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Studie | Demokratien international auf dem Rückzug


"An den Schaltstellen der Macht"
Bertelsmann-Analyse: Immer weniger Staaten demokratisch

Von dpa
Aktualisiert am 19.03.2024Lesedauer: 3 Min.
Proteste in Russland: Polizisten versuchen, eine Demonstration in Moskau niederzuschlagen.Vergrößern des Bildes
Proteste in Russland: Polizisten versuchen, eine Demonstration in Moskau niederzuschlagen. (Quelle: Alexander Zemlianichenko/dpa)

Eine internationale Untersuchung zu Entwicklungs- und Schwellenländern legt offen: Autokratien, die auf Repression setzen und Rechte aushebeln, nehmen zu.

Ein Rückgang der Demokratien unter Entwicklungs- und Schwellenländern hat einer Analyse zufolge auch Auswirkungen auf wirtschaftliche Entwicklung, Ungleichheit und Armut.

Der "Transformationsindex" der Bertelsmann Stiftung kommt mit Blick auf 137 Staaten von Algerien bis zur Zentralafrikanischen Republik zu dem Schluss: "Zu keinem Zeitpunkt wurden in den vergangenen zwanzig Jahren so wenige Staaten demokratisch regiert wie heute." Zudem attestierten die Autoren vielen Staaten ökonomische Ungleichheit und eine verfehlte Wirtschaftspolitik. In 83 der 137 Länder herrsche eine massive soziale Ausgrenzung.

Die Untersuchung der Entwicklungs- und Schwellenländer ergab, dass 63 Demokratien mit einer Bevölkerung von insgesamt rund drei Milliarden Menschen inzwischen 74 Autokratien mit etwa vier Milliarden Menschen gegenüberstehen. Erste Erkenntnisse der Studie waren bereits bei einer Veranstaltung der Stiftung mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin vorgestellt worden.

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Demokratie unter Druck

Die ausgewerteten Ländergutachten und Daten ergaben bei Demokratiequalität, Regierungsleistungen und Wirtschaftsentwicklung "neue Tiefststände". "In einer steigenden Zahl von Ländern sind es die Gegner demokratischer und marktwirtschaftlicher Reformen, die an den Schaltstellen der Macht sitzen."

Regierungen in der überwältigenden Mehrheit der Länder sehen sich demnach "nicht als Treiber gesamtgesellschaftlicher Entwicklung, sondern als Vertreter von Partikularinteressen in einem bewusst unfair gestalteten Wirtschaftssystem". Bemühungen seien nicht selten darauf ausgerichtet, ein korruptes System zu erhalten, das keinen freien und fairen wirtschaftlichen Wettbewerb erlaube, heißt es in der Studie. "Machtkonzentration oder Machterhalt einer kleinen Elite hat häufig Vorrang gegenüber der Ausgestaltung einer offeneren und inklusiveren Wirtschaftsordnung." Das habe negative Folgen für das Ausmaß von Ungleichheit und Armut.

Wer gehört zu den Autokratien und "Hardliner-Autokratien"?

In den 74 autokratischen Ländern lasse eine autoritäre Führung politische Beteiligung nur sehr begrenzt oder gar nicht zu, betont die Studie. Repression, Machtkonzentration, Ausschaltung verbliebener Kontrollinstanzen und Entscheidungen in engen Führungszirkeln seien kennzeichnend. Zu den 25 "moderaten" Autokratien zählen demnach die Türkei, Algerien, der Irak, Uganda, Nigeria oder auch Jordanien und Singapur. Hinzu kamen Tunesien, Benin oder El Salvador, die 2022 noch als Demokratien eingestuft worden waren.

Darüber hinaus gebe es 49 "Hardliner-Autokratien", zu denen der Analyse zufolge auch das einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führende Russland gehört. Kremlchef Wladimir Putin hatte sich am Sonntag nach einer als Farce kritisierten Präsidentenwahl erneut zum Sieger erklärt. Zur Volksrepublik China schreiben die Studienautoren: "Das chinesische Regime mutiert unter Xi Jinping in zunehmendem Maße von einer Einparteienherrschaft zu einer absolutistischen Monokratie." Ähnlich sei es mit Regimes in Putsch-Staaten wie Burkina Faso, Mali und Myanmar. In arabischen Staaten wie Ägypten, Sudan oder Syrien habe die Repression indes höchste Ausmaße erreicht, dort werde jegliche politische Opposition im Keim erstickt. Ähnlich drastisch sei die Lage in Afghanistan, Nicaragua, Tadschikistan, im Iran oder im Tschad.

Wer zählt zu den 63 "gefestigten" oder "defekten" Demokratien"?

Auch in als "defekt" oder "stark defekt" eingestuften Demokratien schrumpfen Freiräume für politische Beteiligung: Laut Untersuchung ist die Fairness von Wahlen – etwa in Ungarn – beeinträchtigt, werden kritische Medien drangsaliert – Beispiel Indien – oder wird die Tätigkeit regierungskritischer Organisationen behindert – so wie in Serbien. In die Gruppe der Demokratien mit Defekten ordnet die Analyse auch Albanien, Rumänien, die Ukraine oder Südafrika ein. Dabei geben Beispiele wie jüngst in Polen der Stiftung zufolge Grund zur Hoffnung – dort hatte die Bevölkerung autoritäre Kräfte abgewählt.

Die Auswertung sieht ein besonders hohes Demokratieniveau bei den EU-Mitgliedern Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien und Tschechien, aber auch in Jamaika, Chile, Uruguay, Costa Rica oder Südkorea und Taiwan. Gute Politik ist demnach langfristig geplant, transparent und am Gemeinwohl ausgerichtet. Die Stabilität demokratischer Ordnungen hänge maßgeblich von rechtsstaatlich verankerten, funktionierenden und akzeptierten demokratischen Institutionen ab. Demokratie lebe von einer starken und lebendigen Gesellschaft, hieß es weiter. "Eine wichtige, manchmal die letzte Bastion zur Verteidigung von Demokratie ist die Widerstandskraft der demokratischen Zivilgesellschaft."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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