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Reform der EU: Parlament in Straßburg plant großen Bürgerdialog


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Reform der EU
Parlament in Straßburg plant großen Bürgerdialog


15.01.2020Lesedauer: 3 Min.
Pro-europäische Demonstranten in Berlin: Das EU-Parlament will die Bürger bei der Reform der Union umfassend beteiligen. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Pro-europäische Demonstranten in Berlin: Das EU-Parlament will die Bürger bei der Reform der Union umfassend beteiligen. (Archivbild) (Quelle: Hannibal Hanschke/reuters)
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An der EU und ihren Institutionen gibt es seit Jahren Kritik. Nun will sich der Staatenbund umfassend erneuern und startet dazu einen Reformprozess. Das EU-Parlament setzt vor allem auf Bürgerbeteiligung.

Die letzte große Reform der Europäischen Union liegt schon über zehn Jahre zurück. Damals, im Dezember 2009, trat der Vertrag von Lissabon in Kraft, der die europäische Integration vertiefen und den Staatenbund international handlungsfähiger machen sollte. Doch seither sah sich die Union erheblichen Erschütterungen ausgesetzt, die sie wie in der Asylfrage an den Rand der Stagnation gebracht haben und Forderungen nach weitreichenden Reformen laut werden ließen.

Eine solche weitreichende Neujustierung will die EU nun in Angriff nehmen. Das dafür Bedarf besteht, ist Konsens zwischen Kommission, EU-Parlament und Nationalstaaten. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat angekündigt, die Reform zu einem Hauptanliegen ihrer Präsidentschaft machen zu wollen. Sie rief dafür eine "Konferenz zur Zukunft der Europäischen Union" aus, die am 9. Mai – dem Europatag – beginnen und zwei Jahre dauern soll.

Wie soll der Reformprozess aussehen?

Doch bei der Vorstellung davon, wie der Reformprozess ablaufen soll und wer dabei den Ton angibt, teilen sich die Geister. Während die Regierungen von Deutschland und Frankreich auf eine starke Rolle der Nationalstaaten pochen, drängt das EU-Parlament auf eine möglichst breite Beteiligung der Bürger.

Am Mittwoch brachten die Abgeordneten in Straßburg ihr Positionspapier zum Reformprozess auf den Weg. Eine parteiübergreifende Mehrheit von 494 zu 147 Stimmen stellte sich hinter die entsprechende Resolution. Die wichtigsten Punkte des Papiers im Überblick:

- Der Dialog mit den Bürgern soll nach dem Willen der Parlamentarier ein zentraler Baustein der Zukunftskonferenz sein. Deshalb soll es regelmäßig an verschiedenen Orten im gesamten EU-Gebiet sogenannte "Agoras" geben, also Bürgerversammlungen. Geht es nach dem EU-Parlament, werden die Agoras der entscheidende Impulsgeber für die Konferenz. Hier werden die Schwerpunkte der Debatten gesetzt. Hintergrund: Der Begriff Agora kommt aus dem Griechischen und bedeutet Markt. Im antiken Griechenland waren die Marktplätze der zentrale Ort für politische Diskussionen.

- Zu den wichtigsten Themenfeldern soll es regelmäßig themenbezogene Agoras geben, an denen bis zu 300 repräsentativ ausgewählte Bürger teilnehmen, mindestens drei pro Mitgliedsland. Die Auswahl der Teilnehmer soll von unabhängigen Stellen vorgenommen werden. Gewählte Abgeordnete, Regierungsmitglieder oder Vertreter professioneller Interessengruppen sind von den Versammlungen ausgeschlossen.

- Eine besondere Rolle in dem Prozess soll der Jugend zukommen, da die Konferenz langfristig Weichen für die Zukunft der EU stellen will. Deshalb soll es zusätzlich zu den Bürgerversammlungen auch "Jugend-Agoras" geben. Das Parlamentspapier sieht mindestens zwei solcher Versammlungen vor.

- Neben den Agoras soll es eine regelmäßig tagende Plenarversammlung geben, die sich mindestens zweimal jährlich im EU-Parlament trifft. Sie soll die Impulse aus den Agoras aufnehmen und u.a. aus Abgeordneten des EU-Parlaments (nicht mehr als 135), Vertretern des EU-Rates, der nationalen Parlamente (zwischen zwei und vier pro Staat), der EU-Kommission sowie Repräsentanten der Agoras bestehen.

- Während des gesamten Prozesses sollen die Bürger umfassend über die Arbeit der Versammlungen und Agoras informiert werden. Tagungen sollen im Netz übertragen, wichtige Dokumente online veröffentlicht werden.

- Am Ende sollen eindeutige Handlungsempfehlungen an die EU-Institutionen stehen, auf die diese einzugehen haben. Die Teilnehmer der Konferenz sollen sich verpflichten, die Umsetzung der Empfehlungen zu begleiten.

Der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund begrüßte den Parlamentsbeschluss als ein starkes Signal für mehr Bürgerbeteiligung. "Nun liegt es an den EU-Regierungen und der Europäischen Kommission, die Chance für eine EU-Reform zu nutzen", sagte Freund zu t-online.de. "Eine tiefgreifende Reform hin zu mehr Handlungsfähigkeit und Bürgernähe wird nur dann möglich sein, wenn alle Europäischen Institutionen an einem Strang ziehen."

Die EU-Kommission hat angekündigt, kommende Woche eigene Vorschläge für die Zukunftskonferenz vorlegen zu wollen. Die EU-Staaten arbeiten ebenfalls an einer gemeinsamen Position. Alle drei Institutionen müssen sich dann über Inhalte und Ablauf der Konferenz einig werden.

Die Reformkonferenz geht auf Ideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zurück. Er dringt seit seinem Amtsantritt 2017 auf eine umfassende Reform der EU. Die Bundesregierung reagierte bisher aber in vielen Bereichen zurückhaltend. Nur unter großen Mühen konnten sich etwa die Finanzminister beider Seiten wenigstens auf eine Minimalversion des von Macron verlangten Haushalts für die Eurozone einigen.

Verwendete Quellen
  • Entwurf für die Resolution des EU-Parlaments
  • mit Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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