Kämpfe im Kongo Deutsche Stiftung geplündert
Ruanda will sich rohstoffreiche Gebiete seiner Nachbarländer einverleiben. Die von dem afrikanischen Land finanzierte Rebellengruppe M23 hat den Kongo dabei ins Chaos gestürzt.
Im Kongo eskaliert die Gewalt. Eine Rebellenmiliz ist auf dem Vormarsch und nimmt immer weitere strategisch wichtige Punkte ein. Die UNO nannte die humanitäre Lage in Goma "extrem besorgniserregend". Gleichzeitig greifen Demonstranten in der Hauptstadt Botschaften von EU-Ländern an. Auch das Büro einer deutschen Stiftung ist betroffen. Nun droht ein Krieg in der Region, schätzen Experten.
Goma ist in der Hand der Rebellen
Die Aggression geht von der Rebellengruppe M23 aus, die von Ruanda unterstützt wird. Die Rebellen haben die strategische Provinzhauptstadt Goma im Ostkongo angegriffen und kontrollieren nun Teile des Flughafens. Dabei hätten sich mehr als 1200 kongolesische Soldaten ergeben und sich auf den Stützpunkt der UN-Friedenstruppe Monusco zurückgezogen, verlautete aus Sicherheitskreisen.
Die Rebellenmiliz M23 hätte außerdem alle strategischen Punkte der Stadt besetzt, sagte der Minister für ländliche Entwicklung und Parlamentsabgeordnete für Goma, Muhindo Nzangi Butondo, in einem Interview mit dem lokalen Radiosender Top Congo.
Rebellen der M23 seien am Dienstagnachmittag in großen Zahlen in den Straßen Gomas präsent, Soldaten hingegen nicht länger zu sehen, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort. Die Kämpfe zwischen der kongolesischen Armee und der Miliz seien in Goma zum Stillstand gekommen. Der Sprecher der M23, Willy Ngoma, sagte, die Stadt sei mittlerweile vollständig in den Händen der Rebellengruppe. Von der Regierung gab es dafür keine Bestätigung.
Von Präsident Félix Tshisekedi wird am Dienstag eine Rede an die Nation zu geplanten Sicherheitsmaßnahmen im Ostkongo erwartet. Der genaue Zeitpunkt dafür blieb zunächst unklar. Der stellvertretende Premierminister für innere Angelegenheiten, Jacquemain Shabani, teilte mit, die Regierung werde sich auf "die Verteidigung unseres Territoriums konzentrieren".
Demonstranten greifen Botschafen an
Zur gleichen Zeit haben Demonstranten in der Demokratischen Republik Kongo mehrere Botschaften angegriffen. Am Dienstag traf es die Vertretungen von Frankreich, Belgien und den Niederlanden, wie die jeweiligen Regierungen bestätigten.
Danach haben die Demonstranten auch afrikanische Botschaften angegriffen. Betroffen seien die Botschaftsgebäude von Kenia, Südafrika und Uganda in der Hauptstadt Kinshasa, sagte der kenianische Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten Korir Sing'oei. Auch Botschaftspersonal sei demnach angegriffen worden. Der kongolesische Polizeibeamte Felix Mwisa sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Botschaft Ruandas sei ebenfalls angegriffen und geplündert worden.
In dem Gebäude der ruandischen Botschaft sind auch Büroräume der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) untergebracht. Diese wurden bei den Angriffen angezündet und geplündert worden, sagte der Leiter des KAS-Auslandsbüros in Kinshasa, Jakob Kerstan. Auch Fahrzeuge der Stiftung seien in Brand gesetzt worden. Mitarbeiter wurden nicht verletzt.
"Die Angriffe galten im Prinzip allen, denen vorgeworfen wird, mit Ruanda zu paktieren. Sie sollten sozusagen dafür büßen", sagte Kerstan, der sich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Kinshasa aufhielt. "Dass sich die Wut gegen Ruanda und seine vermeintlichen Unterstützer richtet anstatt gegen die Regierung, spielt der Regierung aber auch in die Hände. Die Sicherheitskräfte sind nicht mit letzter Konsequenz gegen die Demonstranten vorgegangen."
Vereinzelt seien auf Aufnahmen auch Sicherheitskräfte zu sehen gewesen, die sich an Plünderungen von Läden beteiligten. Unter die Demonstranten hätten sich auch Opportunisten gemischt. Für Mittwoch sind erneut Proteste angekündigt. "Die Situation ist noch nicht unter Kontrolle", sagte Kerstan.
Experten befürchten Flächenbrand
Jetzt droht nach Einschätzung von Experten ein Krieg in der Region. "Das Risiko, dass die Situation in einen regionalen Konflikt eskaliert, ist real", schreiben Analysten des Thinktanks International Crisis Group. "Bleiben die Kämpfe unkontrolliert, könnten sie sich in der gesamten Region der Großen Seen ausbreiten und an die Schrecken der späten 1990er und frühen 2000er Jahre erinnern, als Millionen Menschen in einem länderübergreifenden Krieg im Kongo starben."
Es sei offensichtlich, dass Ruanda die langfristige Kontrolle über die Gold- und Coltan-reichen Regionen im Osten der Demokratischen Republik Kongo anstrebe, schreiben die Experten. "Die Rebellen und ruandische Truppen haben die von ihnen kontrollierten Gebiete vollständig neu organisiert, indem sie ihre eigenen Verwaltungen eingesetzt und lokale zivile Führungskräfte verdrängt haben."
Ruanda: Kivus "historisch ruandisches Land"
In den vergangenen Monaten habe Ruanda seine Strategie von Leugnung hin zu einer Rechtfertigung seines Vorgehens geändert. Ein hochrangiger Militär habe die Provinzen Nord- und Süd-Kivu im Oktober als "historisch ruandisches Land, das durch europäische Kolonialmächte ungerechtfertigt enteignet wurde", bezeichnet.
Die Rebellen, die bereits fast die gesamte Provinz Nord-Kivu kontrollieren, könnten als nächstes Süd-Kivu ins Visier nehmen. Das Nachbarland Burundi habe dort starke strategische Interessen, warnte der Thinktank. Es sei bereits zu tödlichen Zusammenstößen zwischen der kongolesischen Armee und burundischen Truppen auf der einen Seite, mit den von Ruanda unterstützten M23-Rebellen gekommen. Ruandas Außenminister habe Burundi beschuldigt, mit "genozidalen Kräften" zusammenzuarbeiten.
Internationale Akteure wie die EU und die USA seien gefordert, Druck auf Ruanda auszuüben, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Zugleich müsse der Kongo bereit sein, Kompromisse zu finden.
- Nachrichtenagentur dpa