Präsidentschaftswahl in Frankreich Franzosen stimmen für Macron - und für Europa
Die Franzosen haben mit der Wahl von Emmanuel Macron zum neuen Präsidenten einen Rechtsruck und eine Existenzkrise der Europäischen Union abgewendet. Es ist eine Abfuhr für Marine Le Pen. Der jüngste Präsident aller Zeiten will seinen Landsleuten neues Selbstbewusstsein einimpfen. Doch ihm steht eine neue große Hürde bevor: die Parlamentswahl.
Der liberale Senkrechtstarter setzte sich in der Stichwahl deutlicher als erwartet gegen seine rechtspopulistische Kontrahentin Marine Le Pen durch, die einen klaren Anti-EU-Kurs fährt und Frankreich aus dem Euro führen will.
"Ein neues Kapitel unserer langen Geschichte beginnt heute Abend", sagte Macron. Vor Tausenden jubelnden Anhängern am Pariser Louvre versprach der 39-Jährige, alles zu tun, damit Wähler in Zukunft nicht mehr für die Front National stimmen. Frankreich habe ein neues Kapitel seiner Geschichte aufgeschlagen. "Ich werde die Republik verteidigen."
Macron wird jüngster französischer Präsident aller Zeiten und Nachfolger des sozialistischen Staatschefs François Hollande. Er gewann die Stichwahl mit gut 66 Prozent der Stimmen. Wie das Innenministerium am Montagmorgen mit Verweis auf noch unvollständige Ergebnisse mitteilte, erreichte die Rechtspopulistin Marine Le Pen knapp 34 Prozent.
Die Abstimmung war in ganz Europa mit großer Spannung und Nervosität verfolgt worden. Die 48-jährige Le Pen hatte im Wahlkampf einen Volksentscheid über die EU-Mitgliedschaft versprochen. Das hätte die Europäische Union nach dem Brexit tief ins Mark treffen können. Auch die Achse Berlin-Paris wäre gebrochen.
"Für ein vereinigtes Europa"
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel und die EU-Spitze zeigten sich erleichtert und sicherten dem neuen Staatschef ihre Unterstützung zu. "Ich freue mich, dass sich die französischen Wähler mit Ihrer Wahl mehrheitlich für Weltoffenheit, ein vereinigtes Europa und die enge und freundschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland entschieden haben", schrieb Steinmeier.
Die Kanzlerin freue sich darauf, "im Geist der traditionell engen deutsch-französischen Freundschaft vertrauensvoll mit dem neuen Präsidenten zusammenzuarbeiten", ließ Merkel mitteilen. Der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker twitterte: "Gemeinsam für ein stärkeres und gerechteres Europa."
Viele ungültige Stimmen
Auch US-Präsident Donald Trump gratulierte dem designierten Amtskollegen in Paris, nachdem er im Wahlkampf auf Le Pen gesetzt hatte.
Ipsos schätzte die Wahlbeteiligung auf knapp 75 Prozent. Das war deutlich weniger als in der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen, als sie noch bei rund 77,8 Prozent gelegen hatte. 4,2 Millionen Franzosen hätten leere Wahlumschläge oder ungültige Wahlzettel abgegeben. Das sind 8,9 Prozent der mehr als 47 Millionen Wahlberechtigten und so viele wie noch nie in Frankreich.
Le Pen räumte am Abend ihre Niederlage ein. Sie bezeichnete ihr Ergebnis jedoch als historisch. Elf Millionen Franzosen hätten sie gewählt. In der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen waren es noch 7,7 Millionen. Es ist in jedem Fall das beste Ergebnis in der Geschichte des Front National.
Le Pen ließ durchblicken, dass sie ihre rechtsextreme Partei Front National (FN) im Juni in die Parlamentswahlen führen werde. FN-Vize Florian Philippot kündigte an, seine Partei werde sich in eine neue politische Kraft verwandeln und dann auch nicht mehr denselben Namen tragen.
Der frühere Wirtschaftsminister und Investmentbanker Macron steht für einen klar europafreundlichen Kurs und tritt für eine enge Partnerschaft Frankreichs mit Deutschland ein. Er soll spätestens am 14. Mai die Amtsgeschäfte von Hollande übernehmen. Um regieren zu können, braucht Macron allerdings eine Mehrheit in der Nationalversammlung, die am 11. und 18. Juni gewählt wird. Bisher hat seine Bewegung "En Marche!" überhaupt keine Abgeordneten.
Abstrafung der etablierten Parteien
Schon nach der ersten Wahlrunde stand fest, dass der nächste französische Präsident erstmals seit Jahrzehnten weder aus dem Lager der Sozialisten noch aus dem der bürgerlichen Rechten kommt. Hollande selbst hatte sich angesichts hoffnungslos schlechter Umfragewerte erst gar nicht um eine Wiederwahl beworben.
Das Ergebnis der Juni-Wahlen wird mit Spannung erwartet. Ohne eigene Mehrheit in der Nationalversammlung wäre Macron gezwungen, eine Regierung zu ernennen, der auch Politiker eines anderen politischen Lagers angehören. Eine derartige "Kohabitation" gab es zuletzt von 1997 bis 2002 mit dem Konservativen Jacques Chirac als Präsidenten und dem Sozialisten Lionel Jospin als Premierminister.
Auch wenn Le Pen nicht in den Élyséepalast einzieht, hat sie das politische Gefüge in Frankreich maßgeblich auf den Kopf gestellt. Le Pen gelang es, den FN als eine für viele Franzosen wählbare nationalistische Partei zu etablieren. Unter ihrem Vater Jean-Marie Le Pen hatte die FN vor allem für Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus gestanden und war politisch so isoliert, dass selbst viele FN-Wähler sich nicht öffentlich zu ihr bekennen wollten.
Der Wahlkampf in Frankreich war von Skandalen und überraschenden Wendungen geprägt. Kurz vor der Stichwahl war ein Hackerangriff auf das Team von Emmanuel Macron bekannt geworden. Tausende Dokumente seiner Mitarbeiter tauchten im Internet auf. Macrons Bewegung "En Marche!" sprach von einer "massiven und koordinierten" Attacke. Es seien schon vor Wochen erbeutete E-Mails, Verträge sowie andere interne Dokumente ins Netz gestellt worden. Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete Vorermittlungen ein.
Zudem spielte im Wahlkampffinale insbesondere der Antiterrorkampf eine größere Rolle. Frankreich wird seit Anfang 2015 von einer beispiellosen Serie islamistischer Anschläge erschüttert. Erst kurz vor der ersten Wahlrunde hatte es auf der Pariser Prachtstraße Champs-Élysées ein Attentat auf Polizisten gegeben.