Silvio Berlusconi Italiens Stehaufmännchen
Nach einer Stippvisite in Brüssel will der skandalumwitterte Politiker in den italienischen Senat einziehen. Gelingt ihm so ein später Triumph?
Weder Skandale um Sex-Partys noch eine Verurteilung wegen Steuerbetrugs haben seine Karriere beenden können. Während Europa gespannt auf Giorgia Meloni schaut, die als Anführerin einer postfaschistischen Partei Italiens neue Ministerpräsidentin werden könnte, macht sich in der zweiten Reihe Silvio Berlusconi bereit für seine Rückkehr in die Landespolitik.
Der heute 85-jährige Präsident der Mitte-Rechts-Partei Forza Italia zielt bei der Wahl an diesem Sonntag auf das Amt des Senatspräsidenten – mit Hilfe seiner zwei rechtsextremen Bündnispartner könnte ihm so noch ein später Triumph gelingen.
- Italienische Postfaschisten vor Wahlerfolg: Wie konnte es so weit kommen?
Was kann Berlusconi erreichen?
Berlusconi, skandalumwitterter Medienunternehmer und Politiker, steht längst nicht mehr ganz vorne im politischen Rampenlicht. Berlusconi selbst kandidiert für den Senat, die kleinere der zwei Parlamentskammern, die vor allem von Regionalvertretern besetzt ist.
Dennoch, so berichten italienische Medien, plant das rechte Dreierbündnis, den 85-Jährigen im Falle eines Wahlsieges zum Senatspräsidenten zu machen. Dieser wird von den Mitgliedern des Senats gewählt, in dem die mögliche Koalition eine Mehrheit erwarten darf.
Die Unterstützung der Fratelli d'Italia unter Spitzenkandidatin Giorgia Meloni und der Lega unter Matteo Salvini hat der skandalumwitterte Medienunternehmer offenbar. Salvini, so meinen Beobachter, würde sich so für Berlusconis Beihilfe zum Sturz der Draghi-Regierung revanchieren und Meloni sei ohnehin auf das Amt der Ministerpräsidentin fokussiert.
Berlusconi, der die italienische Politik über Jahrzehnte prägte, hat sich in der politischen Debatte zuletzt durch Bekenntnisse zur Europäischen Union bemerkbar gemacht. Er ist bemüht, die Forza Italia als gemäßigten Partner in der möglichen Koalition darzustellen. Dies ist ihm auch dank des Schulterschlusses mit der Europäischen Volkspartei (EVP) gelungen. Dessen Vorsitzender, CSU-Politiker Manfred Weber, war zuletzt heftig kritisiert worden, nachdem er eine Wahlempfehlung für die Berlusconi-Partei ausgesprochen hatte.
Nur Mussolini war länger Premier
"Berlusconismus" – das politische Auftreten des Mailänders hat längst einen eigenen Namen. Mit einer populistischen Mischung aus Opportunismus, Dreistigkeit, Machismus, aber auch einem Gespür für Stimmungen im Land und dem großen Einfluss seiner eigenen TV-Sender wurde der studierte Rechtswissenschaftler und frühere Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen zur prägenden Figur der Politik im Rom der 90er- und Nullerjahre. Viermal war er Regierungschef, insgesamt kam er dabei auf mehr als neun Jahre im Palazzo Chigi – nach dem faschistischen Führer Benito Mussolini war kein anderer so lange italienischer Ministerpräsident.
Als "Vater aller Populisten" bezeichnete ihn einst Ex-Ministerpräsident Mario Monti. In den meisten westlichen Demokratien wäre jemand wie Berlusconi in der Politik längst eine Persona non grata – doch bei dem Sohn eines Bankangestellten und einer Hausfrau ist das anders. Er ist aus der italienischen Politik seit Jahrzehnten nicht wegzudenken.
Berlusconis Karriere begleitet eine schier endlose Justizsaga. Dutzende Verfahren wurden gegen den früheren Bauunternehmer, Medienmogul und Sportfunktionär geführt – viele scheiterten, weil nach jahrelangem Verzögern die Verjährungsfrist erreicht war. 2013 wurde er wegen Steuerbetrugs verurteilt und musste zur Strafe in einem Altenheim Sozialdienst leisten. In dem sogenannten "Ruby"-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch wurde er vom Obersten Gericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Es wäre ein doppelter Triumph
Nach der Verurteilung 2013 wurde Berlusconi mit einem sechsjährigen Verbot belegt, öffentliche Ämter einzunehmen. Innerhalb seiner Partei verblieb er dennoch an der Spitze. 2019 kehrte Berlusconi als Europaparlamentarier auf die politische Bühne zurück. Dort glänzte er Medienberichten zufolge vor allem mit Abwesenheit.
Als Grund für die mangelnde Präsenz in Brüssel werden auch gesundheitliche Probleme vermutet. Nach einer Herzoperation 2016 und einer Corona-Infektion 2020 ist der "Cavaliere" (Ritter) genannte Politiker regelmäßig in ärztlicher Behandlung. Medienberichten zufolge hatten ihm Familienmitglieder Anfang des Jahres geraten, auch wegen seiner Gesundheit einen Schritt zurück zu machen.
Erst im Januar dieses Jahres war Berlusconi daran gescheitert, sich in das Amt des Staatspräsidenten wählen zu lassen. Sollte ihm nun der Sprung in das Amt des Senatspräsidenten gelingen, würde er zugleich Stellvertreter des amtierenden Präsidenten Sergio Mattarella. Es wäre ein doppelter Triumph für Berlusconi, der nach dem Schuldspruch 2013 aus ebendiesem Senat verbannt wurde.
- Nachrichtenagentur dpa
- tagesschau.de: "Berlusconi wirbt mit Liebe und Werten"
- repubblica.it: "Salvini promised Berlusconi the presidency of the Senate: this is the bargaining chip used to give up Draghi" (italienisch)
- ilfattoquotidiano.it: "Berlusconi is the most absent of the EU Parliament" (italienisch)