Nahost-Konflikt Gaza-Gespräche vertagt - weiteres Treffen in Kairo geplant
Ein Durchbruch bleibt aus, doch Ägypten, Katar und die USA berichten von einer positiven Atmosphäre bei den Gesprächen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Ein weiteres Spitzentreffen ist geplant.
Es ist weder ein Erfolg, noch ein Scheitern: Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sollen kommende Woche fortgesetzt worden. Einen Durchbruch erzielten die Vermittler Ägypten, Katar und USA mit Israel und der Hamas nicht, laut gemeinsamer Mitteilung waren die zweitägigen Gespräche in der katarischen Hauptstadt Doha aber ernsthaft und konstruktiv bei "positiver Atmosphäre". Ein weiteres Spitzentreffen soll es vor Ende kommender Woche in Kairo geben. Bis dahin sollen Unterhändler weiterverhandeln, um die noch "verbleibenden Lücken" zu schließen.
An den Gesprächen in Doha waren Spitzenvertreter der USA, Katars und Ägyptens beteiligt sowie der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes, David Barnea. Die Hamas nahm nicht teil. Wie in vorigen Runden verhandelte sie nicht direkt mit Israel oder den USA. In Doha befindet sich aber das politische Büro der Hamas und damit deren wichtigste Vertretung im Ausland, wo ägyptische und katarische Vermittler direkten Zugang haben. Die Verhandlungen kommen seit Monaten nicht voran.
Gemischte Reaktionen
US-Präsident Joe Biden gab sich nun aber optimistisch. "Wir sind näher dran als je zuvor", sagte er am Rande einer Veranstaltung im Weißen Haus gegenüber Journalisten. "Wir sind viel, viel näher dran als noch vor drei Tagen." Er wolle das Glück nicht herausfordern, erläuterte Biden einschränkend. "Wir haben vielleicht etwas, aber wir sind noch nicht am Ziel." US-Außenminister Antony Blinken reist am Wochenende nach Israel, um "die intensiven diplomatischen Bemühungen" vor Ort weiterzuführen, teilte ein Sprecher seines Ministeriums mit. Ziel sei, das Abkommen zu einem Abschluss zu bringen.
Israelischen Berichten zufolge wird Blinken dort Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treffen. Dieser dankte unterdessen den Vermittlerländern Ägypten, Katar und USA. Israel hoffe, dass ihr Druck die Hamas dazu bewegen werde, die Vorschläge von Ende Mai anzunehmen, sodass die Details der Vereinbarung umgesetzt werden könnten.
Ein Vertreter der Hamas zeigte sich zurückhaltend. Die Führung der Hamas habe die Ergebnisse der Verhandlungen erhalten, und sie basierten nicht auf allen Vorschlägen von US-Präsident Joe Biden, die der Gruppe am 2. Juli übermittelt worden seien, sagte der ranghohe Hamas-Funktionär Mahmud Mardaui der Deutschen Presse-Agentur.
Bericht: Iran sieht vorerst von Vergeltung ab
Nach Auffassung von Ägyptens Außenminister Badr Abdelatty könnte eine Waffenruhe eine weitere Eskalation in der Region verhindern. Der Iran und die Hisbollah-Miliz im Libanon hatten nach der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran sowie eines Hisbollah-Militärkommandeurs vor gut zwei Wochen Rache geschworen. Seither wurde mit einem Angriff gerechnet. Beide sind mit der Hamas verbündet und könnten im Fall einer Waffenruhe in Gaza von einer größeren, womöglich koordinierten Attacke gegen Israel absehen.
Wie die "New York Times" berichtete, wird erwartet, dass der Iran vorerst von einem Vergeltungsschlag absieht. Dies solle den Verhandlern Raum geben, um eine Gaza-Waffenruhe auszuloten. Die "New York Times" berief sich dabei auf Vertreter aus den USA, Iran und Israel. Unter Berufung auf fünf Vertreter Israels hieß es weiter, der israelische Geheimdienst sei zu der Beurteilung gekommen, dass die Hisbollah und der Iran die Bereitschaft ihrer Raketeneinheiten heruntergefahren hätten. Diese Einschätzung könne sich aber schnell wieder ändern.
Neuer Vorschlag soll "Lücken verringern"
Die Erwartungen auf einen Durchbruch waren vor Beginn des Treffens in Doha gering, weil die Positionen Israels und der islamistischen Hamas weit auseinander liegen. Jetzt gebe es einen Vorschlag, der die noch bestehende "Lücke verringern" soll, hieß es in der Vermittler-Mitteilung. Er entspreche auch den Grundsätzen des Friedensplans, den Biden vorgestellt hatte und dessen Details die Hamas nicht neu verhandeln will. "Technische Teams" sollen in den nächsten Tagen daran arbeiten, wie die aktuellen Vorschläge umgesetzt werden können.
Biden hatte im Mai einen Vorschlag zur Beendigung des Gaza-Kriegs in drei Phasen vorgestellt. In einer ersten Phase würde demnach während einer Waffenruhe von sechs Wochen eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In zwei weiteren Phasen sollen die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen werden sowie der Wiederaufbau des in weiten Teilen zerstörten Gazastreifens beginnen.
Die islamistische Hamas und andere Gruppen aus dem Gazastreifen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres den Süden Israels überfallen, mehr als 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive in Gaza. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei fast 40.000 Menschen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern und lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Die Zahl der Toten entspricht knapp zwei Prozent der 2,2 Millionen Menschen, die vor Kriegsbeginn in Gaza lebten.
Es werden noch 115 Menschen in der Gewalt der Hamas vermutet. Viele davon dürften bereits tot sein. In Israel protestieren immer wieder Tausende für ein Abkommen, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Viele Demonstranten werfen Netanjahu vor, einen Deal zu sabotieren und sich den Forderungen seiner ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner, auf die Netanjahu für sein politisches Überleben angewiesen ist, zu beugen. Diese sind gegen Zugeständnisse an die Hamas.
- Nachrichtenagentur dpa