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Argentinien: Wer ist Präsident Javier Milei?


Neuer argentinischer Präsident
Wer ist der Kettensägenmann?

Von dpa, bm

Aktualisiert am 20.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Argentinien: So hart greift der neue Präsident seine politischen Gegner an. (Quelle: t-online)

Der selbsternannte "Anarchokapitalist" hat es geschafft: Die argentinischen Bürger haben den exzentrischen Javier Milei zum Präsidenten gewählt. Er sagt: Gott habe ihn dazu beauftragt.

Leise Töne waren im Wahlkampf nicht Javier Mileis Sache. Der 53-Jährige wetterte gegen die politische "Kaste", kündigte an, die Zentralbank abschaffen zu wollen, und schwenkte im Wahlkampf eine laufende Kettensäge – als Symbol für den sozialpolitischen Kahlschlag, den er plant.

Das kam offenbar an: Die Argentinier erkoren den Chef der Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) bei der Stichwahl mit 55,69 Prozent der Stimmen zum Präsidenten. Mehr dazu lesen Sie hier. Doch wer ist der Politneuling? Und welche Chancen hat er, seine Pläne umzusetzen?

Im Wahlkampf hat der Wirtschaftswissenschaftler vor allem vermeintlich einfache Lösungen für die komplexen Probleme seines Landes versprochen. Er will die meisten Ministerien abschaffen, den US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel einführen, die Sozialprogramme radikal zusammenstreichen und Staatsbetriebe privatisieren. "Gebt mir 20 Jahre und wir können wie Deutschland dastehen. Gebt mir 35 Jahre und es geht uns wie den USA", versprach er in einer TV-Debatte.

Der bisherige Außenseiter der argentinischen Politik, der Papst Franziskus als Kommunisten bezeichnete, will außerdem den Waffenbesitz liberalisieren und ist gegen das Recht auf Abtreibung. An den menschengemachten Klimawandel glaubt er nicht. Zwar bedient er sich wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump und der frühere brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro einer Anti-System-Rhetorik, allerdings verzichtet er im Gegensatz zu seinen Vorbildern auf rechtsradikale Ausfälle.

Tantra-Sex, Verkleidungen und Geisterbeschwörer

Milei hat der Nachrichtenseite ntv.de zufolge viel dafür getan, sich einen Ruf als Exzentriker zu erarbeiten. Er habe seine Hunde im Fernsehen präsentiert – fünf geklonte Mastiffs, benannt nach liberalen Ökonomen. Auch aus seiner Zeit als Tantra-Sex-Lehrer erzählte er persönliche Anekdoten. Verkleidet mit einem selbst entworfenen Kostüm als "General Anarchokapitalist", hat er außerdem auf der Bühne gesungen.

Viele Argentinier mögen seine ungewöhnlichen Auftritte, denn durch ihn können sie ihre Wut zum Ausdruck bringen: Bis 2020 zog Milei als Wirtschaftsexperte durch die TV-Studios und schimpfte über "die da oben".

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Manche halten Javier Milei auch schlicht für verrückt. In der unautorisierten Biografie "El Loco" (spanisch für "Der Verrückte") über den "Anarchokapitalisten" sei davon die Rede, dass Milei als Kind von seinem Vater regelmäßig zusammengeschlagen worden und in der Schule ein Außenseiter gewesen sei. Aus dieser Zeit stamme der Spitzname "El Loco", schreibt ntv.de.

Später habe Milei seine englische Dogge Conan als seinen Sohn betrachtet. Als der Hund starb, habe er mittels eines Geisterbeschwörers, "eines anarchokapitalistischen Hexers", Kontakt zu dem Tier aufgenommen, schreibt ntv.de. Der Hund habe jetzt ein Profil in den sozialen Medien, an das Milei Liebesnachrichten schicke. Um die Kommunikation mit dem Hundegeist zu verbessern, habe er sich obendrein in Telepathie schulen lassen.

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Wahlkampf im Auftrag Gottes

Laut Vertrauten kommuniziert Milei aber nicht nur mit Geistern, er meint sie auch sehen zu können, schreibt ntv.de. Zum einen habe er mit der berühmten Wirtschaftsliberalen Ayn Rand geredet, die schon vor 40 Jahren verstorben ist, zum anderen sei ihm 2020 Gott erschienen und habe ihm den Auftrag erteilt, Präsident zu werden – sagt er.

Wie sehr Milei Politik und Religion verbindet, zeigt sich auch ganz real in seinem Wahlkampf. Nach der Gründung seiner Partei im Jahr 2021 verbündete er sich mit den evangelikalen Christen. Auf seinen Wahlkampfveranstaltungen seien ntv.de zufolge Kappen mit der Aufschrift "Die Mächte des Himmels" allgegenwärtig gewesen.

Unterstützt wird Milei von seiner 51-jährigen Schwester Karina, die er stets als "El Jefe" (spanisch für die Chefin) vorstelle, schreibt welt.de. Wer einen Termin mit dem Bruder der PR-Expertin wolle, müsse erst ihre Zustimmung erhalten. Karina Milei hat dem Bericht zufolge mit "bemerkenswerter Effizienz" die Wahlkampagne von ihrem Handy aus gesteuert.

Der Neuling steht vor gewaltigen Herausforderungen

Die Wahl des marktliberalen Milei zum Präsidenten ist eine echte Kehrtwende für Argentinien. Dort haben die linken Peronisten seit über 20 Jahren den Ton angeben. Der Staat griff massiv in die Wirtschaft ein und hat die öffentlichen Dienstleistungen stark subventioniert. In zahlreichen Provinzen Argentiniens sind mehr Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor beschäftigt als in der Privatwirtschaft.

Es ist die Wut und die Enttäuschung vieler Argentinier, die Milei in die erste Reihe der Politik gespült hat. Die Inflationsrate liegt bei 138 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unter der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

Nach seinem Sieg muss Milei seine Kompromissfähigkeit unter Beweis stellen, denn allein wird er trotz seiner radikalen Rhetorik nicht weit kommen. "Wie viele politische Außenseiter hat Milei aber wenig für die Politik des Gebens und Nehmens und den Pluralismus in der Demokratie übrig", schreibt Christopher Sabatini vom Forschungsinstitut Chatham House in einer Analyse.

"Die Menschen haben existenzielle Ängste"

Vor allem bei jungen Leuten kommt Milei gut an – und die dürfen in Argentinien schon ab 16 Jahren wählen. Viele kennen nur ein Leben im Krisenmodus, können wegen der hohen Inflation nicht sparen oder Pläne für die Zukunft machen. "Die heftige politische Auseinandersetzung paart sich mit der existenziellen Angst der Menschen", sagt die Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Argentinien, Susanne Käss.

Im Parlament wird Milei keine Mehrheit bekommen, sein Lager verfügt über keinerlei Provinzgouverneure, zudem fehlt ihm qualifiziertes Personal, um wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen. "Dann wird sich zeigen, wie verrückt er wirklich ist", sagt KAS-Expertin Käss. "Oder wie pragmatisch er sein kann."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • ntv.de: "Potenzieller 'Reißt alles nieder'-Präsident verängstigt Argentinien"
  • welt.de: "Das ist der Milei-Kosmos"
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