Prozess in London Wikileaks-Gründer Assange darf nicht an die USA ausgeliefert werden
Die Entscheidung zog sich lange hin, nun hat ein Gericht in London entschieden: Julian Assange darf nicht an die USA ausgeliefert werden. Ihm drohen dort bis zu 175 Jahre Haft.
Ein Gericht in London hat den US-Auslieferungsantrag für Wikileaks-Gründer Julian Assange am Montag abgelehnt. Richterin Vanessa Baraitser begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde.
Erwartet wurde, dass die USA Berufung gegen das Urteil einlegen. Dem 49-Jährigen hätten in den USA im Fall einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft gedroht. Mexiko bot Assange derweil politisches Asyl an.
Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Der 49-Jährige habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.
Snowden: Gefährlichste Bedrohung der Pressefreiheit seit Jahrzehnten
Der Whistleblower Edward Snowden lobte das Urteil. Bei Twitter schrieb er: "Vielen Dank an alle, die sich gegen eine der gefährlichsten Bedrohungen der Pressefreiheit seit Jahrzehnten eingesetzt haben."
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte "mit Freude und Erleichterung". Der Richterspruch sei ein wichtiger Erfolg "für alle Journalistinnen und Journalisten, die mit brisantem Material arbeiten, an dessen Veröffentlichung Mächtige kein Interesse haben", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) betonte, dass eine Entscheidung für eine Auslieferung einer "Bankrotterklärung des Rechtsstaats" gleichgekommen wäre.
Richterin: Fall ist nicht politisch motiviert
Auch der außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, sagte, die Ablehnung der Auslieferung "ist ein wichtiger Schritt zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, im Interesse der Pressefreiheit und zu demokratischer Stabilität". Assange müsse so schnell wie möglich entlassen werden.
Allerdings machte die Richterin deutlich, dass der Fall nicht politisch motiviert sei. Assanges Verhalten sei über das normale Verhalten eines investigativen Journalisten hinausgegangen. Er sei sich der Gefahr für Informanten bewusst gewesen, als er deren Namen in den veröffentlichten Dokumenten nicht schwärzte. "Das Recht auf freie Meinungsäußerung bietet Menschen wie Herrn Assange keinen uneingeschränkten Ermessensspielraum, um über das Schicksal anderer zu entscheiden", sagte die Richterin.
Kein faires Verfahren in den USA befürchtet
Der Rechtsstreit dürfte jedoch vorerst in Großbritannien weitergehen, denn gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden. Nach einer weiteren Instanz könnte das Verfahren vor den britischen Supreme Court gehen und schließlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beschäftigen. Menschenrechtler, Politiker und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen hatten zuvor gewarnt, Assange würde in den USA kein faires Verfahren bekommen.
Der Wikileaks-Gründer saß bereits seit rund eineinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt. Angesichts der Corona-Pandemie durfte er nur sehr eingeschränkt Besuch empfangen, auch Telefonate nach draußen waren nicht unbegrenzt möglich. Wegen eines Corona-Ausbruches im Gefängnis wurde zeitweise ein ganzer Block unter Quarantäne gestellt. Familienmitglieder sorgten sich seit langer Zeit um Assanges psychischen und gesundheitlichen Zustand.
Nach der Entscheidung vom Montag in London bot Mexiko Julian Assange politisches Asyl an. Das Außenministerium solle das entsprechende Prozedere einleiten und die britische Regierung über das Asylangebot informieren, sagte der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador am Montag vor Journalisten.
- Nachrichtenagentur dpa