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Unentschlossen, uneinheitlich, unbeliebt – Boris Johnsons und das Corona-Desaster


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Unentschlossen, uneinheitlich
Johnsons Zaudern treibt Großbritannien ins Corona-Desaster


Aktualisiert am 06.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Boris Johnson: Hier verkündet der Premierminister neue Corona-Regeln für Großbritannien. (Quelle: reuters)

Boris Johnson versagt erneut bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Seine Regierung agiert planlos und rennt den dramatischen Entwicklungen in Großbritannien permanent hinterher.

Zeit, seinen Last-Minute-Brexit-Deal zu feiern, hatte Boris Johnson noch nicht. Großbritannien steht vor dem Corona-Desaster und der Premierminister muss letztendlich anordnen, was er unbedingt vermeiden wollte: einen harten Lockdown in England. Viel zu spät, kritisieren Experten – aber auch immer mehr Mitglieder seiner eigenen Partei.

Johnsons Corona-Politik ist gekennzeichnet von Zaudern, von Unentschlossenheit und vom Verschieben anstatt Agieren. Der Preis dafür ist hoch – wirtschaftlich und menschlich. Da hilft es wenig, dass Johnson den neuen Lockdown gewohnt eloquent, eindringlich, überzeugend und emotional begründet. "Bleiben Sie zu Hause, schützen Sie den (Gesundheitsdienst) NHS, retten Sie Leben", erklärte er am Dienstag.

Die verschärften Maßnahmen kommen zu spät

Zuletzt hatte Großbritannien immer neue Rekorde bei den Neuinfektionen verkündet. Die Zahl der Todesfälle hat um 20 Prozent zugelegt. Die in Großbritannien entdeckte Corona-Variante, die womöglich bis zu 70 Prozent ansteckender ist als die bisher bekannte, treibt das Infektionsgeschehen unerbittlich an. Mit mehr als 76.000 Corona-Todesopfern zählt Großbritannien zu den am schwersten von der Pandemie betroffenen Ländern weltweit. Am Dienstag wurden mehr als 60.000 Neuinfektionen und 874 Todesfälle gemeldet. Rund 27.000 Infizierte werden derzeit stationär behandelt.

Doch die verschärften Maßnahmen kommen – wie so oft in Johnsons Regierungszeit – zu spät. Auch seine Anordnung für England kam erst nach dem Beschluss Schottlands, bis Ende Januar in den Lockdown zu gehen. Wie bei der ersten Infektionswelle im März vergangenen Jahres habe Johnson viel zu lang mit einschneidenden Maßnahmen gezögert, werfen Experten ihm vor.

"Warum macht die Regierung buchstäblich gar nichts?"

Christina Pagel, Direktorin der Abteilung für klinische Forschung des University College London, schilderte vor Johnsons Lockdown-Entscheidung in einer eindrücklichen Tweet-Serie, wie dramatisch die Entwicklung und das Versagen der Regierung ist. Pagel schrieb, dass jetzt schon 8.000 mehr Menschen mit einer Corona-Erkrankung in den Krankenhäusern seien, als beim Höchststand der Pandemie im April (40 Prozent mehr). Und dieser Höchststand damals sei drei Wochen nach dem Lockdown im März erreicht worden. Am Ende fragt Pagel frustriert: "Warum macht die Regierung buchstäblich gar nichts?"

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Johnsons Corona-Politik ist gekennzeichnet von Kehrtwenden:

► Schon vor über einer Woche haben Experten – auch die der Regierung – eindringlich gefordert, die Schulen in England Anfang Januar auf keinen Fall zu öffnen. Johnson hielt jedoch an seinem Plan fest, erklärte sogar am 3. Januar noch in der BBC: "Schulen sind sicher." Einen Tag später verkündete er den neuen Lockdown, damit verbunden auch die Schließung der Schulen in England.

► Bereits vor drei Wochen informierten die britischen Behörden die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über eine neue Variante des Coronavirus. Die Mutation ist möglicherweise bis zu 70 Prozent ansteckender als die ursprüngliche. In der Folge stiegen die Infektionszahlen in Großbritannien rasant an. Für kurze Zeit verhängten die EU und andere Länder sogar einen Einreisestopp für Briten. Doch Johnson konnte sich zu keinem einheitlichen Vorgehen im gesamten Vereinigten Königreich durchringen. Stattdessen wurden immer wieder lokal begrenzte Lockdowns in den einzelnen Landesteilen verhängt und die Beschränkungen in den besonders betroffenen Regionen wie im Raum London ein ums andere Mal im Detail verschärft.

► Trotz extremer Infektionszahlen und Warnungen von Experten wollte Johnson in keinem Fall "Weihnachten absagen" – nur um nach den Feiertagen noch schärfere Corona-Maßnahmen einzuführen und schließlich den harten Lockdown in England.

Johnson plant nicht voraus und trifft keine Vorsichtsmaßnahmen

Johnsons Regierung wiederholt immer wieder denselben Fehler: Sie befasst sich erst mit dem schlimmsten möglichen Szenario, wenn es eingetroffen ist. Sie plant nicht voraus und trifft auch keine Vorsichtsmaßnahmen. Der überwiegende Teil der britischen Bevölkerung unterstützt laut einer Umfrage einen weiteren Lockdown zur Eindämmung der Pandemie.

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Doch Johnson musste über eine Woche überlegen, ob er einen erneuten Lockdown verhängt, obwohl nahezu alle Experten sofortige und rigorose Maßnahmen gefordert haben, um den Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern.

Unzufriedenheit mit Johnson wächst rasant

Die britischen Zeitungen "The Times" und "The Guardian" berichten von mehreren konservativen Abgeordneten, die – anonym – ihre Unzufriedenheit mit der Johnson-Regierung ausdrücken. Öffentlich deutlich wurde Jeremy Hunt, der ehemalige Außen- und Gesundheitsminister, der bereits vor Johnsons Entscheidung auf Twitter forderte: "Wir müssen Schulen und Grenzen schließen und alle Treffen von verschiedenen Haushalten sofort verbieten."

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Laut YouGov-Umfragen ist Johnsons Beliebtheitswert von 66 Prozent im April auf 37 Prozent im Dezember abgestürzt. Auf die Frage, ob Johnson entschlossen oder unentschlossen handelt, antworteten Ende November 65 Prozent der Befragten bei YouGov mit unentschlossen, nur 25 Prozent mit entschlossen.

Kaum jemand trauert Johnsons Topberater Dominic Cummings hinterher, der im November seinen Posten räumen musste. Doch eines war Cummings immer wichtig: klare Entscheidungen – auch wenn die unter und mit ihm selten demokratisch zustande kamen. In der Corona-Krise wünschen sich viele Briten einen Macher und Entscheider an der Spitze ihres Königreichs. Johnson scheint dieser Mann nicht zu sein.

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