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Taiwan: So will sich das Land mit Operation "Stachelschwein" gegen China verteidigen


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Drohender Angriff von China auf Taiwan
Operation "Stachelschwein" ist die letzte Hoffnung


Aktualisiert am 25.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Taiwan: Die Armee simuliert bei Militärübung Gefechte mit chinesischen Truppen. (Quelle: Daniel Ceng Shou-Yi via www.imago-images.de)
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Chinas Führung sagt es offen: Taiwan soll in den kommenden Jahren erobert werden. Die kleine Inselrepublik sieht sich militärisch einer Übermacht gegenüber.

Xi Jinping ist am Ziel. Der autoritäre Machthaber wurde auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (KP) am Wochenende erneut zum Generalsekretär gewählt. Für die Volksrepublik kommt das einer Revolution gleich, denn für den eigenen Machterhalt hatte Xi zuvor alle in China geltenden Regeln ausgehebelt, die die Amtszeit eines Präsidenten deckeln sollten.

Es bleibt nach diesem Parteitag eine beängstigende Erkenntnis: Der chinesische Präsident hat nicht nur seine Macht in China langfristig gefestigt, sondern er hat auch die KP unterworfen und seine innerparteilichen Kritiker aus dem Weg geräumt. Es war eine Machtdemonstration nach innen.

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Xi und seine Anhänger haben ihre absolute Kontrolle über das bevölkerungsreichste Land der Welt ausgebaut. Diese Zeitenwende war das Hauptziel in der persönlichen Agenda des chinesischen Machthabers für das Jahr 2022. Nun richtet sich sein Fokus erneut auf den geopolitischen Aufstieg Chinas und auf ein zentrales ideologisches Ziel des chinesischen Präsidenten: die erzwungene "Wiedervereinigung" von Kontinentalchina mit Taiwan.

Die Gefahr einer Invasion wächst. Während in den USA eine mögliche Reaktion darauf diskutiert wird, rüstet sich die kleine Inselrepublik für ein solches Szenario. Die Vorzeichen stehen schlecht, denn die militärische Übermacht Chinas im Südchinesischen Meer wird immer größer. Die effektivste Waffe Taiwans gegen den mächtigen Nachbarn ist vor allem die Unterstützung der Vereinigten Staaten. Aber reicht das aus? Was hat Taiwan selbst China entgegenzusetzen?

David gegen Goliath

Der Blick auf die Zahlen macht wenig Hoffnung für Taiwan. Da steht ein Land mit 23 Millionen Einwohnern einem chinesischen Riesenreich mit 1,4 Milliarden Menschen gegenüber. Und damit nicht genug.

Xi hat im vergangenen Jahrzehnt sein Militär massiv aufgerüstet, die chinesische Flotte besitzt mittlerweile mehr Kriegsschiffe als die USA. Die Volksrepublik ist eine Atommacht, und sie verfügt über zehnmal so viele aktive Soldaten wie Taiwan. Die taiwanische Armee kann zwar laut eigenen Angaben auf eine Reserve von 1,5 Millionen Mann zurückgreifen, aber mit knapp 90.000 Soldaten im Dienst ist sie im Vergleich zur chinesischen Volksbefreiungsarmee mit ihren eine Million aktiven Soldaten ein Zwerg.

China hat außerdem viermal so viele Kampfflugzeuge und siebenmal so viele Kampfpanzer und die chinesische Marine verfügt über 32 Zerstörer und zwei Flugzeugträger. Die Volksrepublik unterhält die drittgrößte Luftwaffe der Welt mit über 1.600 Kampfflugzeugen, Taiwan hat gerade einmal 400. In einem bewaffneten Konflikt hätte die Volksrepublik zudem mit Abstand mehr Reserven – angeblich mehr als 600 Millionen ausgebildete Reservisten, mehr Material und eine deutlich höhere Finanzkraft.

Die tatsächliche Kampfkraft der chinesischen Armee lässt sich nicht genau beziffern, da Xis Truppen über wenig Kriegserfahrung verfügen. Auch Russland hat sich in der Ukraine verrechnet, trotz scheinbarer Übermacht. Trotzdem: Militärisch wäre es zwischen China und Taiwan ein Kampf zwischen David und Goliath. Asiatische Sicherheitsexperten sprechen von einem Drachen, der versucht, ein Stachelschwein zu fressen.

Verteidigungskonzept: "Stachelschwein"

Dieser Vergleich kommt nicht von ungefähr. Denn Taiwan setzt bei einem möglichen Angriff der chinesischen Armee auf eine "Stachelschwein-Strategie" – das Land nennt das Konzept "Porcupine". Denn vor den Stacheln der kleinen Säugetiere haben sogar große Raubtiere Respekt, so die Logik.

Die kleine Inselrepublik bereitet sich seit Jahrzehnten auf einen chinesischen Angriff vor – weshalb ein solcher trotz der militärischen Überlegenheit für die Volksrepublik keine einfache Operation werden dürfte. Im Falle einer sich abzeichnenden Invasion würde Taiwan zu einer Festung ausgebaut, mit zahlreichen Bunkeranlagen und unterirdischen Gängen.

Das Stachelschwein-Konzept soll in erster Linie die Chinesen vor einem Angriff abschrecken. Darüber hinaus macht sich der taiwanische Verteidigungsplan die geografischen Gegebenheiten der Insel zunutze: Die Chinesen müssten mit Landungsbooten an einer steilen und mit dichten Wäldern bewachsenen Küste landen, die über ein verzweigtes Verteidigungsnetzwerk verfügt. Perfekt geeignet für einen Guerilla-Kampf.

In jedem Fall werden die taiwanischen Verteidiger die chinesischen Truppen kommen sehen. Die USA beliefern Taiwan deshalb mit modernen Anti-Schiff- und Flugabwehrraketen. Außerdem wurden im Sommer Verträge über die Lieferung von Himars-Artilleriesystemen geschlossen, die sich in der Ukraine im Kampf gegen die russische Armee bewährt haben.

Der Plan der taiwanischen Armee ist demnach: Chinas Landung auf der Insel erschweren und die chinesischen Truppen so lange in Häuserkämpfe verstricken, bis die militärische Unterstützung der Vereinigten Staaten vor Ort ist.

"Werden uns nicht einschüchtern lassen"

Denn allein hat Taiwan militärisch keine Chance, das wichtigste Pfund im Kampf mit China ist die Unterstützung der Vereinigten Staaten. Zwar gibt es kein Bündnis oder eine Beistandsverpflichtung zwischen den USA und Taiwan, aber US-Präsident Joe Biden stellte in einem CNN-Interview im Herbst 2021 klar: "Wir haben eine Verpflichtung, dies zu tun." Er meinte die moralische.

Für die USA wäre im Ringen mit China der Verlust Taiwans eine massive geostrategische Niederlage. Deshalb hat die US-Marine ihre Präsenz im Südchinesischen Meer in den vergangenen Jahren erhöht. Ein US-Flugzeugträger ist immer in der Region, in Malaysia und auf der japanischen Insel Okinawa unterhalten die Amerikaner Militärstützpunkte in Schlagdistanz. Stand heute müsste Taiwan nur bis zu einem Tag durchhalten.

Das größte Risiko für die Inselrepublik ist demnach, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen den USA und der Volksrepublik weiter zugunsten Chinas verschiebt. Die Folgen eines direkten Konfliktes zwischen den Supermächten wäre schon jetzt global mit katastrophalen Folgen verbunden. Irgendwann könnte es für die Amerikaner zu teuer werden, Taiwan zu verteidigen.

"Wir werden uns von starkem Wind, unruhiger See und selbst gefährlichen Stürmen nicht einschüchtern lassen", erklärte Xi dagegen auf dem KP-Parteitag in Peking. Das Land sei mit "drastischen Veränderungen im internationalen Umfeld konfrontiert, vor allem mit Versuchen der Erpressung, der Eindämmung, Blockade und maximalem Druck". Es ist das erste Mal, dass Xi von einer "Erpressung" spricht. Damit will er wahrscheinlich die Reihen hinter sich schließen, im geostrategischen Kampf mit den USA. Xi wirbt für ein China, das sich nicht mehr einschüchtern lässt, vor allem vom Westen nicht.

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Trotzdem sieht auch der chinesische Präsident das folgenschwere Dilemma, in das sich sein russischer Amtskollege Wladimir Putin mit dem Angriff auf die Ukraine gebracht hat. Xi handelt bedachter und verfolgt eher längerfristige Ziele: Die wirtschaftliche Dominanz bleibt der Schlüssel auf dem Weg zur beherrschenden Supermacht. Dafür braucht die Volksrepublik den Westen und keinen Wirtschaftskrieg. Deswegen kann Xi notfalls mit einer Invasion warten, bis vielleicht wieder ein Präsident im Weißen Haus sitzt, dem Taiwans Schicksal egal ist.

Aber eines scheint klar zu sein: Sieht die chinesische Führung eine Schwäche im Westen, wird sie in Taiwan zuschlagen. Xi wartet auf seine Chance.

Verwendete Quellen
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