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«Tag der Störung»: Massenproteste für Geisel-Deal in Israel


Gaza-Krieg
"Tag der Störung": Massenproteste für Geisel-Deal in Israel

Von dpa
Aktualisiert am 07.07.2024Lesedauer: 4 Min.
Nahostkonflikt - Tel AvivVergrößern des Bildes
Isrealische Demonstranten fordern einen sofortigen Geisel-Deal. (Quelle: ILIA YEFIMOVICH/dpa/dpa-bilder)
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Seit neun Monaten werden Dutzende Geiseln von Terroristen im Gazastreifen festgehalten. Immer mehr Bürger in Israel verlieren die Geduld - und schließen sich Protesten an.

Mit einem "Tag der Störung" haben Tausende Israelis in Tel Aviv und anderen Städten des Landes für einen Geisel-Deal demonstriert. Dabei legten sie zeitweise auch den Verkehr lahm. Mit dem Protest neun Monate nach Kriegsbeginn wollen sie den Druck auf die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verstärken, um auf dem Verhandlungswege die Freilassung von rund 120 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas zu erreichen.

Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas sowie anderer palästinensischer Gruppierungen Israel überfallen und 1200 Menschen getötet. Zudem wurden rund 250 weitere Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Krieges. Rund 120 Geiseln befinden sich nach israelischen Schätzungen immer noch in der Gewalt ihrer Entführer - unter ihnen sind auch Kinder, Frauen sowie ältere Menschen. Viele von ihnen dürften nicht mehr am Leben sein.

Proteststart zur Uhrzeit des Hamas-Massakers

Die Proteste begannen um 06.29 Uhr (Ortszeit), jener Uhrzeit, zu der der Überfall der Hamas begonnen hatte. Protestteilnehmer in Tel Aviv trugen etwa Schilder mit der Aufschrift "Wir sind alle Geiseln". Die Polizei nahm nach eigenen Angaben fünf Demonstranten fest, die eine Straßenkreuzung im Norden der Metropole blockierten.

In Jerusalem setzten sich Protestteilnehmer auf die Schienen der Straßenbahn, die durch das Stadtzentrum fährt. Nahe der Grenze zum Gazastreifen ließen Aktivisten schwarze und gelbe Luftballons steigen - die Farbe Gelb symbolisiert für sie das Schicksal der Geiseln. Die Blockaden störten auch den Berufsverkehr. In Israel beginnt am Sonntag die Arbeitswoche.

Mögliche Fortschritte bei Verhandlungen befeuern Proteste

Bereits am Samstagabend hatten in Israel Zehntausende demonstriert. In Tel Aviv wurde auf einer Großleinwand ein Video mit einer ehemaligen Geisel eingespielt. Der 22-jährige Almog Meir Jan, den das israelische Militär vor einem Monat befreit hatte, sagte darin: "Wir brauchen einen Deal, damit alle Mütter ihre Kinder und Ehemänner umarmen können, so wie ich jetzt meine Mutter jeden Morgen umarme."

Befeuert hatten die Proteste Berichte, wonach es nach langem Stillstand Fortschritte bei den von Katar, Ägypten und den USA vermittelten Verhandlungen geben soll. Ägypten werde schon in diesen Tagen mit allen Seiten intensive Beratungen führen, berichtete der staatsnahe Fernsehsender Al-Kahira unter Berufung auf hohe ägyptische Regierungsbeamte. Eine Delegation hoher US-Beamter traf am Sonntagnachmittag in Kairo ein.

Die seit Monaten andauernden Verhandlungen waren zuletzt ins Stocken geraten. Die Hamas forderte bislang die sofortige Beendigung des Krieges seitens Israels im Gegenzug für eine Geiselfreilassung. Israel will sich hingegen die Option für die Fortsetzung des Krieges offenhalten, um die Hamas als militärische Formation und Regierungsmacht im Gazastreifen zu zerschlagen.

Medienberichten zufolge soll die Hamas inzwischen ihre strikten Forderungen etwas gelockert haben. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, hatte am Freitag wieder mit der Regierung in Katar verhandelt, die in direktem Kontakt mit der Hamas steht. Israelische Medien berichteten danach unter Berufung auf Delegationskreise von einem gewissen Optimismus. Andere Beobachter verwiesen darauf, dass die Hamas einzelne Änderungen im Text des Vertragsabkommens vorgeschlagen habe, aber in der Sache weiterhin wenig Bewegung zeige.

Misstrauen gegenüber Netanjahu

Viele Israelis misstrauen aber auch ihrem Regierungschef Netanjahu. Eine Demonstrantin, deren Sohn während des Terrorüberfalls vor neun Monaten in den Gazastreifen entführt wurde, rief während einer Kundgebung in Tel Aviv der Zeitung "Haaretz" zufolge: "Netanjahu, wir haben gesehen, wie Sie immer wieder die Abkommen im Moment der Wahrheit torpediert und unsere Herzen jedes Mal in Stücke gerissen haben."

Das israelische Militär setzte indes seine Einsätze im Gazastreifen fort. Die Armee teilte am Samstag mit, mehrere Kämpfer der Hamas im Areal einer ehemaligen Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA angegriffen zu haben. Nach palästinensischen Angaben kamen bei dem Luftangriff 16 Palästinenser ums Leben, 50 weitere wurden verletzt.

Nach UN-Angaben diente der Gebäudekomplex als Unterkunft für 2000 in diesem Krieg vertriebene Menschen. Laut israelischer Armee soll das Areal jedoch als Versteck der Hamas für Attacken auf das israelische Militär gedient haben. Die Angaben beider Seiten ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Weiterer Raketenbeschuss an der Grenze zum Libanon

Im Norden Israels kam es erneut zu Konfrontationen zwischen dem israelischen Militär und der Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon. Die Hisbollah habe 20 Raketen und Drohnen auf Israel abgeschossen, teilte die israelische Armee mit. Die meisten Geschosse seien von der Luftabwehr abgefangen worden. Die Hisbollah bekannte sich der libanesischen Nachrichtenagentur NNA zufolge zu dem Angriff. Es habe sich um Vergeltung für die gezielte Tötung eines Hisbollah-Mitglieds in der libanesischen Bekaa-Ebene gehandelt.

Seit Beginn des Gaza-Krieges schießt die vom Iran unterstützte Hisbollah mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten regelmäßig auf den Norden Israels - nach eigener Darstellung aus "Solidarität" mit der Hamas in Gaza. Israel bekämpft im Gegenzug mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah im Süden des Libanons, aber auch Ziele tief im Landesinneren des Libanons. Auf beiden Seiten hat es bereits Todesopfer gegeben. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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