Auf Druck Ungarns EU verzichtet auf Sanktionen gegen russischen Patriarchen Kirill
Eigentlich waren Strafmaßnahmen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Teil des sechsten Sanktionspakets. Auf Druck Ungarns wurde dieser Punkt allerdings wieder gestrichen.
Die EU verzichtet wegen des Widerstands von Ungarn vorerst auf Sanktionen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kirill. Das sechste EU-Sanktionspaket, in dem auch ein weitgehendes Öl-Embargo enthalten ist, wurde von Vertretern der EU-Staaten ohne die eigentlich gegen Kirill geplante Strafmaßnahme gebilligt, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.
Kirill gilt als einer der wichtigsten Unterstützer von Kremlchef Wladimir Putin im Krieg gegen die Ukraine. Der 75-Jährige rechtfertigte den russischen Einmarsch in die Ukraine damit, dass der Westen eine aggressive Haltung habe. Zudem warf er dem Westen vor, mit der Erweiterung der Nato immer näher an die russische Grenze heranzurücken – und so zu versuchen, Russland fremde Werte aufzuzwingen.
Orbán: Glaubensfreiheit ist unveräußerlich
Die Ukraine selbst habe acht Jahre lang die Bevölkerung im Donbass unterdrückt und ausgerottet, während die Welt tatenlos zugeschaut habe, meinte Kirill in seiner Predigt zum orthodoxen Fastensonntag zwei Wochen nach Kriegsbeginn. Bitten, als Vermittler tätig zu werden, lehnte er ab – auch die von Papst Franziskus. Zuletzt behauptete er sogar, Russland habe noch nie ein anderes Land angegriffen.
Ungarn wollte die Sanktionierung dennoch nicht akzeptieren. Regierungschef Viktor Orbán hatte seine Haltung zuletzt "mit der Frage der Glaubensfreiheit ungarischer Religionsgemeinschaften" begründet. Diese sei "heilig und unveräußerlich". Die Regierung in Budapest zeigte sich nach ihrer erneuten Blockade zufrieden. Ungarn habe einen langen Kampf ausgefochten, zitierte Regierungssprecher Zoltan Kovacs auf Twitter Außenminister Peter Szijjarto. Dieser habe sich aber gelohnt, und das Sanktionspaket sei nun mit Ungarns nationalen Sicherheitsinteressen vereinbar.
Nach Angaben von EU-Diplomaten waren am Donnerstag etliche Staaten extrem verärgert über die erneute Blockade Ungarns. Auch die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley forderte, Ungarn das Stimmrecht zu entziehen. Das Land missbrauche das Einstimmigkeitsprinzip in der EU als Erpressungsmittel, sagte die SPD-Politikerin im Interview mit MDR Aktuell. Lesen Sie hier mehr dazu.
Weitere Sanktionen sollen Öl- und Finanzmarkt Russlands treffen
Der wirtschaftlich besonders relevante Boykott gegen Öllieferungen aus Russland sieht vor, im kommenden Jahr auf dem Seeweg kein Öl mehr in die EU zu lassen. Lediglich Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen wegen ihrer großen Abhängigkeit noch bis auf Weiteres russisches Öl über die Druschbba-Pipeline importieren dürfen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge wird die EU trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres rund 90 Prozent weniger Öl aus Russland beziehen. Nach Schätzungen der EU-Denkfabrik Bruegel gaben EU-Staaten bis vor Kurzem noch täglich etwa 450 Millionen Euro für Öl aus Russland sowie 400 Millionen für Gas aus Russland aus.
Zu den weiteren vorgesehenen Strafmaßnahmen zählt, dass die größte russische Bank, die Sberbank, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen wird. Zudem werden mehrere russische Nachrichtensender in der EU verboten.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa