Abstimmung in Brüssel Kursänderung beim Wolf - EU-Staaten wollen Schutz absenken
Wut auf den Wolf: Kaum eine Debatte wird zwischen Naturschützern und Landwirten so emotional geführt wie der Schutz des großen Beutegreifers. Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit.
Vertreter der EU-Staaten haben mit der Stimme Deutschlands für einen abgesenkten Schutz des Wolfs gestimmt. Damit wurde in Brüssel der Weg für ein Verfahren freigemacht, um den Bestand des wegen Beutejagds auf Weidetiere umstrittenen Räubers strenger regulieren zu können.
"Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist", teilte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in Berlin mit.
Die Bundesregierung ändert ihre Haltung
Eine Reduzierung des Schutzstatus könne dem Gesetzgeber mehr Spielraum und Flexibilität im Umgang mit problematischen Wölfen geben, sie sei aber kein Freifahrtschein für ungeregelte Abschüsse, so Lemke. Und: "Der Wolf ist und bleibt eine geschützte Art, sein guter Erhaltungszustand das Ziel."
Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von streng geschützt auf geschützt gesenkt werden soll. Die Bundesregierung ändert mit der Zustimmung ihren Kurs in der Wolfspolitik, auch wenn mit der Entscheidung ein schwächerer Schutzstatus noch nicht bindend in EU-Recht verankert ist. Erwartet wird, dass problematische Wölfe künftig leichter abgeschossen werden können, auch wenn Details dazu derzeit nicht feststehen.
Balance zwischen Natur- und Weidetierschutz
Nach Angaben aus Diplomatenkreisen ist es Deutschland wichtig, dass nur der Schutzstatus für den Wolf und nicht auch für andere Tiere geändert werde. Zudem müsse aus deutscher Sicht eine Koexistenz von Wolf und Weidehaltung möglich sein. Ein Kommissionssprecher sagte: "Wir haben auch sehr deutlich gemacht, dass es hier um den Wolf geht und nur um den Wolf." Jegliche Änderungen im EU-Recht würden sich auf diese spezielle Art beschränken.
"Es geht darum, tödliche Risse und das qualvolle Sterben unserer Nutztiere zu beenden und gleichzeitig der Weidetierhaltung eine Zukunft zu geben", sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina Konrad. Naturschutz brauche klare Regeln und die Möglichkeit, Wölfe zu jagen.
Kritik an der Entscheidung äußerte die Naturschutzorganisation Nabu. "Wer annimmt, dass durch den erleichterten Abschuss von Wölfen das Risiko von Rissen verschwindet, irrt", teilte der Nabu mit. Der Herdenschutz müsse immer eine Rolle spielen, denn auch wenige Wölfe könnten bei ungeschützten Herden großen Schaden anrichten.
Diskussion in Deutschland inzwischen hochemotional
Die Bundesregierung reagiert auch auf eine Diskussion, die zunehmend aggressiv geführt wird. Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern häuften sich zuletzt und werden für die Weidetierhaltung - selbst erklärtes Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft - zum Problem. Herdenschutzmaßnahmen zur Abwehr von Wölfen werden zunehmend überwunden.
Während es Berichte über Wölfe gibt, die es bis in Ställe schaffen, ist auch die sogenannte Entnahme - in der Praxis die Tötung einzelner Tiere - ein Problem. Wolfsschützer klagen vor Verwaltungsgerichten und verhindern so den Abschuss. Viehhalter in Flächenländern wie Brandenburg oder Niedersachsen sind zornig. Gefordert werden ein Bestandsmanagement bis hin zu "wolfsfreien Zonen".
Erster Schritt
Nun folgt ein längerer Prozess. Wenn die Entscheidung auch formell auf Ministerebene angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten Ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein 1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.
Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen. Dieser Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind möglich.
Wolf war ausgerottet
Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF wurde der Wolf in Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Er überlebte demnach nur im Osten und Süden Europas. Die sächsische Fachstelle Wolf schreibt, dass in den 1970er und 1980er Jahren ein Umdenken erfolgte und der Wolf in vielen europäischen Ländern unter Schutz gestellt wurde.
Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2022/2023 knapp 1.400 Wölfe in Deutschland nachgewiesen - Tendenz steigend. Das Europäische Umweltbüro (EEB) - ein Dachverband von Umweltorganisationen - schätzt, dass es in Europa rund 20.000 Tiere gibt.
Der Deutsche Bauernverband warnte zuletzt vor steigenden Angriffen auf Nutztiere durch Wölfe. Für 2022 gibt die Lobbyorganisation mehr als 4.300 getötete, verletzte oder vermisste Nutztiere an. 2018 lag diese Zahl den Angaben zufolge noch etwa halb so hoch. Dabei sind laut offiziellen Angaben auch die Ausgleichszahlungen für entsprechende Schäden in diesen Jahren deutlich gestiegen.
"Der Schutzstatus des Wolfes ist nicht mehr gerechtfertigt, die Probleme mit dem Wolf selbst nehmen in Deutschland und Europa dramatisch zu", erklärte der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, am Mittwoch. "Die Herabsetzung des Schutzstatus ist folgerichtig und ein erster wichtiger Schritt für unsere Weidetierhalter, dass sich in Sachen Wolf etwas bewegt."
- Nachrichtenagentur dpa