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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kommunalwahlen in England und Nordirland "Viele Wähler wollen May und die Tories abstrafen"
In vielen Bezirken in England und Nordirland wird am heutigen Donnerstag gewählt. Fünf Fragen an Politikwissenschaftler Nicolai von Ondarza, was diese Wahl so brisant macht.
Überschattet von einem Skandal in ihrer Regierung muss sich die britische Premierministerin Theresa May am heutigen Donnerstag einem wichtigen Stimmungstest stellen. In England und Nordirland werden zahlreiche Bürgermeister und Bezirksverordnete neu gewählt. May muss mit großen Verlusten rechnen. Im Newsblog finden Sie alle Infos zu den Kommunalwahlen und zum Brexit.
Derzeit ringt die Regierungschefin mit der oppositionellen Labour-Partei um eine kompromissfähige Linie zum Brexit. Sie hat sich bis Mitte kommender Woche eine Frist für eine Einigung gesetzt. Was hätte eine neuerliche Klatsche für May für Konsequenzen – für ihre Partei und für den Brexit? Und wer könnte davon profitieren? t-online.de fragte den Großbritannien-Experten Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
t-online.de: Wie schlimm droht diese Abstimmung für May zu werden?
Nicolai von Ondarza: "Das ist schon eine kritische Wahl für sie. Am Donnerstag wird in vielen Bezirken außerhalb Londons gewählt, in denen die Konservativen bislang erfolgreich waren und wo ihnen nun große Stimmenverluste drohen. Über 8.400 Sitze werden neu vergeben, die Konservativen könnten bis zu 800 verlieren. Zahlreiche Wähler, die traditionell an der Seite der Tories stehen, haben angekündigt, die Partei abstrafen zu wollen. Sie wollen zeigen, dass sie den Brexit-Kurs der Regierung nicht länger mitzugehen bereit sind. Denn inzwischen ist eine Mehrheit von ihnen für einen harten Brexit."
Obwohl es um Lokalwahlen geht, überstrahlt der Brexit alles?
"Genau. Es ist das dominierende Thema. Seit Januar beherrscht es wieder die politischen Debatten in Großbritannien. Und für die Tories ist es das Thema, an dem sie gemessen werden."
Nun hat Theresa May kurzfristig ihren Verteidigungsminister Gavin Williamson gefeuert, weil er geheime Informationen an die Presse weitergegeben haben soll. Schadet ihr dieser Skandal zusätzlich?
"Das ist schwer zu sagen, weil der Rauswurf ja erst wenige Stunden her ist. Man kann diesen Vorgang in zwei Richtungen deuten. Man könnte darin ein weiteres Symbol für den fast vollständigen Kontrollverlust der Premierministerin sehen. Man könnte May ihr konsequentes Handeln aber auch als Stärke auslegen. Ich gehe jedoch davon aus, dass der Brexit das wesentlich dominierende Thema sein wird."
Wer könnte von der Schwäche der Konservativen profitieren?
"Vor allem wohl zwei Parteien: Die Liberaldemokraten hatten bei der letzten Kommunalwahl 2015 viele Sitze an die Konservativen verloren, die sie nun zurückgewinnen dürften. Aber auch Labour wird wohl hinzugewinnen. Interessant ist, dass in aktuellen Umfragen zur Europawahl die neue Brexit-Partei von Ex-Ukip-Chef Nigel Farage vorn liegt. Sie darf an den Kommunalwahlen aber noch nicht teilnehmen, ebenso wie die neue Pro-EU-Partei Change UK. Deshalb dürften also vor allem traditionelle Parteien profitieren."
Was würde eine weitere Schlappe für die Konservativen für den Brexit-Prozess und für Premierministerin May bedeuten?
"Die Wahlen haben bereits dazu geführt, dass sich Konservative und Labour in ihren Verhandlungen nicht aufeinander zubewegen. Labour-Chef Jeremy Corbyn will zunächst das Ergebnis abwarten. Auch die Tories halten sich zurück. Das ist einer der Gründe, wieso es bislang keine Einigung gibt. Laut Medienberichten strebt Theresa May bis Mitte kommender Woche einen Kompromiss an. Ich bin da aber skeptisch.
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Interessant wird sein zu sehen, was mit Theresa May passiert. Eine Gruppe konservativer Parteimitglieder unternimmt derzeit einen Versuch, sie zu einer Vertrauensabstimmung auf einem außerordentlichen Parteitreffen zu zwingen. Ein solches Votum hätte freilich nur symbolischen Charakter, weil ihr die Partei erst im Dezember das Vertrauen ausgesprochen hat, was laut Parteistatuten nur einmal in zwölf Monaten geschehen darf. Auch steht die Parlamentsfraktion, die May zu einem Rücktritt zwingen könnte, bislang hinter ihr. Der Druck auf die Premierministerin würde bei einem schlechten Wahlergebnis aber weiter wachsen."