen 66-prozentigen Schutz vor mittleren oder schweren Covid-19-Krankheitsverläufen. Die Besonderheit bei diesem Impfstoff ist, dass er nur einmal gespritzt werden müsste und nicht zweimal. Die EU hat 200 Millionen Dosen bei Johnson & Johnson bestellt.
Auch der der US-Hersteller Novavax hat inzwischen vorläufige Testergebnisse für seinen Impfstoffkandidaten: Sie belegen eine Wirksamkeit von rund 90 Prozent Wirksamkeit gegen Covid-19, wie das Unternehmen mitteilte. Die EU hat Sondierungsgespräche mit der Firma abgeschlossen und ist in Vertragsverhandlungen. Zum Stand wollte ein Kommissionssprecher am Freitag nichts sagen.