Die Lage im Überblick Vor Londoner Treffen: Selenskyj schließt Krim-Verzicht aus

Der US-Druck auf die Ukraine für Zugeständnisse gegenüber Russland lässt nicht nach. Vor Gesprächen westlicher Verbündeter in London hat der ukrainische Präsident Selenskyj aber Grenzen gesetzt.
Vor Gesprächen westlicher Verbündeter in London über ein Ende des russischen Angriffskrieges schließt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Gebietsabtretungen an Russland kategorisch aus. "Da gibt es nichts zu bereden. Das steht außerhalb unserer Verfassung", sagte der Staatschef in Kiew mit Blick auf von Russland annektierte ukrainische Gebiete wie die Schwarzmeerhalbinsel Krim. Medienberichten zufolge sind ukrainische Gebietsabtretungen an Russland zumindest Gegenstand von Gesprächen zwischen Washington und Moskau.
Außenministerinnen und Außenminister sowie Sicherheitsberater der USA, mehrerer europäischer Verbündeter sowie der Ukraine wollen heute in London ihre Beratungen über eine Beendigung des russischen Angriffskrieges fortsetzen. In der vergangenen Woche hatte es bereits ein ähnliches Treffen in Paris gegeben. US-Präsident Donald Trump und Außenminister Marco Rubio hatten danach gedroht, Washington könnte seine Bemühungen um einen Frieden einstellen, sollte es nicht bald zu einer Einigung kommen.
Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge erwartet das Weiße Haus bei den Gesprächen in London eine Reaktion aus Kiew auf Vorschläge für Zugeständnisse an Moskau. Demnach soll die Ukraine nicht nur auf den Nato-Beitritt, sondern auch auf die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim verzichten. Sollte es aus Kiew grünes Licht geben, könnten die Pläne Moskau vorgelegt werden, heißt es in dem Bericht.
Bericht: Putin bietet Stopp der Invasion an Frontlinie an
Derweil berichtete die "Financial Times" unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen, Kreml-Chef Wladimir Putin habe angeboten, die Invasion in der Ukraine an der derzeitigen Frontlinie zu stoppen. Wie die Zeitung weiter unter Berufung auf drei mit den Gesprächen vertraute Personen berichtete, könnte Russland auf Ansprüche auf die Teile der vier besetzten ukrainischen Regionen verzichten, die Kiew noch unter Kontrolle hat. Die bereits jetzt unter russischer Kontrolle stehenden Teile sollen demnach Russland zugeschlagen werden.
Laut "Washington Post" schlagen auch die USA vor, die derzeitigen Frontlinien als Teil eines Friedensabkommens einzufrieren. Im Gegenzug würde Russland die Angriffe in der Ukraine in einem Moment beenden, in der das russische Militär auf dem Vormarsch sei.
Unter Trump haben die USA einen scharfen Kurswechsel vollzogen und sind nicht mehr bereit, die Ukraine langfristig bei ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion zu unterstützen. Washington übt vor allem Druck auf Kiew aus, um einen schnellen Frieden zu erreichen. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als drei Jahren gegen eine russische Invasion. Die Krim wurde von Russland bereits 2014 annektiert.
Rubio nicht in London dabei
Rubio wird entgegen ersten Berichten nicht bei dem Treffen dabei sein, wie die Sprecherin seines Ministeriums mitteilte. Demnach nimmt der US-Sondergesandte Keith Kellogg wie geplant teil. Unklar blieb, ob der US-Sondergesandte Steve Witkoff kommt. Deutschland wird in London durch den außen- und sicherheitspolitischen Berater des Bundeskanzlers, Jens Plötner, und den Politischen Direktor im Auswärtigen Amt, Günter Sautter, vertreten.
Gastgeber ist der britische Außenminister David Lammy. Es wird erwartet, dass die ukrainische Delegation ähnlich wie vorher bereits bei derartigen Unterredungen in Paris vom Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, geleitet wird. Ebenso wird die Anreise von Außenminister Andrij Sybiha und Verteidigungsminister Rustem Umjerow erwartet. Eine Bestätigung dafür stand zunächst noch aus.
Selenskyj bereit für teilweise Waffenruhe
Selenskyj sagte am Dienstag mit Blick auf seine Delegation: "Sie hat morgen ein Mandat für die Besprechung einer bedingungslosen Waffenruhe oder einer Teilwaffenruhe." Die Ukraine sei bereit dazu. Allerdings werde die Ukraine die russische Annexion der Halbinsel Krim und anderer ukrainischer Gebiete nicht juristisch anerkennen. Dies sei das Gebiet des ukrainischen Volkes, und er als Präsident habe bereits mehrfach erklärt, dass es keine Anerkennung der russischen Oberhoheit über diese Territorien geben könne.
Gleichzeitig zeigte Selenskyj sich erneut bereit, einer Teilwaffenruhe mit Russland zuzustimmen. "Die Ukraine ist zu einer bedingungslosen Waffenruhe bereit, und wenn diese Waffenruhe teilweise ist, dann sind wir zu spiegelbildlichen Maßnahmen bereit", sagte der Staatschef. Als Beispiele führte er den Verzicht auf Angriffe auf Energieanlagen oder den Einsatz von weitreichenden Waffen an.
Für Selenskyj ist dabei die von Russland um den vergangenen Ostersonntag ausgerufene Waffenruhe ein Beleg, dass es einzig von Moskau abhängt, den Beschuss zu verringern. "Aber bis zu einer bedingungslosen Waffenruhe ist es noch sehr weit", unterstrich der Präsident.
Der US-Sondergesandte Witkoff will in den kommenden Tagen erneut nach Moskau reisen, um mit Kremlchef Wladimir Putin über eine Beendigung des russischen Angriffskrieges zu beraten. Ein solches Gespräch kündigte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, für "später in dieser Woche" an. Witkoff hatte in der Vergangenheit mehrfach persönlich mit Putin gesprochen und sich im Anschluss an die Unterredungen immer auffällig positiv über den russischen Präsidenten geäußert.
Heftige russische Drohnenangriffe
Russische Kampfdrohnen griffen am Abend Ziele in der Ukraine an. Nach Einschlägen berichteten Medien über Brände in der südukrainischen Hafenstadt Odessa und im zentralukrainischen Poltawa. Nach Behördenangaben wurden in Odessa mindestens zwei Menschen verletzt.
- Nachrichtenagentur dpa