Vorsitz der EU-Kommission Eine dänische Liberale könnte Manfred Weber besiegen
Manfred Weber gibt sich siegessicher, künftig die EU-Kommission zu führen. Doch der Sozialdemokrat Frans Timmermans hat noch nicht aufgegeben – und nun tritt auch eine Frau auf den Plan.
Es muss eine kurze Nacht für Manfred Weber gewesen sein, doch der wenige Schlaf ist ihm nicht anzumerken. Nur ein paar Stunden nach dem historisch schlechten Abschneiden der Union und den Einbußen seiner EVP gibt sich der CSU-Politiker am Montagmorgen selbstbewusst.
Strahlender Gewinner sei seine christdemokratische Parteienfamilie bei der Europawahl zwar nicht geworden. Er sehe jedoch einen "Führungsanspruch, den die EVP, den die Europäische Volkspartei hat", sagt er vor einer CSU-Vorstandssitzung in München.
Der Führungsanspruch gilt vor allem für Weber selbst. Er will Chef der mächtigen EU-Kommission werden. Gegen wen wird sich der Bayer nun behaupten müssen? Und hat er eine realistische Chance auf die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker?
EVP und Sozialdemokraten haben Sitze verloren
Offensichtlichster Gegenspieler ist der Niederländer Frans Timmermans, der für die europäischen Sozialdemokraten als Spitzenkandidat angetreten war. Allerdings hat seine Parteienfamilie noch mehr Sitze verloren als die EVP. Entsprechend bescheiden gab sich Timmermans in der Wahlnacht. Inhalte sollten vor Posten kommen.
Denn nun ist klar: In naher Zukunft wird es wohl keine große Koalition mehr im Europäischen Parlament geben.
Weniger bescheiden trat die liberale EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf. Sie ist die Spitzenkandidatin der europäischen Liberalen und die Politikerin, die sich vor allem gegenüber den Großkonzernen wie Google und Facebook eingesetzt hatte. In der Wahlnacht sagte sie erstmals deutlich, dass sie Kommissionspräsidentin werden wolle. Das war ein Novum – jedoch war vorher auch noch nicht klar, ob und wie die großen Fraktionen im Parlament an Stimmen verlieren würden. Denkbar ist schon, dass sich Vestager erst aus der Deckung traute, als klar wurde, dass die größeren Parteien mit Verlusten bei dieser Wahl zu rechnen haben.
Staats- und Regierungschefs müssen Vorschlag machen
Weber, Timmermans, Vestager – damit einer von ihnen die EU-Kommission führen kann, müssten sich jedoch zunächst die EU-Staats- und Regierungschefs einigen: Bei ihnen liegt das offizielle Vorschlagsrecht zur Besetzung dieses Postens. Anschließend muss das Parlament mehrheitlich zustimmen. Klar ist jetzt schon: Macron will Weber verhindern, daher ist der CSU-Mann nun auch auf die Unterstützung von Angela Merkel angewiesen. Er hofft, dass sie ihn unterstützen wird.
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Jedoch ist mit Vestager, die mit ihrer öffentlichen Kundmachung ihrer Kandidatur ganz anders auf der politischen Bühne in Brüssel auftritt, eine Kandidatin hinzugekommen, die das Gleichgewicht zwischen Timmermans und Weber erheblich beeinflussen könnte – und bei einem Patt möglicherweise sogar die Wahl gewinnen.
Schon an diesem Dienstag kommen die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem informellen Gipfel zusammen, um über die Postenvergabe zu beraten. Dort unterscheiden sich die Mehrheiten von denen im Parlament. Vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron sieht Weber äußerst kritisch. Im für ihn besten Fall präsentiert Weber dann also schon eine starke Mehrheit. Nach den Gesprächen am Montagabend folgt am Dienstagmorgen bereits das nächste Treffen mit Parlamentspräsident Antonio Tajani sowie den Fraktionschefs.
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Sollte es zwischen den Staats- und Regierungschefs sowie dem Parlament keinen Konsens geben, droht eine monatelange Blockade. Kein Wunder, dass Weber während der Pressekonferenz in München im Kopf schon woanders ist: Im Moment sei er "hauptsächlich mit Brüsseler Gedanken beschäftigt", sagte er.
- Nachrichtenagentur dpa