"Blutiger November" Schwerste Proteste seit Wochen im Iran
Bei Straßenprotesten im Iran ist es erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Mindestens fünf Menschen sollen ums Leben gekommen sein.
Gedenken an den "blutigen November" von 2019 haben die schwersten Proteste seit Wochen im Iran ausgelöst. In weiten Landesteilen strömten in der Nacht zu Mittwoch Menschen auf die Straßen, wie Augenzeugen berichteten. In der Hauptstadt Teheran waren chaotische Szenen zu beobachten. Demonstranten errichteten Straßensperren, Autofahrer gaben Hupkonzerte. Hunderte Menschen versammelten sich auf zentralen Plätzen und riefen Protestslogans gegen die Islamische Republik.
Während der Großteil der Straßenproteste friedlich verlief, kam es vor allem in den Provinzen wieder zu gewaltsamen Vorfällen. Mindestens zwei Sicherheitskräfte der Revolutionsgarden sowie ein schiitischer Geistlicher seien getötet worden, berichteten iranische Medien. Nach Angaben von Aktivisten wurden zwei Demonstranten in den Kurdenregionen erschossen. Die in Oslo ansässige Menschenrechtsgruppe Hengaw sprach von drei Menschen, die "durch direktes Feuer der Regierungstruppen" getötet worden seien.
Berichten zufolge erfassten die Proteste Dutzende Städte und mehr als zwei Drittel der Landesprovinzen. Die Angaben aus den Protestgebieten sind schwer überprüfbar.
Teheran: Paare küssen sich in der Öffentlichkeit
Aktivisten hatten zu dreitägigen Protesten und Streiks im Gedenken an den "blutigen November" von 2019 aufgerufen. Hintergrund der Demonstrationen vor drei Jahren waren hohe Benzinpreise. Sie richteten sich jedoch schnell auch gegen die politische Führung in Teheran. Seit rund zwei Monaten demonstrieren erneut breite Gesellschaftsteile gegen die Islamische Republik. Auslöser war der Tod der jungen iranischen Kurdin Mahsa Amini im Polizeigewahrsam. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie Mitte September gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll.
Immer mehr Protestteilnehmer drückten auch mit zivilem Ungehorsam ihren Unmut aus. Auf den Straßen der Hauptstadt waren Paare zu beobachten, die sich in der Öffentlichkeit küssten – ein gesellschaftliches Tabu und unter Strafe verboten seit der Islamischen Revolution 1979. In anderen Teilen Teherans waren Lautsprecherdurchsagen zu hören: "Das ist ein roter Alarm, die Zeit der Revolution hat begonnen", gefolgt von Sirenentönen, die einst bei Bombenalarm im Iran-Irak-Krieg (1980-1988) zu hören waren.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP