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Taiwan-Invasion von China? Die Angst vor dem Russland-Déjà-vu im Pazifik


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Taiwan-Invasion durch China?
Die Angst vor dem Déjà-vu im Pazifik

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 23.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Kampfübungen des taiwanischen Militärs: Die Angst vor China wächst. (Quelle: IMAGO/Daniel Ceng Shou-Yi)

In den USA gilt ein eskalierender Konflikt mit China um Taiwan als immer wahrscheinlicher. Für Deutschland wäre das ein wirtschaftliches Desaster.

Eine Sorge treibt deutsche Unternehmer derzeit am meisten um. Zwar geht es viel um die Energiesicherheit infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Aber die Angst wächst vor einem weiteren Konflikt mit globalen Auswirkungen: Eine mögliche Taiwan-Invasion durch China hätte unabsehbare Folgen, auch für Deutschland. Zu hören war das unter anderem bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds in der US-Hauptstadt Washington.

Banker, Finanzpolitiker und Unternehmer aus der ganzen Welt berieten und diskutierten dort mehrere Tage die wirtschaftlichen Aussichten. Insbesondere für Deutschland sollen sie desolat sein. Während das wirtschaftliche Entkoppeln von Russland voll im Gange ist, ist den meisten klar: Das wäre mit China kaum möglich. Deutschland, so hieß es in Hintergrundgesprächen während der Washingtoner Herbsttagung, gelte wirtschaftlich inzwischen als "kranker Mann" in den Augen der internationalen Kollegen. Wie sehr das so gesehen wird, davon sei man selbst überrascht gewesen.

Die Zeiten dreifacher deutscher Abhängigkeit aus billiger russischer Energie, lukrativen Geschäften mit China und gleichzeitigen amerikanischen Sicherheitsgarantien scheinen endgültig vorbei zu sein. Hochrangige deutsche Unternehmer und auch Politiker warnen darum immer häufiger davor, dass ein auch noch eskalierender Konflikt zwischen China und dem Westen am allerwenigsten im deutschen Interesse läge. Ein Russland-Déjà-vu im Pazifik mit anschließenden Sanktionen könnte sich Deutschland nicht leisten.

Die Frage ist, inwieweit Deutschland auf diesen Konflikt wirklich Einfluss hat. Aber was dann? In Hintergrundgesprächen fallen Sätze wie: "Dann ist alles vorbei." Gemeint ist nicht weniger als das Ende des deutschen Wirtschaftsmodells und Wohlstandstandversprechens.

Invasionsszenario für 2022

Doch die Spannungen zwischen Peking und Washington wachsen. In der vergangenen Woche warnten die USA so eindringlich wie noch nie davor, dass eine Invasion Taiwans sogar noch in diesem Jahr bevor stehen könnte.

Der Chef der US Navy beeilte sich zwar noch, zu sagen, er wolle nicht alarmistisch klingen. Was der amerikanische Admiral Michael Gilday aber gerade gesagt hatte, klang so dramatisch, dass es schwerfällt, nicht alarmiert zu sein. Zusammengefasst, sagte Gilday bei einer öffentlichen Veranstaltung der Denkfabrik "Atlantic Council" nicht weniger als das: Die USA gehen davon aus, dass chinesische Truppen bereits in diesem Jahr in Taiwan einmarschieren könnten.

Es gehe nicht nur darum zu analysieren, was Präsident Xi Jinping äußert, sondern wie sich die Chinesen in Wahrheit verhalten und was sie tun würden. "Was wir in den vergangenen 20 Jahren gesehen haben, ist, dass sie jedes Versprechen, das sie gemacht haben, früher wahrgemacht haben, als sie angekündigt hatten", sagte Gilday.

Bislang kommunizierten die USA ein Zeitfenster von etwa fünf Jahren. Bis 2027 könnte China demnach eine Eroberung Taiwans angehen, hieß es. "In meinen Augen muss das Zeitfenster 2022 oder möglicherweise 2023 sein", so der Marine-Admiral. Er könne das nicht ausschließen. Man könne sich das nicht einfach wegwünschen. Er verwies auf die "Unberechenbarkeit" des Ukraine-Konflikts mit Russland". Dieser habe ihn dazu gebracht, sich "wirklich darauf zu konzentrieren, sicherzustellen", dass die Schiffe, welche die USA heute im Pazifik einsetzen, "so einsatzbereit wie möglich sind".

Es klingt zumindest bereits kommunikativ nach einem Russland-Déjà-vu im Pazifik. Auch vor dem Krieg in der Ukraine hatten die USA zuerst vor den russischen Aktivitäten gewarnt, die eigenen Geheimdiensterkenntnisse über Moskaus Pläne an die Öffentlichkeit gegeben.

Mit seinen Äußerungen ging Admiral Gilday sogar noch über die Äußerungen des amerikanischen Außenministers Antony Blinken hinaus. Der hatte schon Anfang der Woche auf einer Reise im Bundesstaat Kalifornien gewarnt, China sei "entschlossen, eine Wiedervereinigung mit einem viel schnelleren Zeitplan zu verfolgen". Die chinesische Regierung habe die "grundlegende Entscheidung getroffen, dass der Status quo nicht länger akzeptabel ist", so Blinken.

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Das Ende des wackeligen Status quo

Die Lage ist brisant, denn der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert an. Würde China wirklich so schnell den Sprung nach Taiwan wagen, wären auch die USA mittelbar und unmittelbar in zwei Konflikte mit gleich zwei Nuklearmächten verwickelt. Das liegt nicht im amerikanischen Interesse. China könnte aber genau deshalb den Druck erhöhen.

Zwar gilt im Weißen Haus nach wie vor die offizielle Linie, dass man an der sogenannten "Ein-China-Politik" festhalte. Demnach erkennen die USA die Volksrepublik China als alleinige rechtmäßige Regierung Chinas an, unterhalten mit Taiwan aber inoffizielle Beziehungen. Dieser Status quo der sogenannten "strategischen Ambiguität" sicherte bislang den Frieden. Was aber, wenn, wie Blinken es formulierte, China diesen Status quo nicht länger akzeptiert?

Der US-Präsident hat darauf bereits mehrfach Antworten gegeben, die auf merkwürdige Weise aber nicht der offiziellen Linie des Weißen Hauses entsprechen sollen. Im September hatte Joe Biden in einem Interview bei CBS eine Frage eindeutig bejaht. Sie lautete: "Würden die US-Streitkräfte die von China beanspruchte, demokratisch regierte Insel verteidigen?" Bidens Antwort: "Ja, wenn es tatsächlich zu einem beispiellosen Angriff gekommen ist." Auch auf die Nachfrage, ob er damit meine, "dass US-Streitkräfte – also amerikanische Männer und Frauen – Taiwan im Falle einer chinesischen Invasion verteidigen würden, antwortete Biden: "Ja."

Taiwan als "Stachelschwein" vor Chinas Küste

Schon lange trainiert das amerikanische Militär die taiwanische Armee, liefert Waffen und Know-how. Laut einem Bericht der "New York Times" sagen Regierungsbeamte, Taiwan müsse zu einem mit ausreichend Waffen ausgerüsteten "Stachelschwein" werden, um standzuhalten, wenn die chinesische Armee versuche, die Insel zu blockieren und einzunehmen. Selbst dann, wenn die USA selbst beschließen sollten, eigene Truppen zu entsenden.

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Diese Aufrüstungsbemühungen dauern zwar schon eine ganze Weile an, verlaufen aber wegen des Ukraine-Krieges schleppender als gewünscht. Waffen werden derzeit priorisiert in die Ukraine geliefert. Zudem können auch die USA nur austesten, wie die chinesische Regierung auf solche Maßnahmen reagiert.

Der US-Senat hatte zuletzt seine Militärhilfen für Taiwan nach oben korrigiert. Genehmigt werden nun 10 Milliarden US-Dollar. Das ist mehr als das Doppelte des ursprünglich geplanten Umfangs.

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Die Spannungen in der Taiwan-Frage zwischen den Vereinigten Staaten und China sind in diesem Jahr immer weiter eskaliert. Im Sommer hatte ein Besuch der demokratischen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die chinesische Regierung erzürnt. Mehrere Tage hielt Peking daraufhin riskante Militärübungen um Taiwan ab, überflog mehrfach mit Kampfjets den Sicherheitsluftraum des Inselstaates.

Als Nächstes reist die stellvertretende US-Außenministerin Wendy Sherman kommende Woche nach Tokio, um ihre Amtskollegen aus Südkorea und Japan zu treffen. Dort wird sie nach Angaben des amerikanischen Außenministeriums nicht nur die jüngsten Raketenstarts Nordkoreas besprechen, sondern auch die aktuelle Lage um China und die Spannungen mit Taiwan.

Deutschland bleibt abhängig

Für Deutschland und seine Unternehmen bleibt die Taiwan-Frage besonders heikel. Man sei besorgt über einen gewissen "Tunnelblick" der Amerikaner, heißt es aus Thinktank- und Regierungskreisen.

Seit Monaten wird auch gemeinsam mit den EU-Partnern geplant, zumindest in wichtigen strategischen Bereichen "ein Mapping der Abhängigkeiten" von China zu erstellen und diese nach Möglichkeit zu reduzieren. Halbleiter, seltene Erden, raffinierte Metalle und auch Pharmaprodukte gehören dazu. Den Handel mit China aber zu reduzieren, daran gibt es derzeit kein wirtschaftliches und darum auch kein politisches Interesse.

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