Vertragsänderungen gefordert Macron will weitreichende Reform der Europäischen Union
Der französische Präsident hat große Pläne für die EU: Viele Prinzipien will er abschaffen oder verändern. Dazu schlägt er die Einberufung eines Sondergremiums vor. Die Bürger hat er laut einem neuen Bericht hinter sich.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich stark für eine umfassende Reform der Europäischen Union sowie eine Änderung der EU-Verträge. Den Vorschlag des Europaparlaments, dazu einen Verfassungskonvent einzuberufen, unterstütze er, sagte Macron am Montag in Straßburg. "Wir werden unsere Texte reformieren müssen. Einer der Wege zu dieser Reform ist die Einberufung eines Konvents zur Revision der Verträge."
Reformbedürftig seien etwa der Vertrag von Maastricht zum Euro und einer einheitlichen Geldpolitik oder das Schengener Abkommen zum Wegfall fester Grenzkontrollen innerhalb der EU, sagte Macron bei der Abschlussfeier einer Konferenz zur Zukunft Europas.
13 Staaten stellen sich gegen Verfassungskonvent
Zeitgleich zur Ankündigung Macrons veröffentlichten 13 EU-Staaten ein Papier, in dem sie sich gegen einen Verfassungskonvent aussprachen. "Wir haben bereits ein Europa, das funktioniert", heißt es in der Stellungnahme. Es gebe keinen Grund, institutionelle Reformen durchzuführen, um Ergebnisse abzuliefern. "Wir erinnern daran, dass Vertragsänderungen nie ein Ziel der Konferenz waren." Das Papier wurde vor allem von nördlichen und östlichen EU-Ländern unterstützt, darunter Dänemark, Polen, Rumänien und Tschechien.
Macron warnte davor, sich von den Zögerern bei Reformvorhaben ausbremsen zu lassen. Man müsse sich vor der Anvant-Garde nicht fürchten, sondern mitreißen lassen. Der Wille, die 27 Mitgliedsstaaten zusammenzuhalten, bremse nach seiner Einschätzung die Ambitionen der EU bereits seit längerem.
Vertragsänderungen sind meist kompliziert
Für eine Änderung der EU-Verträge ist in der Regel ein kompliziertes Verfahren vorgesehen: Regierungen, das EU-Parlament oder die EU-Kommission können entsprechende Entwürfe vorschlagen, die dann den Staats- und Regierungschefs sowie den nationalen Parlamenten übermittelt werden.
Wenn die Staats- und Regierungschefs mit einfacher Mehrheit den Änderungsvorschlägen zustimmen, wird ein Konvent von Vertretern der nationalen Parlamente, der Staats- und Regierungschefs, des EU-Parlaments und der Kommission einberufen. Dieser kann einstimmig eine Empfehlung zu den Entwürfen annehmen. Zudem müssen die Änderungen im Einklang mit den nationalen Verfassungen in Kraft gesetzt werden.
Bürger wollen EU-Reformen
Anlass von Macrons Rede vor dem EU-Parlament war die Vorstellung eines Berichts zu eines einjährigen Konsultationsprozesses der EU-Institutionen mit den Bürgerinnen und Bürgern, der als Konferenz über die Zukunft Europas bezeichnet wird. Demzufolge wünschen sich die meisten Bürgerinnen und Bürger eine gerechtere und solidarischere EU mit einem verstärkten Kampf gegen den Klimawandel und schnelleren Entscheidungen. Dafür sind sie auch zu einem Verzicht auf das Einstimmigkeitsprinzip der 27 Mitglieder zählenden Staatengemeinschaft bereit.
Die 49 Vorschläge werden nun vom Europäischen Parlament, den EU-Regierungen und der Europäischen Kommission geprüft, die als einzige Instanz neue EU-Gesetze vorschlagen kann.
"Nicht nur diejenigen, die Ihnen am besten passen"
"Wir fordern Sie auf, diese Vorschläge als Ganzes zu betrachten und sie umzusetzen, und nicht nur diejenigen, die Ihnen am besten passen und leicht umzusetzen sind", so die Autoren des Berichts in einem direkten Appell an die Institutionen. "Tun Sie es auf transparente Weise."
Die im Bericht aufgeführten Vorschläge umfassen neun Themen: Klimawandel und Umwelt, Wirtschaft, Migration, digitale Transformation, Demokratie, Bildung, Werte und Rechtsstaatlichkeit, Gesundheit und die Stellung der EU in der Welt. Sie zielen darauf ab, Diskriminierung zu beenden. Auch wird die Union aufgefordert, "mutig zu sein und schnell zu handeln", um eine Vorreiterrolle in Sachen Umwelt und Klima zu übernehmen – etwa indem sie einen nachhaltigen Verkehr fördert und zu einer "echten Kreislaufwirtschaft" wird.
Einstimmigkeitsgesetz aufheben
Der Bericht fordert auch, das Einstimmigkeitsprinzip bei EU-Entscheidungen aufzuheben. Dieses gilt derzeit in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, Steuern, EU-Finanzen, einigen Bereichen der Justiz und des Inneren sowie der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes.
Viele EU-Länder sind der Ansicht, dass ein langwieriger Prozess zur Änderung der europäischen Verträge angesichts der wirtschaftlichen Probleme nach der Corona-Pandemie, der Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine und des Klimawandels nur Ressourcen von der Lösung dringenderer Probleme abziehen und neue Spaltungen verursachen würde.
- Nachrichtenagentur Reuters, dpa