Proteste gegen Rentenreform Generalstreik in Frankreich: eine Million gegen Macron
Frankreichs Präsident Macron will das Rentensystem umkrempeln – und bringt damit weite Teile der Bevölkerung gegen sich auf. Ein Generalstreik legt fast das ganze Land lahm.
Massive Streiks gegen die geplante Rentenreform haben in Frankreich den öffentlichen Verkehr fast komplett lahmgelegt. Hunderttausende Menschen gingen im ganzen Land auf die Straße. In der Hauptstadt Paris fuhren am Donnerstag fast keine Metros, die meisten Linien wurden nicht bedient, Bahnhöfe waren geschlossen. Am Rande der Proteste kam es vor allem in der Hauptstadt zu Ausschreitungen.
Die Angaben zur Zahl der Teilnehmer an den landesweiten Protesten schwankte zwischen 806.000 (Innenministerium) und 1,5 Millionen (Gewerkschaft CGT). Die CGT sprach von einer "historischen Mobilisierung". Nach den "Gelbwesten"-Protesten ist die Rentenreform die nächste große Herausforderung für Präsident Emmanuel Macron und ein durchaus heikles Vorhaben.
Auch Sehenswürdigkeiten wie der Eiffelturm blieben zu. Bei der Staatsbahn SNCF legten mehr als die Hälfte der Mitarbeiter die Arbeit nieder. Etliche Lehrer traten ebenfalls in den Ausstand. Auch Reisende in Deutschland waren von den Streiks betroffen.
Zahlreiche Gewerkschaften hatten im Konflikt um die geplante Rentenreform zu den branchenübergreifenden Streiks aufgerufen. Auch in Teilen des öffentlichen Dienstes, in Krankenhäusern und Justizstellen wurde die Arbeit niedergelegt.
Macron will Sonderregeln für bestimmte Arbeitnehmer streichen
Mit der Rentenreform will die Mitte-Regierung die Zersplitterung in 42 Einzelsysteme für bestimmte Berufsgruppen beenden. Sonderregeln, die von anderen oft als Privilegien gewertet werden, gibt es zum Beispiel für Eisenbahner oder Mitarbeiter der Energiewirtschaft. So können Lokführer theoretisch mit Anfang bis Mitte 50 in Rente gehen. Das normale Renteneintrittsalter liegt bei 62 Jahren. Künftig soll ein Punktesystem die Höhe der Rente mitbestimmen. Außerdem soll es Anreize geben, länger zu arbeiten.
In der Hauptstadt Paris versammelten sich zahlreiche Demonstranten zu einem großen Protest. Am Nachmittag kam es vor allem am Place de la République im Zentrum der Stadt zu Krawallen. Vermummte mischten sich unter die Demonstranten, Autos wurden angezündet und Scheiben eingeschlagen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Dutzende Menschen wurden festgenommen. Allein in Paris waren 6.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Auch in anderen Städten des Landes versammelten sich die Menschen - etwa in Nantes, Lyon oder Marseille.
Bahnverkehr massiv betroffen
Die französische Staatsbahn hatte angekündigt, dass nur rund einer von zehn Schnellzügen TGV am Donnerstag fahren werde. An großen Pariser Bahnhöfen herrschte am Morgen gähnende Leere. Nach Angaben der SNCF haben knapp 86 Prozent der Fahrer und 73 Prozent der Schaffner die Arbeit niedergelegt. Auch im Luftverkehr kam es zu Behinderungen. Aktivisten der Umweltbewegung Extinction Rebellion (XR) machten nach eigenen Angaben Tausende E-Tretroller in mehreren französischen Städten fahrunfähig. XR nannte die Roller "Streikbrecher".
Der Streik sollte in den kommenden Tagen weitergehen. Die Pariser Verkehrsbetriebe RATP etwa wollen ihren Ausstand bis mindestens Montag verlängern, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Gewerkschaften berichtete. Auch die SNCF kündigte an, dass der Bahnverkehr am Freitag im ganzen Land wieder "sehr gestört" sein werde. Die französische Zivilluftfahrtbehörde rief die Fluggesellschaften auf, auch am Freitag ihr Flugaufkommen um 20 Prozent zu reduzieren.
Auswirkungen auch auf Deutschland
Der große Streik hatte am Donnerstag auch Auswirkungen auf Reisende in Deutschland. Zugfahrten von und nach Frankreich fielen aus. Betroffen waren etwa die ICE-Verbindungen von Frankfurt über Mannheim und Saarbrücken nach Paris sowie von München über Stuttgart und Straßburg nach Paris, ebenso die TGV-Verbindung Frankfurt-Mannheim-Straßburg-Marseille.
Der Massenprotest trifft auch Paris-Touristen: Im Eiffelturm gab es dem Betreiber zufolge nicht ausreichend Personal, um die Touristenattraktion an der Seine zu öffnen. Der 130 Jahre alte Turm wird jährlich von rund sieben Millionen Menschen besucht. Pariser Museen wie der Louvre hatten bereits vor den Streiks vor Einschränkungen für Besucher gewarnt. Das Impressionisten-Museum Musée d'Orsay blieb ebenfalls zu.
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In Frankreich fürchten nun viele einen Streik wie zuletzt 1995. Da wurde wochenlang gegen die Renten- und Sozialversicherungsreform des damaligen Premierministers Alain Juppé protestiert. Auch der aktuelle Streik könnte sich hinziehen.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa