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Erdoğans Wahlsieg in der Türkei: Warum Wladimir Putin jetzt aufatmet


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Erdoğans Wahlsieg
Putin lässt die Korken knallen


Aktualisiert am 30.05.2023Lesedauer: 5 Min.
Putin und Erdoğan besuchen im Jahr 2019 eine Militärmesse in Moskau: Für den Kreml ist die Wiederwahl des türkischen Präsidenten das gewünscht Ergebnis.Vergrößern des Bildes
Putin und Erdoğan im Jahr 2019 auf einer Militärmesse in Moskau. (Quelle: imago-images-bilder)
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Durch seinen Angriffskrieg in der Ukraine hat Wladimir Putin viele internationale Partner verloren. Umso mehr dürfte der Kreml nun den Wahlsieg von Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei feiern. Es ist ein gefährliches Bündnis für den Westen.

Das war knapp. Mit nur wenigen Prozentpunkten Vorsprung hat Recep Tayyip Erdoğan die Präsidentschaftswahl in der Türkei gewonnen.

Doch nicht nur er selbst dürfte erfreut und erleichtert sein. Ein Aufatmen war auch im Kreml spürbar, bei Russlands Präsident Wladimir Putin. Dieser war einer der ersten Staats- und Regierungschefs, die Erdoğan Glückwünsche übermittelten. Die Lesart vieler Beobachter: Der Sultan von Ankara bleibt an der Macht – und der Zar in Moskau behält einen wichtigen Verbündeten.

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Die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland gelten als pragmatisch. So gibt es zwar keine historisch gewachsene Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Aber spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ist Erdoğan für Putin ein wichtiger Partner. Denn der türkische Präsident tut vor allem das, was für ihn und für sein Land vorteilhaft ist – und das eröffnete dem Kreml nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 viele Möglichkeiten.

Besonders wichtig für Putin: Erdoğan kauft weiterhin Öl und Gas aus Russland. Zugleich gilt die Türkei aufgrund der westlichen Sanktionen als wirtschaftliche Drehscheibe für Waren, die nach Russland gelangen sollen. Für den Kreml wäre es folglich fatal gewesen, wenn sich eine neue türkische Regierung mehr in Richtung Westen orientiert hätte.

Russland will Wahlsieg für sich nutzen

Umso mehr schien Putin nach dem erneuten Sieg Erdoğans nach warmen Worten für seinen Amtskollegen aus Ankara zu suchen. "Der Wahlsieg war gesetzmäßiges Resultat Ihrer selbstlosen Arbeit auf dem Posten des Staatschefs der türkischen Republik", hieß es im am Sonntag veröffentlichten Glückwunschtelegram des Kremls. Der Wahlsieg demonstriere die Unterstützung des türkischen Volkes für den Kurs "nationaler Souveränität und unabhängiger Außenpolitik."

Die Lesart in Moskau ist klar: Erdoğan hat auch gewonnen, weil er sich der westlichen Sanktionspolitik nicht angeschlossen habe. Es ist der Versuch aus Moskau, den Erfolg des türkischen Präsidenten zu nutzen, um gegen die eigene internationale Isolation anzukämpfen und die Nato zu spalten. Dabei hatte der Ukraine-Krieg kaum Einfluss auf die Wahl in der Türkei. (Mehr zu den Hintergründen der Türkei-Wahl lesen Sie hier.)

Blickt man aus dem Westen auf das Wahlergebnis im Nato-Land Türkei, fällt vor allem eines auf: Während viele westliche Staats- und Regierungschefs zurückhaltend gratulierten, jubelten vor allem die Autokraten. Neben Putin gratulierten das iranische Regime, der ungarische Machthaber Viktor Orbán und die afghanischen Taliban. Sie alle stehen demokratischen Strukturen feindlich gegenüber – und sie sehen Erdoğan dabei als Verbündeten.

"Beide verachten iberale Werte zutiefst"

Das gilt auch für Putin. "Sie sind sich unglaublich ähnlich in ihrer politischen Mentalität, ihrem Stil und ihrem Verhältnis zur Außenwelt", sagte der unabhängige politische Analyst Arkady Dubnow der Nachrichtenagentur AFP. "Beide verachten die liberalen Werte des Westens zutiefst."

Wie viel die beiden gemeinsam haben, zeigt ein Blick in die Vergangenheit – in der es oft so wirkte, als nehme sich Erdoğan seinen russischen Amtskollegen zum politischen Vorbild: Beide kamen zu Beginn des 21. Jahrhunderts an die Macht – Putin 1999, Erdoğan 2003 –, beide galten im Westen zunächst als gemäßigte Hoffnungsträger. Beide übernahmen zudem die Geschicke ihrer Länder, nachdem diese unter wirtschaftlichen Zusammenbrüchen, Korruption der Eliten und innerstaatlichen bewaffneten Konflikten beinahe kollabiert wären.

Dieses Chaos war entscheidend für ihren politischen Erfolg. Ihr Machtfundament, ihr Narrativ: Sie wollten das politische Durcheinander beenden, versprachen wirtschaftlichen Aufschwung und inszenierten sich in ihren Religionen als gläubige Führer.

Dabei wurden sich die politischen Systeme in Russland und in der Türkei immer ähnlicher: Wie in Russland führte Erdoğan 2017 ein Präsidialsystem mit umfangreichen Machtbefugnissen für sich ein. Wie Putin steckte er politische Gegner ins Gefängnis, brachte Medien unter seine Kontrolle und besetzte führende Stellen im Staat mit treuen Anhängern. Die Verfassungsänderung machte ihn zum Staatsoberhaupt, zum Regierungschef, zum Chef der Regierungspartei, zum Chef der Polizei und zum Oberbefehlshaber des Militärs. Wie Putin in Russland hatte sich Erdoğan weitreichende Exekutivbefugnisse gesichert – er wurde zum Sultan.

Durch diese Machtfülle ist es ihm gelungen, trotz der fatalen Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Erdoğan und Putin sind auch deshalb erfolgreich, weil sie den Informationsraum in ihren Ländern kontrollieren und Falschnachrichten verbreiten. Es war ein Sieg nach Putins Spielbuch.

Erst Feindschaft, dann Freundschaft

Fast folgerichtig wirkt angesichts der Ähnlichkeiten das Zusammenrücken der beiden Staatschef, aber die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland sind in vielen Punkten kompliziert. Bis heute gibt es zahlreiche Konflikte – auch zwischen Erdoğan und Putin.

Im Jahr 2015 begann Russland seine Intervention in Syrien, um den syrischen Machthaber Baschar al-Assad an der Macht zu halten. Das war Ankara ein Dorn im Auge, denn die türkische Regierung wollte den syrischen Machthaber loswerden. Die Türkei schoss daraufhin 2015 eine russische Suchoi Su-24 ab, und Putin wütete. Er warf Erdoğan vor, dass die Türkei Öl an islamistische Gruppen in Syrien liefere und Erdoğans Familie sich an diesen Geschäften finanziell bereichere.

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Zwischen der Türkei und Russland brach eine Eiszeit aus. Auch in Libyen und im Konflikt um Berg Karabach unterstützen Ankara und Moskau jeweils verschiedene Seiten. Die zunehmenden Spannungen endeten erst mit dem gescheiterten Putschversuch 2016 in der Türkei. In der Putschnacht war der türkische Präsident verwundbar, die Verschwörer planten auch einen Mordanschlag gegen ihn. Knapp zwei Wochen später lud Putin ihn zu einem Treffen nach St. Petersburg ein. Ein Wendepunkt in ihrer Beziehung.

Danach schlossen Erdoğan und Putin zahlreiche Abkommen – für Syrien, Libyen und den Kaukasus. So stimmte Ankara zum Beispiel zu, auf Angriffe gegen Assads Armee in Syrien zu verzichteten. Dagegen ermöglichte es Putin, dass die türkische Armee Feldzüge gegen Kurdengruppen in Nordsyrien führen konnte, wovon Erdoğan auch innenpolitisch profitierte. Daneben verkaufte Russland 2016 auch seine S-400-Flugabwehrsysteme an die Türkei, was in der Nato Konflikte hervorrief.

Putin hatte demnach die Krise in der Türkei genutzt, um das strategisch wichtige Land näher an seine Außenpolitik zu binden. Das Eis zwischen ihm und Erdoğan war gebrochen und der Zusammenhalt des Westens war geschwächt. Für den Kremlchef war das ein guter Schachzug.

Putin braucht Erdoğan

Bis heute haben Putin und Erdoğan ihre Zusammenarbeit immer weiter gestärkt. Die Türkei positionierte sich im Ukraine-Krieg als neutrale Regionalmacht, obwohl sie in der Nato ist. Sie verkauft zwar Drohnen an die Ukraine, aber auf der anderen Seite werden westliche Sanktionen über die Türkei umgangen, und das verschafft Putin Zugang zu den internationalen Märkten.

Erst ein Jahr nach Kriegsbeginn stimmte die Türkei zu, Flugzeuge in Istanbul zu kontrollieren, um die Lieferung militärisch nutzbarer "Dual-Use-Güter" nach Russland zu unterbinden. Dazu brauchte es aber immensen Druck aus dem Westen.

Für den Wahlgewinner Erdoğan dagegen hat der russische Staatschef ein Modell dafür geliefert, wie man die Opposition im Inland eliminieren und nahezu absolute Macht erlangen kann. Viele Experten befürchten nun, dass er diesen Weg weitergehen wird. Klar scheint zumindest zu sein, dass der türkische Langzeitpräsident auch weiterhin auf Geschäfte mit Russland setzten wird – immer die billigen russischen Rohstoffe und die russischen Urlauber in der Türkei im Blick.

Und Putin? Für ihn gilt: Je mehr Erdoğan in der Türkei eine autokratische Richtung einschlägt, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Türkei ein nachgiebiger Partner des Kremls ist. Für den russischen Präsidenten ist Erdoğan ein gleichgesinnter Führer, durch den er indirekt die von den USA geführte internationale Ordnung herausfordern kann – sei es durch Kritik an der Rolle der USA im Ukraine-Krieg oder indem der türkische Präsident im Fall von Schweden Sand ins Getriebe der Nato-Norderweiterung wirft. Für die russische Führung sind die intensiven Beziehungen zum türkischen Präsidenten auch eine Waffe – gegen die Nato und den Westen.

Verwendete Quellen
  • foreignaffairs.com: Erdogan’s Russian Victory (engl.)
  • fr.de: Kritiker fürchten "neues Reich" nach Erdogans Sieg - Putin gratuliert
  • spiegel.de: Erdoğan lobt Putin für "positive Haltung" beim Getreideabkommen
  • tagesschau.de: Eine pragmatische Beziehung
  • politico.eu: Erdoğan: I have a ‘special relationship’ with Putin — and it’s only growing (engl.)
  • handelsblatt.de: Scholz, Putin, Taliban: So reagiert das Ausland auf Erdogans Wahlsieg
  • merkur.de: Erdogans Teufelspakt: Warum Putin ihm die Türkei-Wahl retten könnte
  • focus.de: Putin verhilft Erdogan zu zwei wichtigen Erfolgen auf Weg zur Türkei-Wahl
  • Eigene Recherche
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