Kurden wollen internationales Tribunal Seehofer nennt Bedingungen für Rückkehr von IS-Kämpfern
Hunderte IS-Kämpfer sind in kurdischer Gefangenschaft, darunter 40 Deutsche. Was soll mit ihnen geschehen? Vertreter der Kurden fordern internationale Sondergerichte. Horst Seehofer stellt Bedingungen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will Kämpfer der Terrororganisation IS und ihre Familien nur dann nach Deutschland zurückkehren lassen, wenn ihre Identität zweifelsfrei geklärt ist und sie kein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellen. "Im Interesse der Sicherheit unseres Landes muss die Bundesregierung für die Rückkehr von ehemaligen IS-Kämpfern, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, Bedingungen setzen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Jeder Einzelfall müsse vor Ort geklärt werden, "bevor irgendjemand ins Flugzeug gesetzt wird".
Schon vor der Rückkehr müsse es Klarheit über jede Personalie und über Strafverfolgungsansprüche anderer Staaten geben. Zudem will Seehofer verhindern, dass IS-Kämpfer, die schwerer Straftaten verdächtigt werden, in Deutschland abtauchen. "Wir müssen klipp und klar wissen, welche Ermittlungsergebnisse es in Deutschland gegen die jeweilige Person gibt", sagte er. "Ich möchte keine gefährlichen Leute aufnehmen, wenn wir nicht die Sicherheit gewährleisten können, dass wir sie hier zum Beispiel wieder in Haft nehmen können, weil sie mit einem Haftbefehl gesucht werden.
Syriens Kurden haben derweil die Vereinten Nationen aufgerufen, in dem Bürgerkriegsland internationale Sondergerichte für gefangene Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einzurichten. Die Heimatländer der Dschihadisten hätten bisher nicht auf die Forderung reagiert, die IS-Anhänger zurückzuholen, sagte der Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte, Mustafa Bali. Im Norden Syriens gebe es keine Möglichkeiten zur juristischen Verfolgung.
Wohl mindestens 40 Deutsche in Gefangenschaft
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte zunächst ein Internationaler Militärgerichtshof in Nürnberg erstmalig in der Geschichte Kriegsverbrechen geahndet. Auf der Anklagebank saßen die führenden Köpfe der Nationalsozialisten. Später wurden nach den Jugoslawien-Kriegen auch von den Vereinten Nationen internationale Tribunale eingerichtet, um Kriegsverbrechen zu verhandeln.
Deutsche Sicherheitsbehörden gehen nach dpa-Informationen bisher von gut 40 im syrischen Kurdengebiet gefangenen IS-Kämpfern mit deutschem Pass aus. Darunter seien Menschen, die entweder nur die deutsche Staatsangehörigkeit oder diese und eine weitere hätten, hieß es. Einen genauen Überblick über die Personalien und die Aufenthaltsorte haben die Behörden demnach allerdings noch nicht. Die Zahl könne sich im Laufe der Zeit noch erhöhen.
Insgesamt gehen die Behörden nach diesen Informationen von rund 100 Personen mit IS-Hintergrund aus, die im deutschen Fokus sind, darunter Frauen. Hinzu kommen noch dutzende Kinder. Gegen 18 der etwa 40 im Kurdengebiet festgesetzten und identifizierten IS-Anhänger lägen deutsche Haftbefehle vor. Nach diesen Informationen kommen die meisten dieser Erkenntnisse vom Bundesnachrichtendienst.
Insgesamt rund 1.300 Kämpfer in Gefangenschaft
Die Forderung nach einem UN-Tribunal werde geprüft, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Dem Kurden-Sprecher zufolge haben die SDF bisher insgesamt rund 1.300 ausländische IS-Kämpfer gefangen genommen, Iraker ausgenommen.
US-Präsident Donald Trump hatte europäische Länder wie Deutschland via Twitter dazu aufgerufen, mehr als 800 in Syrien gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Falls die Verbündeten nicht reagierten, seien die USA gezwungen, die Kämpfer auf freien Fuß zu setzen. Diese sind allerdings nicht in US-Gewahrsam, sondern in der Gewalt kurdischer Kräfte. Die Bundesregierung hatte verhalten auf die Forderung reagiert. Außenminister Heiko Maas hatte es als "außerordentlich schwierig" bezeichnet, die deutschen IS-Anhänger auch in Deutschland vor Gericht zu stellen.
Derzeit ist laut Angaben der Justizministerin Katarina Barley ein vom Innenministerium vorgelegter Gesetzentwurf zur Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Dschihadisten mit Doppelstaatsbürgerschaft in Abstimmung. "Ich bin mir mit meinem Kollegen Horst Seehofer einig, dass wir dieses konkrete Vorhaben zeitnah umsetzen werden", sagte sie. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass Deutsche mit doppelter Staatsangehörigkeit den deutschen Pass verlieren sollen, wenn ihnen die konkrete Beteiligung an Kämpfen einer Terrormiliz im Ausland nachgewiesen wird.
Opposition fordert Rückholung der Kämpfer
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour forderte eine grundsätzliche Bereitschaft, sich um die eigenen Staatsbürger zu kümmern, auch wenn technische Probleme noch angegangen werden müssten, wie er dem Sender n-tv sagte. Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke forderte, die Bundesregierung müsse die Rückholung der gefangenen deutschen Kämpfer und ihrer Familien einleiten. Zu dem Thema sagte der AfD-Abgeordnete Roman Reusch: "Es ist logisch, dass sich der deutsche Staat um seine Staatsbürger in jeder Hinsicht zu kümmern hat."
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Auch in anderen europäischen Ländern läuft eine Debatte, ob und unter welchen Voraussetzungen IS-Kämpfer aufgenommen werden sollen. Paris hatte bereits im Januar angekündigt, 130 IS-Anhänger zurückzuholen. Ablehnend äußerte sich der britische Innenminister Sajid Javid schon vor dem Appell Trumps: "Meine Botschaft ist klar – falls jemand Terrororganisationen im Ausland unterstützt hat, werde ich nicht zögern, seine Rückkehr zu verhindern." Auch Dänemark prüft den Entzug der Staatsbürgerschaft.
- Nachrichtenagentur dpa