Corona-Berater des US-Präsidenten Fauci warnt vor "wirklich schwerwiegenden" Konsequenzen
Anthony Fauci berät US-Präsident Trump in der Corona-Krise. Bei einer Anhörung vor dem Senat warnte er eindrücklich vor einem zu schnellen Vorgehen in den USA. Trump pocht unterdessen weiter auf Lockerungen.
In den USA zeigt sich in der Corona-Krise ein tiefer werdender Graben zwischen dem Präsident Donald Trump und seinem Corona-Chefberater Anthony Fauci. Während Trump weiter auf eine schnelle Lockerung der wegen der Pandemie erlassenen Beschränkungen drängte, warnte Fauci am Dienstag vor den "wirklich schwerwiegenden" Konsequenzen eines zu schnellen Vorgehens. Zugleich zeigte er sich "vorsichtig optimistisch" beim Stand der Impfstoff-Entwicklung.
"Die Menschen wollen, dass unser Land offen ist", sagte Trump am Montag im Weißen Haus. Die USA hätten "enorme Fortschritte" bei der Ausweitung der Tests gemacht, der Anstieg der Neuinfektionen habe sich stark verlangsamt. Es sei essenziell, das Land wieder zu öffnen. Trump hofft, durch eine schnelle Lockerung der Beschränkungen die US-Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen – und so seine Chancen bei der Präsidentschaftswahl im November zu erhöhen.
Fauci warnt vor schnellem Vorgehen
Allerdings warnte der wichtigste Corona-Berater von Trump vor einem zu schnellen Vorgehen: Bei einer Anhörung im Senat in Washington sagte Fauci am Dienstag, es seien Richtlinien entwickelt worden, wann und wie die Beschränkungen gelockert werden könnten. Eine der wichtigsten Voraussetzungen sei, dass über zwei Wochen hinweg die Zahl der Neu-Infektionen deutlich sinke. "Wenn eine Gemeinde oder ein Bundesstaat oder eine Region nicht entsprechend der Richtlinien handelt, könnten die Konsequenzen wirklich schwerwiegend sein."
Der Virologe zeigte sich zudem "vorsichtig optimistisch" hinsichtlich der Aussichten auf einen Impfstoff. Derzeit würden acht potenzielle Impfstoffe klinisch getestet. "Wir haben mehrere Kandidaten und hoffen, mehrere Gewinner zu haben", sagte Fauci. "Mit anderen Worten: Es wird aus mehreren Richtungen aufs Ziel geschossen."
Fauci betonte, dass zwischen ihm und Trump keine Verstimmungen vorlägen. "Es gibt gewiss keine konfrontative Beziehung zwischen mir und dem Präsidenten", sagte Fauci am Dienstag bei der Video-Anhörung. Er berate Trump basierend auf wissenschaftlichen Informationen. Der Präsident höre sich das an, respektiere dies und bekomme auch von anderen Seiten Ratschläge. Andere Experten aus der Corona-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses betonten bei der Anhörung im Senat ebenfalls, es gebe keine Konfrontationen mit Trump. Die Fachleute gäben in der Runde offen ihre Einschätzungen ab, und der Präsident höre zu.
Fauci wiedersprach Trump mehrfach öffentlich
In den vergangenen Wochen hatten sich Mitglieder der Arbeitsgruppe – allen voran Fauci, mehrfach bemüßigt gesehen, Trump bei bestimmten inhaltlichen Aussagen zur Corona-Pandemie öffentlich zu widersprechen. Fauci hatte vor Wochen der Webseite des Fachjournals "Science" gesagt, dass Trump ihm zuhöre – "auch wenn wir in manchen Sachen nicht einer Meinung sind". Trump habe seinen eigenen Stil. "Aber in inhaltlichen Fragen hört er auf das, was ich sage."
Trump selbst hatte Fauci trotz inhaltlicher Meinungsunterschiede auch mehrfach ausdrücklich öffentlich gelobt. Er betonte, er schätze die Experten in seinem Coronavirus-Team sehr und werde weiter auf ihren Rat hören.
Corona-Fälle im Weißen Haus
Fauci befindet sich derzeit in selbst auferlegter häuslicher Quarantäne, weil er Kontakt zu einem Corona-infizierten Regierungsmitarbeiter hatte. Um den Umgang mit Corona-Fällen im Weißen Haus wird seit einigen Tagen gestritten. Trump kündigte nun an, als Schutzmaßnahme seine Kontakte zu Vizepräsident Mike Pence möglicherweise zu reduzieren.
Im Weißen Haus waren in der vergangenen Woche binnen zwei Tagen zwei Corona-Fälle bestätigt worden. Unter anderem wurde Pences Sprecherin Katie Miller, positiv auf das Coronavirus getestet. Der Vizepräsident selbst sei aber negativ auf den Erreger getestet worden, sagte Trump.
Allerdings komme der Vizepräsident "mit vielen Menschen in Kontakt", fügte der Präsident hinzu. Deshalb werde er mit Pence über eine mögliche Einschränkung ihrer Kontakte reden. Für die Mitarbeiter des Weißen Hauses wurde am Montag eine Maskenpflicht verhängt, die Trump selbst nicht befolgte.
Ein Pence-Sprecher hatte am Sonntag mitgeteilt, dass sich der Vizepräsident nicht in Quarantäne begeben habe. Die Äußerungen Trumps am Tag danach deuteten jedoch darauf hin, dass sich Pence möglicherweise doch in häuslicher Isolation befinden könnte. Er habe Pence seit der "Quarantäne-Periode" nicht mehr gesehen, sagte der Präsident.
Die USA sind mit mehr als 80.000 Todesfällen und 1,3 Millionen Infizierten das mit Abstand am stärksten von der Pandemie betroffene Land der Welt. Die wirkliche Zahl liege wahrscheinlich höher, gestand Fauci bei der Video-Anhörung im US-Senat ein. Dies liege unter anderem daran, dass viele Menschen vor allem im besonders hart getroffenen New York gestorben seien, bevor sie ins Krankenhaus gebracht werden konnten.
- Nachrichtenagenturen afp und dpa