Orthodoxer Glaube Russische Geistliche fordern von Kreml Freigabe von Nawalnys Leiche
Es sei nicht nur das gute Recht von Nawalnys Angehörigen, sondern auch ihre Pflicht, ihn zu beerdigen: Mit diesem Argument fordern russische Geistliche die Freigabe seiner Leiche.
Hunderte russisch-orthodoxe Geistliche und Laien haben den Moskauer Machtapparat aufgefordert, die Leiche des Kremlgegners Alexej Nawalny herauszugeben, der am Freitag in einem Straflager gestorben war. In dem Appell der Geistlichen heißt es: "Wir fordern Sie auf, den Leichnam von Alexej Nawalny an seine Familie zu übergeben, damit seine Mutter, andere Familienangehörige und Gleichgesinnte sich von ihm verabschieden und ihm ein christliches Begräbnis bereiten können". Der russische Machtapparat hält Nawalnys Leiche unter Verschluss. Nach orthodoxem Brauch sollen Beerdigungen am dritten Tag nach dem Tod stattfinden.
Zuvor hatte auch Nawalnys Mutter, Ljudmila Nawalnaja, per Video den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgefordert, ihren Sohn beerdigen zu dürfen. Menschenrechtler, Angehörige und Unterstützer werfen Putin vor, er habe seinen Gegner Nawalny im Straflager ermorden lassen. Der Kreml weist die Anschuldigungen zurück.
"Das ist ihre Pflicht gegenüber Gott und dem Verstorbenen"
Die russisch-orthodoxen Gläubigen erinnerten Putin an die christlichen Regeln: Die Angehörigen hätten einen Anspruch auf die Beerdigung – und Putin inszeniert sich häufig selbst als Gläubiger, indem er mit einer Kerze in der Hand in Kirchen auftritt. Die rund 800 Unterzeichner des Appells erklärten, eine Beerdigung sei nicht nur der Wunsch und das gute Recht der Angehörigen, sondern auch ihre Pflicht gegenüber Gott und dem Verstorbenen. "Alexej Nawalny war nicht nur ein Oppositionspolitiker, er war auch ein gläubiger Mensch", hieß es in dem Appell, der seit Mittwoch im Internet abrufbar ist.
Putin dürfe die Tragödie des Todes nicht dadurch verschärfen, indem er eine einfache menschliche Bitte abschlage. Es bestehe die Gefahr, dass durch Ungnade und Unmenschlichkeit die Spannungen in der Gesellschaft noch weiter zunähmen. "Zeigen Sie Barmherzigkeit und Mitgefühl für seine Mutter, seine Frau, seine Kinder und seine Angehörigen", schrieben die Geistlichen.
Nawalny ist am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen "Polarwolf" in der sibirischen Arktisregion Jamal ums Leben gekommen. Er war geschwächt durch einen Giftanschlag im Jahr 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager und soll dann bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein, sagen die russischen Behörden. Die Todesursache ist unklar.
- Nachrichtenagentur dpa