Migration Neue Hängepartie in Italien mit Bootsflüchtlingen
Catania/Berlin (dpa) - Die Bundesregierung zögert mit einer möglichen Übernahme von Migranten eines italienischen Rettungsschiffs. Die 177 Flüchtlinge harrten am Mittwoch den zweiten Tag in Folge auf dem Küstenwachenschiff "Diciotti" im Hafen von Catania in Sizilien aus.
Die Europäische Kommission hat sich mit einem Aufnahmeersuchen auch an Deutschland gewandt. Eine Entscheidung über eine Aufnahme sei aber noch nicht getroffen, hieß es am Mittwoch aus dem Bundesinnenministerium in Berlin.
Deutschland stehe zwar grundsätzlich zu seiner "humanitären Verantwortung im Rahmen der europäischen Solidarität". Eine Sprecherin sagte, die Bundesregierung erwarte aber, dass sich auch andere Mitgliedstaaten an einer Aufnahmeaktion beteiligten. Sie betonte: "Solidarität kann keine Einbahnstraße sein."
Italien hatte Brüssel am Sonntag aufgefordert, EU-Länder zu finden, die bereit sind, Migranten zu übernehmen. Erst dann will Innenminister Matteo Salvini die Menschen an Land gehen lassen. An Bord sind laut Hilfsorganisationen rund 30 unbegleitete Minderjährige. 29 Kinder dürften von Bord, erklärte Salvini. Der Rest allerdings nicht.
Die populistische Regierung in Rom hatte bereits mehreren Schiffen mit Flüchtlingen das Anlegen in Italien verweigert beziehungsweise erst nach tagelangen Hängepartien gestattet.
Eine Sprecherin der EU-Kommission wiederholte in Brüssel die Aussagen der Vortage: Man sei noch immer im Gespräch mit den EU-Staaten und rufe jeden dazu auf, sich an einer schnellen Lösung zu beteiligen. "Vorrangig sollte natürlich für alle sein, sicherzustellen, dass diese Menschen die Versorgung erhalten, die sie brauchen."
Laut EU-Kommission bekommt Italien zwischen 2014 und 2020 zur Bewältigung der Migration mehr als 850 Millionen Euro aus EU-Mitteln. Zusätzlich zu gut 650 Millionen Euro aus regulären EU-Fonds seien mittlerweile mehr als 200 Millionen Euro Soforthilfe bereitgestellt worden. Am Dienstag seien weitere 9 Millionen Euro zur Versorgung von Asylbewerbern und Schutzberechtigten vergeben worden. Das Geld soll vor allem die medizinische Lage von mehr als 42 000 Menschen in den Aufnahmelagern etwa in der Toskana und auf Sizilien verbessern.
Ärzte ohne Grenzen forderte die italienische Regierung auf, die Menschen schnellstmöglich an Land gehen zu lassen. Helfer warteten darauf, "dringend benötigte" psychologische Hilfe zu leisten, erklärte die Hilfsorganisation auf Twitter.
Die Menschen waren vergangenen Donnerstag von einem Boot in der Such- und Rettungszone Maltas aufgenommen und auf das Schiff der italienischen Küstenwache gebracht worden. Nachdem Malta der "Diciotti" das Anlegen verweigert hatte, durfte das Schiff am Montagabend in den Hafen von Catania fahren.
Unterdessen rettete das maltesische Militär am Mittwochmorgen 100 Migranten von einem Boot südlich des Inselstaats. Gefunden wurden an Bord des Bootes auch zwei Leichen.
Malta und Italien liefern sich seit Wochen Gefechte um die Verantwortung für die Aufnahme geretteter Flüchtlinge. Auf der Mittelmeerinsel werden auch mehrere deutsche Seenotrettungsschiffe wie die "Lifeline" oder "Sea Watch" festgehalten. Maltas Innenminister bekräftigte in einem Interview mit dem MDR-Magazin "Exakt", dass die maltesischen Häfen für Rettungsschiffe von Nichtregierungsorganisationen vorerst geschlossen bleiben sollen: "Wir schließen unsere Häfen solange, bis wir alle notwendigen Informationen haben. Wenn wir dann zufrieden sind, können sie auslaufen." Dabei geht es unter anderem darum, wie die Schiffe registriert sind.
Bei einem neuen Massenansturm afrikanischer Migranten gelangten am Mittwoch mindestens 115 Menschen von Marokko aus in die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta. Sie überwanden gewaltsam den sechs Meter hohen doppelten Grenzzaun, wie ein Sprecher der Regierungsvertretung in Ceuta der Deutschen Presse-Agentur sagte. Sieben Polizisten, die versuchten, die Migranten abzuwehren, seien verletzt worden. In der Nähe von Ceuta sowie der ebenfalls spanischen Nordafrika-Exklave Melilla, 250 Kilometer weiter östlich, harren Zehntausende Afrikaner auf eine Gelegenheit, in die EU zu gelangen.