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Boris Johnson und der Brexit: Parlamentspause ein "skrupelloser Schachzug"


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Zwangspause fürs Parlament
Johnsons skrupelloser Schachzug


Aktualisiert am 29.08.2019Lesedauer: 3 Min.
Boris Johnson: Der britische Premier hat das Parlament in Zwangsurlaub geschickt.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson: Der britische Premier hat das Parlament in Zwangsurlaub geschickt. (Quelle: Will Oliver/EPA/dpa)
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Das Parlament will einen Brexit mit Abkommen, Boris Johnson einen Brexit am 31. Oktober. Mit seiner Parlamentspause kommt er dem Ziel deutlich näher – und auch einem No-Deal-Brexit.

Clive Lewis ist außer sich. "Wenn Boris das Parlament stilllegt, um seinen No-Deal-Brexit durchzuziehen, dann werden ich und andere Abgeordnete die Demokratie verteidigen", kündigt der Labour-Abgeordnete an. Die Polizei werde ihn und andere Abgeordnete aus dem Parlament entfernen müssen. "Wir werden die Bevölkerung aufrufen, auf die Straße zu gehen", schreibt er auf Twitter.

Und er ist mit seiner Wut nicht alleine. In den sozialen Netzwerken machen sich viele Politiker Luft. Die nordirische Europaabgeordnete Naomi Long bezeichnet Johnson gar als Diktator. Er wolle einen No-Deal-Brexit durchdrücken, indem er die Eigenständigkeit des Parlaments missachte.

Der britische Premierminister Boris Johnson will mit Zustimmung der Queen das Parlament bis zum 14. Oktober in eine Zwangspause schicken. Am 31. Oktober würde das Land dann ohne einen Deal aus der EU austreten, wenn bis dahin der Brexit nicht abermals verschoben wird oder das Parlament dem Austrittsvertrag mit der EU zustimmt. Aber mit der Zwangspause bleibt dafür nicht viel Zeit. Und so sieht es ganz danach aus, als ob Johnson es schaffen könnte, mit Skrupellosigkeit einen Brexit ohne Deal zu erreichen – gegen den Willen des Parlaments.

Die Optionen schwinden

Es gibt nicht mehr viele Möglichkeiten, einen EU-Austritt ohne Abkommen zu verhindern. Der Zeitplan für die Zwangspause ist wohl keinesfalls zufällig gewählt. Selbst wenn die Opposition es schafft, Johnson mit einem Misstrauensvotum zu stürzen, müsste sie dann auch eine klare Mehrheit hinter einem eigenen Kandidaten versammeln. Das dürfte schwierig werden, weil der Oppositionsführer Jeremy Corbyn bei anderen Parteien hoch umstritten ist. Wenn das nicht gelingt, hat auch die Regierungspartei wieder zwei Wochen Zeit, eine neue Mehrheit zu suchen. Ansonsten kommt es zu Neuwahlen. Und die wären dann ganz sicher nach dem Brexit.

Überhaupt sieht es seit Wochen so aus, als bereite die Regierung schon Neuwahlen vor. Der Premier und seine Minister überschütten die Bürger mit Versprechungen, wie prima es künftig sein wird, in Großbritannien zu leben, wenn der Brexit erst einmal vollzogen ist. Er wolle das Vereinigte Königreich zum besten Land der Welt machen, verkündete Johnson im Juli in gewohnt unbescheidener Art. Geld solle in die Schulen und ins Gesundheitssystem fließen, der Schatzkanzler sprach von Milliardenbeträgen, die plötzlich zur Verfügung stünden.

Ob ein Misstrauensvotum überhaupt erfolgreich wäre, ist zudem fraglich. Ob die Opposition es wirklich anstrebt auch. Denn sollte Johnson verlieren und würde dann vorerst kein neuer Premier eingesetzt – das Land würde ohne einen Kapitän auf den Eisberg No-Deal-Brexit zusteuern.

Es ist davon auszugehen, dass Johnson und sein Chefstratege Dominic Cummings fest damit rechnen, dass die Abgeordneten dieses Szenario unbedingt vermeiden wollen. Dann könnten sie vielleicht doch in letzter Minute dem Austrittsvertrag zustimmen, quasi mit einer vorgehaltenen Pistole in den letzten Oktobertagen. Das Unterfangen ist zwar riskant und könnte schiefgehen. Doch Johnson ist ein Brexiteer, der Skrupel nicht kennt und einen Austritt ohne Abkommen nicht scheut. Die harten Brexiteers würde es freuen, und die hätte er dann auf ewig hinter sich.

Juristen sprechen von einer Verfassungskrise

Bleiben noch rechtliche Maßnahmen, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern, wie ein Notfallgesetz und rechtliche Verfügungen. Aber auch da läuft die Zeit ab, und die britische Verfassung ist ohnehin eine hochkomplexe Angelegenheit. So etwas wie das Grundgesetz gibt es in Großbritannien nicht. Die Komplexität und Undurchsichtigkeit der Verfassungsregelungen gefährden nun ernsthaft die Demokratie des Landes. Juristen sprechen sogar von einer ernsthaften Verfassungskrise.

Niemand geringeres als die Queen hätte dieses Chaos mit Ansage stoppen können. Aber sie ist dafür bekannt, dass sie sich aus dem politischen Geschäft heraushält, auch um die Monarchie nicht zu gefährden. Und so genehmigte sie die Parlamentspause.


Johnson hat sie mit seinem Schachzug aber in die missliche Lage gebracht, zusehen zu müssen, wie die Demokratie und somit das ganze Land Schaden nimmt. Sicherlich keine Erfahrung, die man sich nach 67 Jahren auf dem Thron wünscht.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
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