Forderung des Grünen-Chefs "PR-Aktion": Union und FDP kritisieren Habecks Asyl-Vorstoß
Grünen-Chef Robert Habeck hat die Aufnahme Tausender Kinder aus überfüllten griechischen Flüchtlingslagern gefordert. In Union und FDP wird Habecks Vorstoß heftig widersprochen.
Angesichts der Zustände in griechischen Flüchtlingslagern hat Grünen-Chef Robert Habeck von Deutschland die Aufnahme von Kindern aus den Lagern gefordert. "Wir könnten doch wenigstens für die Kinder in der größten Not unmittelbare Hilfe leisten", sagte Habeck der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.). Vertreter des Bundesinnenministeriums wiesen den Vorstoß zurück. Zugleich kam eine Debatte über ein altes und immer noch ungelöstes Problem in Gang: Die Verteilung von Flüchtlingen in der EU.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries mahnte in der "Welt", unter keinen Umständen zuzulassen, "dass erneut Fehlanreize geschaffen werden, die neue Migrationswellen nach Deutschland auslösen". FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte der Zeitung, eine "PR-Aktion kurz vor Weihnachten hilft nicht, das Fluchtproblem verantwortungsvoll zu lösen". Parteivize Wolfgang Kubicki stellte in der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag) die rhetorische Frage: "Was ist mit den Kindern in türkischen, jordanischen oder libyschen Lagern?"
Dagegen sagte der niedersächsische SPD-Innenminister Pistorius der "Welt": "Wenn alle immer warten, dass alle mitmachen, macht am Ende keiner was." Es gehe darum, als Zeichen der Humanität "nicht Tausende, aber einige hundert" Kinder nach Deutschland zu holen. Eher vage äußerte sich die Parteivorsitzende Saskia Esken: "Wir müssen die Situation vor Ort verbessern, aber auch die Aufnahme von geflüchteten Menschen in anderen Mitgliedstaaten ermöglichen, und natürlich müssen Kinder gemeinsam mit ihren Familien ein besonderes Augenmerk erhalten", sagte sie der "Rheinischen Post".
Habeck: Mehr als 4.000 Kinder auf den Inseln
Habeck sagte der F.A.S., auf den griechischen Inseln drängten sich rund 4.000 Kinder. "Viele Mädchen, viele zerbrechliche kleine Menschen. Es ist ein Gebot der Humanität, da schnell zu helfen." Zustimmung bekam Habeck von der Organisation Pro Asyl. Deren Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte laut einer Mitteilung: "Es ist unerträglich, dass Tausende Flüchtlingskinder in griechischen Elendslagern vor Kälte, Nässe und Hoffnungslosigkeit zittern, während hier weihnachtliche Urlaubsstimmung einkehrt."
In den Flüchtlingslagern auf den Inseln im Osten der Ägäis sind nach Angaben aus Athen um die 40.000 Menschen untergebracht, obwohl nur Platz für rund 7.500 Menschen ist. Die Lage gerät zunehmend außer Kontrolle, die Zustände sind nach Berichten humanitärer Organisationen dramatisch. Griechenland rechnet im kommenden Jahr mit weiteren 100.000 Migranten, die aus der Türkei übersetzen.
Migration seit Jahren ein Streitthema
Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Stephan Mayer (CSU), lehnte einen Alleingang Deutschlands ab. Dann "würden sich die anderen EU-Länder ihrer Verantwortung entziehen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Ähnlich äußerte sich sein Staatssekretärskollege Günter Krings (CDU) in der "Rheinischen Post": "Das Ziel muss sein, dass die Lage für alle Asylbewerber in Griechenland schnellstmöglich verbessert wird. Einseitige Aufnahmeaktionen für bestimmte Gruppen sind keine Lösung." Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es brauche Klarheit an der Grenze. "Wir müssen direkt auf den griechischen Inseln entscheiden, ob jemand in Europa bleiben darf oder nicht."
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), forderte eine neue Initiative zur Verteilung der Menschen in der EU. Griechenland dürfe nicht allein gelassen werden, sagte sie dem RND. "Die neue EU-Kommission muss schnell einen neuen Anlauf zu einer fairen Verteilung der Geflüchteten auf die EU-Staaten unternehmen."
Über die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU wird seit Jahren gestritten. Mitgliedstaaten wie Ungarn und Polen wollen sich nicht dazu verpflichten lassen, Migranten aufzunehmen. Nach den derzeit gültigen Dublin-Regeln ist immer das Land für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Migrant zum ersten Mal EU-Boden betritt. Griechenland und Italien, wo die meisten Menschen ankommen, fühlen sich damit allein gelassen. Die neue EU-Kommission will das System, das sich nicht bewährt hat, deshalb reformieren.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte eine Asylprüfung schon an den EU-Außengrenzen vorgeschlagen und die Einführung eines festen Schlüssels für die Verteilung von Flüchtlingen, der sich nach der Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft der Staaten richtet.
- Nachrichtenagentur dpa